Entscheidungsstichwort (Thema)

Überprüfung der tatrichterlichen Auslegung durch Berufungsgericht

 

Verfahrensgang

LG Berlin (Urteil vom 22.10.2002; Aktenzeichen 9 O 694/01)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 22.10.2002 verkündete Urteil der Zivilkammer 9 des LG Berlin - 9 O 694/01 - abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

Die Berufung ist zulässig und begründet.

Der Klägerin stehen die geltend gemachten Ansprüche gegen die Beklagte unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu. Entgegen der Ansicht des LG kann die schriftliche Erklärung vom 2.12.1997 nicht als Schuldbeitritt (Schuldmitübernahme) ausgelegt werden.

Zwar überprüft das Berufungsgericht eine erstinstanzliche Auslegung wegen der Verweisung auf § 546 ZPO wie ein Revisionsgericht nur darauf, ob gesetzliche Auslegungsregeln, Denkgesetze, Erfahrungssätze und Verfahrensvorschriften beachtet sind. Eine Auslegung, die diesen Kriterien gerecht wird und auf einer vertretbaren Gewichtung beruht, bedeutet ungeachtet auch anderer Auslegungsmöglichkeiten keine Rechtsverletzung im Sinne eines Rechtsanwendungsfehlers (OLG München v. 12.3.2003 - 21 U 4945/02, OLGReport München 2003, 169 = MDR 2003, 952 f.; OLG Celle v. 1.8.2002 - 2 U 57/02, OLGReport Celle 2002, 238; Gehrlein, MDR 2003, 421 [426]; zum Prüfungsumfang vgl. auch BGH v. 13.3.2003 - IX ZR 199/00, BGHReport 2003, 648 = MDR 2003, 736 m.w.N.).

Zu den allgemein anerkannten Auslegungsregeln gehört aber auch der Grundsatz einer nach beiden Seiten hin interessengerechten Auslegung (BGH v. 7.6.1991 - V ZR 175/90, BGHZ 115, 1 [5] = MDR 1991, 964; BGH v. 31.10.1995 - XI ZR 6/95, BGHZ 131, 136 [138] = MDR 1996, 322, jeweils m.w.N.), durch die eine Abrede auf einen vertretbaren Sinngehalt zurückzuführen ist (BGH WM 1979, 918). Diesen Anforderungen wird die angegriffene Entscheidung nicht gerecht.

Selbst wenn man mit dem LG davon ausgeht, dass dieses Schreiben eine rechtsgeschäftliche Willenserklärung des Inhalts enthält, dass eine Verpflichtung zur Zahlung von Abfuhr- und Straßenreinigungsentgelten übernommen werden sollte, ist die Annahme des LG, die Beklagte habe ggü. der Klägerin nicht erkennbar zum Ausdruck gebracht, im fremden Namen zu handeln, nicht haltbar. Der Wille, im fremden Namen zu handeln, ergibt sich hier aus den Umständen; das genügt (§ 164 Abs. 1 S. 2 BGB). Der Verwalter eines Objektes handelt regelmäßig für einen Auftraggeber; ein eigenes Verpflichtungsinteresse ist ihm fremd. So ist allgemein anerkannt, dass die Mitteilung eines Hausverwalters, er habe die Verwaltung des Hauses übernommen und die Rechnungen seien nunmehr ihm zu übersenden, rechtlich nicht als Beendigung der Vertragsbeziehungen zwischen dem Versorgungsunternehmen und dem Hauseigentümer und als Eintritt des Verwalters in den Versorgungsvertrag zu verstehen ist. Sie bedeutet lediglich, dass bei unveränderter Aufrechterhaltung der ursprünglichen Vertragsbeziehungen die mit der Bezahlung verbundenen Maßnahmen durch den Verwalter im Namen und im Auftrage des Hauseigentümers erledigt werden sollen (OLG Brandenburg v. 8.8.2001 - 14 U 117/00, OLGReport Brandenburg 2002, 156; Ludwig/Odenthal, AVBEltV, § 2 Rz. 133 m.w.N.). Auch bei einem durch die Hausverwaltung ohne ausdrückliche Benennung der Hauseigentümer (hier: Eigentümergemeinschaft) erteilten Werkauftrag ist typischerweise davon auszugehen, dass der Hausverwalter nicht im eigenen Namen, sondern im Namen der Hauseigentümer die Willenserklärung abgibt (BGH, Urt. v. 8.1.2004 - VII ZR 12/03, BGHReport 2004, 721 = MDR 2004, 743; OLG Düsseldorf v. 29.2.2000 - 5 U 121/99, OLGReport Düsseldorf 2000, 151; KG KGReport Berlin 1996, 73). Der Umfang der vergebenen Arbeiten ist hierbei nicht entscheidend (BGH, Urt. v. 8.1.2004 - VII ZR 12/03, BGHReport 2004, 721 = MDR 2004, 743).

Nicht anders verhält es sich hier; eine Verpflichtung wollte die Beklagte durch ihr Schreiben trotz des Wortlautes offensichtlich nicht übernehmen.

Der Klägerin war aufgrund des Schreibens der Hausverwaltung O. vom 6.10.1997 bekannt, dass lediglich die Verwaltung des Hauses W. und nicht der Eigentümer dieses Grundstückes zu Ende September 1997 gewechselt hat. Entsprechend konnte die Klägerin ausgehend von dem hier zu berücksichtigenden Empfängerhorizont das Schreiben vom 2.12.1997 nur so verstehen, dass die darin enthaltene Willenserklärung von der Beklagten im Namen des Grundstückseigentümers abgegeben worden ist und deshalb einen Schuldbeitritt der Beklagten nicht enthält.

Ergänzend sei auf folgende Gesichtspunkte hingewiesen:

Schon der Wortlaut der auf einem Vordruck der Klägerin abgegebenen Erklärung ist nicht eindeutig. Ausgehend von dem im Vordruck angegebenen Betreff soll dieser einen "Wechsel des Eigentümers oder Pflichtigen auf dem Grundstück" betreffen. Im weiteren Text heißt es dann aber "Neuer Eigentümer/Bevollmächtigter": was die Annahme rechtfertigen könnte, auch der Wechsel eines Bevollmächtigten sei auf di...

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