Leitsatz (amtlich)
1. Auch die Durchleitung privater Hörfunk- und Fernsehprogramme durch Breitbandkabelanschlüsse der Netzebenen 3 und 4 im Versorgungsbereich erfüllt den Tatbestand der "Kabelweitersendung" i.S.d. § 20b Abs. 1 S. 1 UrhG.
2. Zum Begriff der "öffentlichen Wiedergabe".
Verfahrensgang
LG Berlin (Urteil vom 07.10.2008; Aktenzeichen 16 O 1188/06) |
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des LG Berlin - 16 O 1188/06 - vom 7.10.2008 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
2. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
A. Die Parteien streiten über die urheberrechtliche Vergütung von Kabelweitersendungen, die die Klägerin über Breitbandkabelanschlüsse der Netzebenen 3 und 4 zum Empfang von Fernseh- und Hörfunksignalen im Umkreis von Bernau vornimmt; die Beklagte nimmt als Verwertungsgesellschaft die urheberrechtlichen Leistungsschutzrechte der betroffenen privaten Hörfunk- und Fernsehsender wahr. Nach vorheriger Durchführung des Schiedsverfahrens (vgl. Anlagen K 5 und K 6 zur Klageschrift = Bl. 34-44 d.A.) will die Klägerin festgestellt wissen, dass sie nicht verpflichtet sei, mit der Beklagten einen Vertrag zur Abgeltung von Urheberrechtsgebühren für die Kabelweitersendung abzuschließen, und begehrt die Erstattung der für das Jahr 2003 unter Vorbehalt geleisteten Zahlung in Höhe 5.193,78 EUR zzgl. Prozesszinsen.
Für alle weiteren Einzelheiten des zugrunde liegenden Sachverhalts wird zunächst auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils verwiesen (§ 540 Abs. 1 ZPO).
Das LG hat die Klage durch Urteil vom 7.10.2010 abgewiesen. Das Senderecht der betroffenen privaten Hörfunk- und Fernsehveranstalter sei tangiert, weil durch die beiden von der Klägerin betriebenen Kabelnetze mit 200 bzw. über 8.000 Endnutzern nicht nur der Empfang der Programme verbessert, sondern der Tatbestand der öffentlichen Wiedergabe erfüllt sei. Weder untereinander noch im Verhältnis zu der Klägerin seien die Letztverbraucher durch persönliche Beziehungen verbunden, so dass der Bereich der privaten Werknutzung (wie bei einer Gemeinschaftsantennen- oder - kabelanlage) überschritten sei. Die Klägerin nutze nicht privat, sondern wirtschaftlich, und sei deshalb nach § 87 Abs. 5 UrhG verpflichtet, mit den Sendeunternehmen zu angemessenen Bedingungen einen Vertrag über die Kabelweitersendung abzuschließen. Für die Angemessenheit des Tarifs spreche hier bereits wegen der Staatsaufsicht über die Verwertungsgesellschaften ein Beweis des ersten Anscheins, zumal der FRK-Gesamtvertrag, auf dem der - unter der aufschiebenden Bedingung einer rechtskräftigen Feststellung der Zahlungsverpflichtung geschlossene - Einzelvertrag beruhe, durch Verhandlungen zwischen den Verwertungsgesellschaften und den Kabelnetzbetreibern zustande gekommen sei. Deshalb sei es nunmehr Sache der Klägerin, die Angemessenheit substantiiert zu bestreiten; daran fehle es jedoch.
Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung. Sie macht geltend, das LG habe bei der Tarifbewertung außer acht gelassen, dass den Leistungsschutzrechten der Sendeunternehmen ein Einspeiseentgelt für die Transportleistung gegenzurechnen sei, was - zumal vor dem Hintergrund, dass die Beklagte nicht die Urheberrechtsansprüche der eigentlich Kulturschaffenden geltend mache - das Leistungsverhältnis in sein Gegenteil verkehre. In der Summe von Transportentgelt und Urheberrechtsgebühr könne im Verhältnis zwischen privaten Sendern und Kabelnetzbetreibern kein Überschuss zugunsten der Sender bestehen, denn nicht der Sender erbringe dem Kabelnetzbetreiber eine Leistung, sondern der Kabelnetzbetreiber umgekehrt dem Sender, indem er dessen Reichweite erhöhe. Dies sei auch bei einer verfassungskonformen Auslegung des § 87 Abs. 5 UrhG zu berücksichtigen; denn es sei keine sachliche Rechtfertigung dafür erkennbar, dass im wirtschaftlichen Ergebnis der Endkunde eines Kabelanschlusses mit einer Gebühr belastet werde, die ein Kunde mit Satellitenanschluss nicht zu zahlen habe. Dies widerspreche auch dem gesetzgeberischen Ziel, das Urheberrecht technologieneutral auszugestalten. Der verfassungsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz erfordere - was das LG verkannt habe - auch eine restriktive Auslegung des Begriffs der Kabel"weiter"sendung, der nicht einfach auf den Gesichtspunkt der "öffentlichen Wiedergabe" verkürzt werden dürfe, sondern verfassungskonform auf wertschöpfende Vorgänge - wie etwa eine Weitersendung in von der Satellitenausstrahlung nicht erfasste Gebiete - zu begrenzen sei. Die Unangemessenheit des Tarifs belege auch der neu abgeschlossene Gesamtvertrag zwischen GEMA und ANGA.
Die Klägerin b...