Verfahrensgang

LG Berlin (Aktenzeichen 20 O 150/17)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 23.04.2021; Aktenzeichen V ZR 147/19)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das am 12. April 2018 verkündete Urteil der Zivilkammer 20 des Landgerichts Berlin - 20 O 150/17 - teilweise geändert:

Die Klage wird insgesamt abgewiesen.

2. Die Kläger haben die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Den Klägern wird nachgelassen, die Vollstreckung der Beklagten wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Parteien sowie der erstinstanzlich gestellten Anträge wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen, § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO. Ergänzend ist auszuführen:

Mit dem am 12. April 2018 verkündeten Urteil hat das Landgericht die Klageanträge zu Ziff. 1 und 4 für dem Grunde nach begründet erklärt. Zur Begründung hat das Landgericht insbesondere ausgeführt, es bestehe ein Anspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB, weil der Kaufvertrag unter Verstoß gegen die die Beklagte bindenden Regelungen der Privatisierungsgrundsätze 2010 (nachfolgend: PG 2010) zustande gekommen sei, weshalb der Kaufpreis nicht wirksam vereinbart worden sei. Die Beklagte habe die Pflicht gehabt, ein Gutachten zu beauftragen, und habe das Grundstück auch nur zum Verkehrswert veräußern dürfen.

Die Beklagte wendet sich mit der Berufung gegen dieses Urteil. Sie wiederholt und vertieft ihren erstinstanzlichen Vortrag.

Die Beklagte beantragt,

unter teilweiser Änderung des am 12. April 2018 verkündeten Urteils des Landgerichts Berlin zum Aktenzeichen 20 O 150/17 die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

II. 1. Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist begründet. Die geltend gemachten Ansprüche stehen den Klägern unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu.

a) Die Kläger haben keinen Anspruch auf Zahlung von 2.078.110,36 EUR (Klageantrag zu Ziff. 1).

aa) Insbesondere besteht kein Anspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB. Der zwischen den Parteien geschlossene Vertrag bildet den Rechtsgrund für die von den Klägern erbrachte Leistung. Der Vertrag wurde wirksam geschlossen und ist nicht nichtig.

(1) Der Vertrag ist insbesondere nicht nach § 134 BGB teilweise (hinsichtlich der Kaufpreisklausel) nichtig. Danach ist ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt nichtig, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.

Die fragliche Bestimmung in Ziff. 2.2.3. der PG 2010 stellt bereits kein Gesetz im Sinne des § 134 BGB dar (so auch KG, Hinweis nach § 522 Abs. 2 ZPO vom 1. August 2016 - 23 U 31/16 -, eingereicht als Anlage BK 2). Gesetze im Sinne des § 134 BGB sind entsprechend Art. 2 EGBGB Gesetze im formellen Sinne, Verordnungen, Satzungen und Gewohnheitsrecht, nicht jedoch Verwaltungsvorschriften (BGH, Urteil vom 28. April 2015 - XI ZR 378/13 -, Rn. 66, juris). Bei den PG 2010 handelt es sich um Grundsätze, auf die sich der Bund und die fünf neuen Bundesländer verständigt haben. Damit handelt es sich offensichtlich weder um ein Parlamentsgesetz noch um eine Rechtsverordnung. Auch eine Satzung liegt nicht vor, weil die PG 2010 nicht von einer mit Satzungsautonomie ausgestatteten juristischen Person, sondern einem Verbund von Staaten aufgestellt wurden. Offen bleiben kann, ob die PG 2010 als Verwaltungsvorschrift zu qualifizieren sind, weil Verwaltungsvorschriften kein Gesetz im Sinne des § 134 BGB sind. Darüber hinaus kommt eine (Teil-)Nichtigkeit ohnehin nicht in Betracht, weil die PG 2010 allenfalls ein einseitiges Verbotsgesetz darstellen würden und ein Verstoß gegen ein solches grundsätzlich nicht die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts zur Folge hat (BGH, Urteil vom 14. Dezember 1999 - X ZR 34/98 -, Rn. 16, 18, juris).

(2) Der Vertrag ist auch nicht nach § 138 BGB teilweise (hinsichtlich der Kaufpreisklausel) nichtig.

Es liegt kein Wucher im Sinne des § 138 Abs. 2 BGB vor. Selbst wenn die Behauptung der Kläger zutrifft, die Grundstücke seien nur etwa 3,5 Mio EUR statt der als Kaufpreis vereinbarten etwa 5,6 Mio EUR wert, liegt kein auffälliges Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung vor, das in der Regel erst dann anzunehmen ist, wenn die vom Schuldner zu erbringende Leistung um etwa 100 % oder mehr über dem Marktpreis liegt (vgl. BGH, Beschluss vom 13. Juli 1989 - III ZR 201/88 -, Rn. 5, juris).

Eine Sittenwidrigkeit nach § 138 Abs. 1 BGB liegt ebenfalls nicht vor. Insbesondere waren die Kläger nicht gezwungen, den Kaufvertrag zu diesem Zeitpunkt (zu diesen Konditionen) abzuschließen, um ihren Betrieb ...

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