Verfahrensgang

LG Berlin (Urteil vom 06.01.2012; Aktenzeichen 32 O 408/09)

 

Tenor

Auf die Anschlussberufung des Klägers wird das Urteil des LG Berlin vom 6.1.2012 - 32 O 408/09 teilweise geändert:

1. Die Beklagte zu 2. wird verurteilt, an den Kläger 18.000,00 EUR nebst Zinsen In Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 6.6.2009 zu zahlen.

2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte zu 2. verpflichtet ist, dem Kläger jeglichen materiellen und weiteren immateriellen Schaden zu ersetzen, die ihm bisher entstanden sind und zukünftig noch entstehen werden, sofern diese Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger und sonstige Dritte übergegangen sind oder übergehen werden.

3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Anschlussberufung wird zurückgewiesen. Die Berufung wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt vorab die außergerichtlichen Kosten 1. Instanz der Beklagten zu 1. Die übrigen Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger zu 2/25 und der Beklagten zu 2. zu 23/25 auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte zu 2. darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zu 2. vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I.A. Die Parteien streiten über Ansprüche (Schmerzensgeld in Höhe von mindestens 20.000,00 EUR und Feststellung der Schadensersatzverpflichtung) nach den §§ 1 Abs. 1, 8 Abs. 2 ProdHaftG wegen einer beim Kläger implantierten und später gebrochenen Hüftgelenksprothese.

Die Beklagte zu 2. ist Herstellerin von Hüftprothesen ("Varlcon"), die im März 2003 eingeführt und am 15.2.2005 komplett zurückgezogen wurden, nachdem sie erstmals im August 2004 Informationen über einen Konusbruch erlangt hatte. Dem im Jahre 1941 geborenen Kläger wurde am 14.10.2003 im St. Hedwigs Krankenhaus eine Hüfttotalendoprothese links der Varicon-Reihe implantiert.

Mit Schreiben vom 6.7.07 setzte das Krankenhaus den Kläger davon in Kenntnis, dass dem Hüftgelenk ein "eindeutiger Produktfehler" anhafte und daher medizinische Betreuung notwendig sei.

Am 6.6.09 kam es zum Bruch des Hüftgelenks, am 10.6.09 fand die Revisionsoperation statt.

Die Parteien haben unter Berufung auf diverse, in anderen Verfahren eingeholte Sachverständigengutachten im Wesentlichen darüber gestritten, ob die streitgegenständlichen Hüftprothesen im Sinne des ProdHaftG fehlerhaft sind und ob - ihre Fehlerhaftigkeit unterstellt - ein Haftungsausschluss nach § 1 Abs. 2 Nr. 5 ProdHaftG gegeben sei, weil der Fehler im Zeitpunkt des Inverkehrbringens nach dem damaligen Stand der Wissenschaft und Technik nicht erkannt werden konnte.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens erster Instanz und der dort gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des Urteils des LG sowie ergänzend auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

B. Das LG hat die Beklagte zu 2. zur Zahlung von 10.000 EUR Schmerzensgeld unter Abweisung der darüber hinausgehenden Schmerzensgeldforderung verurteilt und die begehrte Feststellung getroffen, §§ 1 Abs. 1, 8 Satz 2 ProdHaftG.

Wie das LG Berlin in dem Verfahren 2 O 130/09 mit Grund- und Teilurteil vom 15.8.11 zutreffend ausgeführt habe, sei (selbst) bei Zugrundelegung der Ausführungen des Sachverständigen Kretzer sowohl von der Fehlerhaftigkeit des streitgegenständlichen Varicon-Implantats auszugehen, als auch davon, dass sich die Beklagte nicht nach § 1 Abs. 2 Nr. 5 ProdHaftG entlasten könne.

Die in dem Verfahren 2 O 130/09 gemachten Ausführungen hat sich das LG in dem angefochtenen Urteil zu Eigen gemacht.

Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des Urteils des LG Bezug genommen.

C. Hiergegen hat die Beklagte zu 2. im Umfang ihrer Beschwer Berufung eingelegt.

Der Kläger verlangt im Wege der Anschlussberufung weitere 10.000 EUR, also Insgesamt 20.000 EUR Schmerzensgeld.

Die Beklagte zu 2. trägt vor:

1. Der Kläger habe die gegen die Beklagte zu 2. gerichtete Klage wirksam zurückgenommen.

Es habe sich bei der Erklärung in dem Schriftsatz vom 5.9.11 - entgegen der Auffassung des LG - nicht um einen "offenkundigen Schreibfehler" gehandelt, der Kläger habe genau das erklärt, was er gemeint habe. Die Klagerücknahme könne als Prozesshandlung auch weder widerrufen noch angefochten werden.

2. Das LG habe in verfahrensfehlerhafter Weise die eigene Entscheidungsfindung durch die Bezugnahme auf das Urteil in dem Verfahren vor dem LG 2 O 130/09 ersetzt und die in mehren Parallelverfahren eingeholten Sachverständigengutachten verwertet.

Diese Vorgehensweise - die Verwertung gleich mehrerer Sachverständigengutachten - sei in der ZPO nicht vorgesehen.

3. Selbst wenn man von der Zulässigkeit des Vorgehens des LG ausgehen würde, ...

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