Verfahrensgang

LG Berlin (Urteil vom 25.11.2008; Aktenzeichen 13 O 153/05)

 

Tenor

1. Die Berufung des Beklagten zu 1) gegen das Versäumnisteil- und Teilurteil des Landgerichts Berlin vom 25.11.2008 – 13 O 153/05 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

2. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Beklagten zu 1) wird nachgelassen, die Vollstreckung der Kläger durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Auf den Tatbestand des Urteils des Landgerichts wird Bezug genommen.

Der Beklagte zu 1) (im Folgenden: Beklagte) war der behandelnde und die Schwangerschaft der Klägerin begleitende Gynäkologe.

Der frühere Beklagte zu 2), der erstinstanzlich rechtskräftig verurteilt worden ist, wurde von der Klägerin als „2. Meinung” schwangerschaftsbegleitend mehrfach zur Ultraschalldiagnostik aufgesucht.

In der 36. SSW stellte sich die Klägerin jedenfalls auch wegen fortbestehender Steißlage des Ungeborenen in der Klinik der früheren Beklagten zu 3) vor, gegen die die Klage erstinstanzlich rechtskräftig abgewiesen worden ist. Dort wurde der Klägerin und ihrem Ehemann, dem Kläger, eröffnet, dass das Ungeborene an einem erheblichen Hydrocephalus leide und schwere körperlich und ggfls. auch geistige Schäden nach der Geburt zu erwarten seien.

Nach einer Beratung über die Möglichkeiten (Fetozid, der in der Klinik aber abgelehnt wurde, Sectio oder natürliche Geburt nach „Entwässerung” des derzeit für eine Geburt zu großen Kopfes) entschlossen sich die Kläger für eine Sectio, wollten das Kind postpartal aber nicht sehen. Erst nach Abschluss des Wochenbettes besuchten die Kläger ihre Tochter und entschlossen sich, ihre häusliche Pflege zu übernehmen.

Das Landgericht hat u.a. den Beklagten zur Zahlung eines Schmerzensgeldes an die Klägerin sowie des kapitalisierten und zukünftigen Unterhaltsschadens verurteilt und seine Ersatzpflicht für weitere zukünftige auf der Geburt der Tochter beruhende Schäden festgestellt. Es begründet dies damit, dass der Beklagte in der 32. und 34. SSW die von ihm erstellten Ultraschallaufnahmen, die nach Auffassung des gerichtlich bestellten Sachverständigen Prof. Dr. V. deutlich einen Hydrocephalus erkennen ließen, fehlerhaft ausgewertet habe. Zwar stelle dies nur einen einfachen Behandlungsfehler dar; da der Beklagte es aber unterlassen habe, aufgrund des ersichtlichen Befundes eine Feindiagnostik zu beauftragen, drehe sich über die Regeln der unterlassenen Befunderhebung die Beweislast um und er müsse beweisen, dass bei richtiger Behandlung die Klägerin die Abtreibung unterlassen hätte.

Der Beklagte meint, die Verurteilung sei von Rechtsfehlern gekennzeichnet. Bei einfachem Diagnosefehler könne nicht über die unterlassene Befunderhebung eine Beweislastumkehr konstruiert werden. Auch unter Zugrundelegung des nervenärztlichen Gutachtens des Sachverständigen Dr. K., das der Senat eingeholt hat, sei eine Haftung seinerseits nicht gegeben, weil die Klägerin nicht habe beweisen können, dass sie bei Mitteilung der kindlichen Schädigung in der 32. oder 34. SSW – anders als in der 36. SSW – sich für eine Abtreibung entschieden hätte.

Er beantragt Aufhebung des landgerichtlichen Urteils und Klageabweisung, soweit es seine Person betrifft.

Die Klägerin beantragt Zurückweisung der Berufung.

Sie verteidigt das Urteil.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Berufung ist im Ergebnis unbegründet.

Zwar ist dem Beklagten zuzugeben, dass das Landgericht fehlerhaft einen Fall der unterlassenen Befunderhebung angenommen hat. Denn ein Diagnosefehler kann nur dann ein Befunderhebungsfehler sein, wenn notwendige Befunde nicht erhoben worden sind. Wenn notwendige Befunde erhoben, aber falsch ausgewertet worden sind, so dass wegen der Fehldiagnose keine weiteren Befunde angeordnet wurden, ist die Figur der unterlassenen Befunderhebung nicht anwendbar (BGH 21.12.2010 – VI ZR 284/09 – Rn 13 zit. nach juris).

Deshalb konnte hier keine Beweislastumkehr angenommen werden.

Jedoch ist der Beklagte aufgrund eines einfachen Diagnosefehlers haftbar für den Unterhaltsschaden und das Schmerzensgeld, wie vom Landgericht ausgeurteilt.

Dass er einen einfachen Diagnosefehler bei der Auswertung der Ultraschallaufnahmen in der 32. und 34. SSW beging, stellt der Beklagte in der Berufung nicht mehr ernstlich in Zweifel. Die Ausführungen des erstinstanzlich betrauten gynäkologischen Sachverständigen Prof. Dr. V. sind hierzu auch eindeutig.

Dieser Fehler war entgegen der Auffassung des Beklagten auch kausal für die Geburt der Tochter der Kläger. Denn wenn er die Aufnahmen richtig ausgewertet hätte, wäre die Klägerin sofort in die Charité überwiesen worden und wäre bereits in der 32. SSW, spätestens in der 34. SSW, mit der körperlichen und geistigen Gefährdung des Ungeborenen konfrontiert gewesen. Sie wäre – was nach dem überzeugenden Gutachten des Sachverständigen Dr. K. festste...

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