Leitsatz (amtlich)
1. Der Träger der Straßenbaulast verletzt seine Verkehrssicherungspflicht, wenn er einen in einem desolaten und "vor sich selbst warnenden" Zustand befindlichen, für den öffentlichen Verkehr aber freigegebenen Fußgängerüberweg auf einem Mittelstreifen einer Straße über einen Zeitraum von mehreren Jahren nicht instand setzt.
2. Ein Überweg in einem solchen Zustand entspricht nicht einem "regelmäßigen Verkehrsbedürfnis", wobei dem nicht entgegensteht, dass dieser von einem sorgfältigen Fußgänger bereits bei flüchtigem Hinsehen ohne weiteres bemerkt werden kann (entgegen OLG Brandenburg, Urt. v. 21.12.2007 - 2 U 9/07).
Verfahrensgang
LG Berlin (Urteil vom 08.12.2010; Aktenzeichen 86 O 112/10) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des LG Berlin - 86 O 112/10 - vom 8.12.2010 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrages, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Die im Jahre 1939 geborene Klägerin verlangt Schadensersatz und Schmerzensgeld wegen vermeintlicher Verletzung einer den Beklagten treffenden Verkehrssicherungspflicht.
Am Vormittag des 24.9.2009 stürzte die Klägerin auf dem von ihr seit etlichen Jahren benutzten Überweg des Mittelstreifens der N. straße an der Kreuzung A.-Z.-Straße in B. Dieser bereits vor dem 3.10.1990 angelegte Überweg bestand am Tag des Sturzes wie auch am Tag der letzten turnusmäßigen Begehung durch einen Mitarbeiter des Bezirksamtes am 4.9.2009 wie auch seit Jahren zuvor aus bereits stark verwitterten und keine ebene Fläche mehr aufweisenden Betonplatten. Dabei blieb die festes Schuhwerk tragende Klägerin mit ihrem Fuß in einem etwa 2 bis 2,5 cm tiefen Loch hängen und fiel zu Boden, wobei sie sich schwere Verletzungen im Gesicht, einschließlich des Verlustes von vier Zähnen, eine starke Prellung am rechten Arm und im Bereich der rechten Brust zuzog und sich das rechte Handgelenk verstauchte, weswegen sie sich in langwierige ärztliche und zahnärztliche Behandlung begeben musste.
Wegen des Zustandes des Überweges wird im Übrigen Bezug genommen auf die von beiden Parteien eingereichten Fotos (Anlagen K1 - K3b = Bl. 15 ff. d.A., B1, B6).
Wegen des Weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil des LG Berlin - 86 O 112/10 - vom 8.12.2010 Bezug genommen.
Mit diesem Urteil hat das LG Berlin den Beklagte unter Abweisung der Klage im Übrigen dazu verurteilt, an die Klägerin 3.474,09 EUR nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 1.963,28 EUR seit dem 10.6.2010 und aus 1.510,81 EUR seit dem 1.7.2010 zu zahlen; ferner hat es festgestellt, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin 90 % sämtlicher künftiger materieller Schäden aus dem am 24.9.2009 stattgefundenen Sturz auf dem Straßenübergang N. straße Kreuzung A.-Z.-Straße in B.zu bezahlen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen. Gegen dieses dem Beklagten am 13.12.2010 zugestellte Urteil hat er am 12.1.2011 Berufung eingelegt und diese zugleich begründet.
Der Beklagte ist weiterhin der Auffassung, eine Sperrung oder Beschilderung des Weges sei nicht erforderlich gewesen, da die Gefahren des Überweges vor sich selbst gewarnt hätten, wonach ein normale Sorgfalt beachtender Fußgänger sich auf die Gefahr habe einstellen und sich so vor ihr schützen können. Eine Haftung scheide aus, wenn - wie vorliegend - das Vorhandensein von Unebenheiten sich nach dem Gesamtbild des Gehwegbereichs bereits bei flüchtigem Hinsehen aufgedrängt habe. Die Grunderneuerung des Überweges habe im Übrigen zum frühestmöglichen Zeitpunkt erfolgen sollen.
Der Beklagte beantragt, das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil als zutreffend und wiederholt und vertieft hierzu ihren Vortrag aus erster Instanz.
I. Die zulässige Berufung des Beklagten ist unbegründet.
1. Zu Recht ist das LG davon ausgegangen, dass der Beklagte gem. § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG aufgrund einer schuldhaften Amtspflichtverletzung verpflichtet ist, der Klägerin jedenfalls 90 % ihrer Schäden aus dem Sturz vom 24.9.2009 zu ersetzen.
a. Das schädigende Ereignis - der Sturz der im Jahre 1939 geborenen Klägerin am 24.9.2009 - ist Folge einer von dem Beklagten zu vertretenden Verletzung der im Lande Berlin hoheitlich ausgestalteten Straßenverkehrssicherungspflicht. Der Senat stimmt den Ausführungen des LG zu der schuldhaften Amtspflichtverletzung in vollem Umfang zu.
(1) Der Beklagte hat schuldhaft seine Amtspflichten gem. § 7 BerlStrG verletzt. Nach § 7 Abs. 2 Satz 2 BerStrG sind die öffentlichen Straßen im Rahmen der Leistungsfähigkei...