Unfall durch Glätte bei Herbstlaub

Öffentliche Wege und Plätze müssen witterungsabhängig gereinigt werden. Ist heruntergefallenes Laub noch nicht beseitigt, müssen Fußgänger mit Glätte rechnen. Kommt ein Fußgänger zu Fall, kann ihn ein Mitverschulden treffen.

Unfälle infolge herbstlichen Laubs auf Straßen und Wegen beschäftigen die Gerichte periodisch immer wieder. Das LG Lübeck hat in einem Prozess über Schmerzensgeld einerseits die Pflicht einer Gemeinde betont, als Trägerin der Straßenbaulast öffentliche Wege und Plätze bedarfsgerecht von herabgefallenem Laub zu reinigen, aber gleichzeitig den Schmerzensgeldanspruch einer auf einer Laubschicht zu Fall gekommenen Fußgängerin wegen Mitverschuldens deutlich gekürzt.

Sturz auf glattem Laub

Die Klägerin hatte ihr Fahrzeug auf einem öffentlichen Parkplatz einer schleswig-holsteinischen Gemeinde geparkt. Bei ihrer Rückkehr zum Fahrzeug stürzte sie auf einer Anhäufung von heruntergefallenem Laub, unter dem sich nach ihrer Darstellung eine rutschige, matschige Schicht gebildet hatte. Sie sei darauf ausgerutscht und habe sich hierbei das Handgelenk gebrochen mit über mehrere Monate andauernden, die Beweglichkeit einschränkenden schmerzhaften Folgen. Die Klägerin forderte ein Schmerzensgeld in Höhe von 6.000 Euro.

Entfernung des Laubs einmal jährlich

Die zuständige kommunale Schadenausgleichsbehörde Schleswig-Holstein wies die Forderung zurück. Begründung: In der betreffenden Gemeinde werde das heruntergefallene Laub turnusgemäß einmal jährlich bei Ende der Herbstsaison beseitigt. Der Sturz der Klägerin Ende des Monats Oktober sei zeitlich kurz vor der Laubreinigung erfolgt. Eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht der Gemeinde sei nicht erkennbar. Mit der regelmäßigen Reinigung öffentlicher Straßen und Plätze von heruntergefallenem Laub einmal jährlich erfülle die Gemeinde ihre insoweit bestehenden Reinigungs- und Verkehrssicherungspflichten.

Verkehrssicherungspflicht verletzt

Das mit der Sache befasste LG bejahte einen Schmerzensgeldanspruch der Klägerin aus § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB in Verbindung mit Art. 34 Satz 1 GG wegen Verletzung einer Amtspflicht. Die Beklagte sei als Trägerin der Straßenbaulast des streitgegenständlichen Parkplatzes verkehrssicherungspflichtig. Die Gemeinde sei verpflichtet, öffentliche Straßen und Wege innerhalb der geschlossenen Ortschaft bedarfsgerecht zu reinigen. Diese Reinigungspflicht habe die Beklagte verletzt.

Reinigung öffentlicher Plätze muss bedarfsgerecht erfolgen

Das LG wies die Auffassung der Beklagten, die Gemeinde erfülle ihre Verkehrssicherungspflicht durch eine turnusgemäße, einmal jährlich stattfindende Reinigung, als völlig unzureichend zurück. Ebenso wie die Beseitigung von Schnee und Glatteis sei die Beseitigung von Laub eine Pflicht, die nicht durch eine in regelmäßigen Abständen stattfindende Reinigungsaktion erfüllt werden könne. Umfang und Art dieser Reinigungspflicht seien nicht turnusgemäß, sondern entsprechend dem witterungsbedingten Bedarf zu bestimmen (OLG Hamm, Urteil v. 9.12.2005, 9 U 170/04).

Reinigung einmal jährlich ist zu wenig

Das LG gestand der Beklagten zu, dass die Beseitigung von nassem Laub nicht die gleiche Dringlichkeit wie die Beseitigung von Eis und Schnee habe. Jedoch hätte die Bevölkerung Anspruch darauf, dass in größerem Umfange liegen gebliebenes Laub mit darunterliegenden glitschigen Schichten zeitnah entfernt werde. Eine jährlich einmalige Entfernung des Laubs nach einem strikten, nicht flexiblen Reinigungsplan, genüge diesen Anforderungen nicht.

Verletzung der Verkehrssicherungspflicht begründet Anscheinsbeweis

Infolge der damit feststehenden Verletzung der Verkehrssicherungspflicht seitens der Beklagten streitet nach der Entscheidung des LG ein Anscheinsbeweis dafür, dass diese Pflichtverletzung ursächlich für das Ausrutschen der Klägerin und den anschließenden Sturz gewesen sei (BGH, Urteil v. 20.6.2013, IIIZR 326/12). Diesen Anscheinsbeweis habe die Beklagte nicht widerlegt.

Mitverschulden der Klägerin

Trotz der Ursächlichkeit der Verletzung der Verkehrssicherungspflicht für den eingetretenen Schaden, sprach das Gericht der Klägerin nicht den von ihr geltend gemachten vollen Schmerzensgeldanspruch zu. Nach der allgemeinen Lebenserfahrung hätte die Klägerin damit rechnen müssen, dass sich unter der dicken Laubschicht in tieferen Lagen Glätte verbergen könne. Die Gefahr sei aufgrund der dicken Laubschicht für Fußgänger ohne weiteres erkennbar gewesen. Die Klägerin habe nicht vorgetragen, angesichts des angesammelten Laubes den Parkplatz besonders vorsichtig, z.B. unter Umgehung von Laubanhäufungen, überquert zu haben. Dies habe sie angesichts der erkennbaren Gefahrenlage aber tun müssen.

Schmerzensgeldanspruch um die Hälfte gekürzt

Im Ergebnis ging die Kammer von einem hälftigen Mitverschulden der Klägerin aus. Das Gericht hielt insgesamt ein Schmerzensgeld in Höhe von 4.000 Euro für angemessen und kürzte dieses aufgrund des Mitverschuldensanteils der Klägerin um 50 % auf 2.000 EUR.

(LG Lübeck, Urteil v. 21.2.2024, 6 O 157/22)


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