Schadensrecht: Mietwagen trotz abgelaufener TÜV-Plakette

Eine abgelaufene TÜV-Plakette des Unfallfahrzeuges des Geschädigten ist kein Hindernis für die Geltendmachung der unfallbedingten Kosten eines Mietwagens gegenüber dem Unfallverursacher.

Der BGH hat sich mit der Frage befasst, inwieweit der Geschädigte nach einem Verkehrsunfall einen Mietwagen auf Kosten des Unfallverursachers in Anspruch nehmen kann, wenn das verunfallte Fahrzeug zum Unfallzeitpunkt keine gültige TÜV-Plakette mehr besaß. Der BGH hat den Anspruch des Geschädigten auf Ersatz der Mietwagenkosten uneingeschränkt bejaht.

Ersatz der Mietwagenkosten vom Haftpflichtversicherer gefordert

Der PKW des Klägers hatte bei einem Verkehrsunfall einen Totalschaden erlitten. Der Kläger hatte nach dem Verkehrsunfall einen Mietwagen in Anspruch genommen und den Haftpflichtversicherer des unstreitig allein schuldigen Unfallverursachers auf Ersatz der Mietwagenkosten in Anspruch genommen.

Unfallfahrzeug hatte keine gültige TÜV-Plakette

Die beklagte Haftpflichtversicherung verweigerte die Zahlung mit der Begründung, zum Zeitpunkt des Unfalls sei der Termin zur Haupt- und Abgasuntersuchung des Fahrzeugs des Klägers um mehr als ein halbes Jahr überschritten gewesen. Der Kläger habe daher mit seinem Fahrzeug nicht mehr am Straßenverkehr teilnehmen dürfen. Zum Zeitpunkt des Verkehrsunfalls habe der Kläger ordnungswidrig gehandelt, indem er sein Fahrzeug weiter genutzt habe. In rechtlicher Hinsicht sei die Anmietung des Mietwagens daher nicht unfallbedingt, sondern nur anlässlich des Unfallereignisses erfolgt. Folglich seien die Kosten für den in Anspruch genommenen Mietwagen nicht zu ersetzen.

Nutzungsmöglichkeit bestand trotz fehlender TÜV-Plakette

Anders als die Vorinstanz teilte der BGH die Argumentation der beklagten Versicherung nicht. Gemäß § 249 Abs. 1 BGB habe der zum Schadensersatz Verpflichtete den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. In diesem Fall stünde dem Kläger ein verkehrssicheres, fahrbereites Fahrzeug zur Verfügung, wenn auch ohne gültige TÜV-Plakette. Deshalb gehe die Inanspruchnahme eines Mietwagens durch den Kläger zulasten des Unfallverursachers bzw. dessen Haftpflichtversicherung, denn zum gemäß § 249 Abs. 1 BGB erforderlichen Herstellungsaufwand gehörten nach ständiger Rechtsprechung auch die Mietwagenkosten.

Berufungsgericht verneinte die Ersatzpflicht

Eine Ausnahme von der Verpflichtung zur Übernahme der Mietwagenkosten bestehe allerdings dann, wenn der Geschädigte im Zeitraum der Anmietung des Mietwagens aus nicht unfallbedingten Gründen an der Benutzung seines Fahrzeugs gehindert gewesen wäre (BGH, Urteil v. 10.6.2008, VI ZR 248/07). Unter Hinweis auf diese Rechtsprechung hatte die Vorinstanz den Ersatz der Mietwagenkosten abgelehnt, weil der Kläger aus Rechtsgründen sein Fahrzeug nicht mehr im Straßenverkehr hätte nutzen dürfen.

Ungültige TÜV-Plakette bewirkt kein Nutzungsverbot

Nach Auffassung des BGH hatte das Berufungsgericht übersehen, dass die Nutzung eines ansonsten verkehrssicheren PKWs mit überschrittener Frist zur Vorführung zur Haupt- und Abgasuntersuchung erst dann rechtswidrig werde, wenn die zuständige Behörde den Betrieb des Fahrzeugs gemäß § 29 Abs. 7 Satz 4 StVZO untersagt oder beschränkt. Dies sei hier

nicht der Fall gewesen, sodass der Kläger grundsätzlich sein Fahrzeug noch habe im Straßenverkehr nutzen dürfen, auch wenn er dabei die Verhängung eines Bußgeldes von 60 Euro wegen einer ungültigen TÜV-Plakette riskiert hätte.

Nutzungsverbot weder nach nationalem noch nach EU-Recht

Nach Auffassung des Senats ändert auch der Sicherungscharakter der Hauptuntersuchung (Wahrung der Sicherheit des Straßenverkehrs und der Belange des Umweltschutzes) an diesem Ergebnis nichts. Da aber weder die StVZO noch die einschlägige EU-Richtlinie 2014/45/EU ein Nutzungsverbot für den Fall der Überschreitung des Hauptuntersuchungstermins vorsähen, sei nicht von einer grundsätzlichen Missbilligung der weiteren Nutzung des Fahrzeugs durch die Rechtsordnung auszugehen.

Tatsächliche Nutzungsmöglichkeit des Fahrzeugs ist geldwerter Vorteil

Schließlich folgte der BGH auch nicht der Rechtsauffassung der Vorinstanz. Danach habe infolge der Möglichkeit der jederzeitigen Untersagung der Fahrzeugnutzung durch die zuständige Behörde die faktische Nutzungsmöglichkeit keinen Geldwert mehr gehabt. Dem Kläger sei daher kein Vermögensschaden entstanden. Die Nutzungsmöglichkeit des Fahrzeugs ist nach Ansicht des BGH vielmehr so lange ein geldwerter Vorteil, als die zuständige Behörde die Nutzung nicht untersagt hat.

Haftpflichtversicherer muss Mietwagenkosten ersetzen

Im Ergebnis bewertete der BGH die Inanspruchnahme eines Mietwagens durch den Kläger als schadenersatzpflichtige Unfallfolge. Die Revision des Klägers gegen das klageabweisende Urteil der Vorinstanz hatte damit Erfolg.

(BGH, Urteil v. 3.12.2024, VI ZR 117/24).


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