Rz. 43

Beim Abschluss eines Geschäftsraummietvertrages geht der Mieter regelmäßig davon aus, mit dem Betrieb des Geschäftes auch Gewinn erzielen zu können. Tritt dieser Erfolg nicht ein oder lässt sich gar mit den Einkünften der vereinbarte Mietzins nicht aufbringen, wird gerade bei langfristigen Mietverträgen eine Minderung des Mietzinses oder eine vorzeitige Beendigung des Vertragsverhältnisses erwogen. Da grundsätzlich der Mieter allein das Risiko des Erfolgs seines Unternehmens trägt, liegt i. d. R. kein Mangel der Mietsache vor, der eine Minderung des Mietzinses rechtfertigen oder gar zur Kündigung des Mietverhältnisses berechtigen könnte (vgl. zuletzt BGH, Urteil v. 17.3.2010, XII ZR 108/08, ZMR 2010, 598 mit Rechtsprechungsnachweisen). Eine andere Frage ist, ob über § 313, der auf alle Schuldverhältnisses Anwendung findet, eine – nach der Schuldrechtsmodernisierung nur auf entsprechende Einrede hin (AnwK-BGB/Krebs, § 313 Rn. 78) zu berücksichtigende – Störung der Geschäftsgrundlage angenommen werden kann, die nach Abs. 1 der Bestimmung eine Anpassung der Miete ermöglicht (vgl. zum Sonderfall Corona Rz. 44) oder – falls das im Einzelfall nicht ausreicht – nach Abs. 3 Satz 2 auch eine Kündigung des Vertrages zulässt. Voraussetzung hierfür ist stets, dass die Erwartungen des Mieters in den dem Vertrag zugrunde liegenden übereinstimmenden Geschäftswillen beider Parteien eingeflossen sind. Dies kann nur dann angenommen werden, wenn eine Änderung der Risikoverteilung vorgenommen worden ist, etwa dadurch, dass der Vermieter durch bestimmte Vertragsformulierungen zu erkennen gibt, dass auch aus seiner Sicht die Vorstellungen des Mieters Grundlage für den Abschluss des Mietvertrages sein sollten.

 
Hinweis

Minderung auf "Null"

Sieht der Mietvertrag die Mietzahlung ab Übergabe der Räume an den Mieter (zum Zweck des Eigenausbaus) in einem noch nicht eröffneten Einkaufszentrum vor, liegt nach Ablauf der vorausgesetzten Ausbauzeit ein zur Minderung auf Null führender Sachmangel vor, wenn das Center nicht eröffnet wird (KG Berlin, Urteil v. 15.8.2019, 8 U 209/16, GE 2020, 541).

Aus der Regelung in einem Formularmietvertrag, wonach der Mieter sein Geschäft spätestens 1 Monat nach Übergabe des Mietobjektes bzw. bei einer gemeinsamen Eröffnung des Geschäftszentrums zu eröffnen und die volle Miete zu zahlen hat, ergibt sich nur, dass das Geschäftszentrum nicht notwendig bei Übergabe eröffnet sein muss und die Mietsache für die vertraglich vereinbarte Ausbauzeit von einem Monat vertragsgemäß ist; der Mieter ist zur Minderung der Miete berechtigt, wenn das Geschäftszentrum darüber hinaus nicht eröffnet wird und das Mietobjekt infolge fehlender Zugänglichkeit für Kunden nicht für den Geschäftszweck des Mieters genutzt werden kann (KG Berlin, Urteil v. 21.11.2016, 8 U 121/15, ZMR 2017, 156).

Haben die Parteien Vereinbarungen getroffen, die den Mieter in seinen unternehmerischen Entscheidungen über das übliche Maß hinaus einschränken, sein Geschäft z. B. nach dem äußeren Erscheinungsbild zu einem unselbständigen Teil einer Einkaufsanlage werden lassen oder etwa dem Vermieter das Risiko einer Betriebsunterbrechung auch dann auferlegen, wenn nicht das vermietete Geschäft, sondern nur ein anderer Teil der Anlage dem Publikumsverkehr nicht mehr zugänglich ist, wird man von einer Risikoaufteilung auch zulasten des Vermieters ausgehen können (vgl. hierzu insgesamt Bieber in Bieber/Ingendoh, Geschäftsraummiete, § 5 Rn. 109 f.). Entscheidend ist also, ob das Verhalten des Vermieters aus der Sicht des Mieters so zu verstehen ist, dass dieser sich am unternehmerischen Risiko des Mieters beteiligen will (vgl. Bub in Bub/Treier, II Rn. 637 und die weiteren Nachweise bei MüKo-BGB/Finkenauer, § 313 Rn. 222). i. d. R. bedarf es für diese Annahme aber deutlicher Hinweise, da grundsätzlich davon auszugehen ist, dass kein Vermieter für das Wohlergehen des Mieters einstehen möchte (vgl. hierzu das Urteil des BGH v. 17.3.2010, XII ZR 108/08, ZMR 2010, 598, in dem es um die einseitig von der Vermieterin vorgenommene Änderung der Mieterstruktur ging: Die Klägerin vermietete der Beklagten auf die Dauer von zehn Jahren im Erdgeschoss eines noch im Bau befindlichen sechsgeschossigen Gebäudes Räume zum Betrieb eines Cafés. Weil sich die geplante Vermarktung der ersten vier Obergeschosse als Büroräume nicht verwirklichen ließ, veranlasste die Klägerin deren Ausbau zu Wohnräumen. Der von der Mieterin erwartete Zustrom der Büronutzer blieb daraufhin aus, sodass der Betrieb keinen nennenswerten Umsatz erzielte. Hier lagen die Voraussetzungen für die Annahme einer Störung der Geschäftsgrundlage, nämlich

  • Änderung bestimmter Umstände nach Vertragsschluss,
  • Vertragsgrundlage dieser Umstände,
  • Unvorhersehbarkeit der Veränderung,
  • Nichtabschluss oder Abschluss des Vertrages mit anderem Inhalt bei Vorhersehbarkeit und
  • Unzumutbarkeit des Festhaltens am Vertrag unter Berücksichtigung gesetzlicher oder vertragsimmanenter Risikozuweisung

wohl doch vor.

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