Harald Kinne, Hans-Jürgen Bieber
1 Allgemeines
Rz. 1
§ 541 gilt sowohl für Wohnraum (BGH, Beschluss v.17.4.2007, VIII ZB 93/06, NJW 2007, 2180) als auch für Gewerberaum (BGH, Urteil v.19.12.2018, XII ZR 5/18, GE 2019, 245). Verschulden des Mieters ist nicht erforderlich (Schmidt-Futterer/Flatow, § 541 Rn.1); er haftet auch für das Verhalten Dritter, denen er die Nutzung überlassen hat. Der Anspruch aus § 541 umfasst neben der Unterlassung der vertragswidrigen Nutzung auch die kostenpflichtige Beseitigung des jeweiligen vertragswidrigen Zustands (BGH, Urteil v. 16.11.2005, VIII ZR 5/05, GE 2006, 112 = WuM 2006, 28; AG München, Urteil v. 13.12. 2018, 472 C 16138/18, ZMR 2019, 287).
Neben dem Unterlassungsanspruch bei vertragswidrigem Gebrauch der Mietsache trotz Abmahnung des Vermieters steht dem Vermieter das Recht zur fristlosen Kündigung gem. § 543 Abs. 2 Nr. 2, § 569 Abs. 2 zu. Beide setzen kein Verschulden voraus. Weitere Voraussetzung für das Kündigungsrecht ist eine erhebliche Gefährdung der Mietsache. Bei Verschulden des Mieters ist der Vermieter ferner zur fristgemäßen Kündigung (§ 573 Abs. 2 Nr. 1) berechtigt, wobei der Verstoß gegen vorangegangene Abmahnungen erschwerend zu berücksichtigen ist (LG Berlin, Urteil v. 24.9.2004, 63 S 199/04, GE 2004, 1394). Ist der Vermieter zugleich der Eigentümer wird der Unterlassungsanspruch aus § 1004 Abs. 1 Satz 1 durch § 541 verdrängt (BGH, Beschluss v. 17.4.2007, VIII ZB 93/06, WuM 2007, 387; Schmidt-Futterer/Flatow, § 541 Rn. 2). Von dem Unterlassungsanspruch sind ferner Schadensersatzansprüche zu unterscheiden, die sich aus § 823 Abs. 1 wegen Verletzung des Eigentums des Vermieters oder aus Verletzung der dem Mieter obliegenden Obhutspflicht ergeben können. Der Schadensersatzanspruch setzt voraus, dass der Mieter schuldhaft gehandelt hat; ein Verschulden ist bei baulichen Veränderungen ohne Zustimmung des Vermieters grundsätzlich als gegeben anzusehen. Dieser Anspruch richtet sich nicht nur auf Geldersatz, sondern primär auf Beseitigung des vertragswidrigen und Wiederherstellung des früheren Zustands (BGH, Urteil v. 26.6.1974, VIII ZR 43/73, NJW 1974, 1463). Ein Beseitigungsanspruch kann im Wohnraummietverhältnis ebenfalls nur auf § 541, nicht jedoch auf § 1004 gestützt werden (BGH, Beschluss v. 17.4.2007, VIII ZB 93/06, GE 2007).
2 Voraussetzungen des Unterlassungsanspruchs
2.1 Vertragswidriger Gebrauch
Rz. 2
Ob der Gebrauch vertragswidrig ist oder nicht, bestimmt sich in erster Linie nach den vertraglichen Vereinbarungen der Parteien. Sind diese auslegungsfähig und auslegungsbedürftig, ist der wirkliche Parteiwille zu ermitteln. Sind die Vereinbarungen lückenhaft, ist der vertragsgemäße Gebrauch im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung zu ermitteln (Schmidt-Futterer/Flatow, § 541 Rn. 3). Sind die Parteivereinbarungen lückenhaft, so ist der vertragsgemäße Gebrauch im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung nach Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte zu ermitteln (AG Hamburg-Altona, Urteil v. 5.7.2019, 318c C 1/19, GE 2020, 122). Maßgebend sind die gesamten Umstände des Mietverhältnisses, insbesondere die Mietsache in ihrer Eigenart und deren beabsichtigte Nutzung sowie die Verkehrssitte unter Beachtung des Grundsatzes von Treu und Glauben (BGH, Urteil v. 16.5.2007, VIII ZR 207/04, NJW-RR 2007, 1243; OLG Düsseldorf, Beschluss v. 13.12.2007, I-24 U 185/07, 24 U 185/07, zitiert nach juris). Eine Ausweitung des Gebrauchs kann durch langjährige widerspruchslose Nutzung trotz Kenntnis des Vermieters in Betracht kommen (LG Hamburg, Urteil v. 4.4.1989, 16 S 236/88, WuM 1989, 497: zwanzigjährige Nutzung eines Gartens; vgl. aber KG, Urteil v. 14.12.2006, 8 U 66/06, GE 2007, 291: keine Erweiterung bei bloßer Gestattung der Nutzung; ebenso LG Saarbrücken, Urteil v. 7.6.1996, 13 B 13/96, WuM 1996, 468: bei vertragsloser Kellerraumnutzung). Die Zustimmung des Hausmeisters ersetzt im Regelfall nicht die Zustimmung des Vermieters (LG Düsseldorf, Urteil v. 18.2.1997, 24 S 413/96,NJWE-MietR 1997, 148).
Rauchen in der Wohnung und auf dem mitvermieteten Balkon gehört grundsätzlich zum vertragsgemäßen Mietgebrauch (BGH, Urteil v. 28.6.2006, VIII ZR 124/05, GE 2006, 1158; LG Düsseldorf, Urteil v. 28.9.2016, 23 S 18/15, ZMR 2016, 873; LG Paderborn , Urteil v. 23.3.2000, 1 S 2/00, NZM 2000, 710; AG Wennigsen , Urteil v. 14.9.2001, 9 C 156/01, WuM 2001, 487). Die Grenze zum vertragswidrigen Gebrauch wird erst dann überschritten, wenn der Mieter bei Ausübung des grundsätzlich vertragsgemäßen Rauchens in der Wohnung das Gebot der Rücksichtnahme gem. § 241 Abs. 2 BGB nicht genügend beachtet, etwa indem er einfache und zumutbare Maßnahmen, wie z.B. ausreichendes Lüften oder Entsorgen der Asche, nicht ergreift, um die übrigen Parteien des Hauses nicht mehr als vermeidbar zu beeinträchtigen (LG Düsseldorf, Urteil v. 28.9.2016, 23 S 18/15, a.a.O.). Das Rauchen im Treppenhaus und im Hausflur kann dagegen untersagt werden (AG Hannover , Urteil v. 31.1.2000,70 II 414/99, NZM 2001, 520).
Geräusche, auch die älterer und kranker Menschen sind in einem Mehrparteienwohnhaus grundsätzlich sozialadäquat und ...