1 Allgemeines
Rz. 1
Die Vorschrift übernimmt § 568 a. F. Der Gesetzgeber sieht eine große praktische Bedeutung der Regelung, die der Rechtssicherheit diene. Ohne die angeordnete Verlängerung des Mietverhältnisses würde dies, von den Vertragsparteien häufig unbemerkt, zu einem vertragslosen Zustand führen, dessen (rechtliche im Einzelnen umstrittene) Abwicklung nach Bereicherungsrecht oder den Grundsätzen über das Eigentümer-Besitzer-Verhältnis (§§ 987 ff.) nicht sachgerecht wäre und in den meisten Fällen auch dem mutmaßlichen Willen der Vertragsparteien nicht entspreche – so die amtliche Begründung.
Sprachlich wurde die Vorschrift überarbeitet. Die bisherige Verlängerungsfiktion wurde aufgegeben, vielmehr die Verlängerung des Mietverhältnisses angeordnet. Die große praktische Bedeutung der Regelung mag bezweifelt werden; es kommt vielmehr nur darauf an, auf gewisse "Formalien" zu achten, um die Verlängerungswirkung auszuschließen. Das gilt auch für den Mieter (im Hinblick auf einen weiteren Mietanspruch des Vermieters) nach dessen Kündigung.
Alle Arten von Mietverhältnissen umfasst
§ 545 gilt für alle Arten von Mietverhältnissen, also auch für die Geschäftsraummiete.
Für die Pacht gilt § 581 Abs. 2. Auf den Grund der Beendigung des Mietverhältnisses kommt es nicht an, was sich auch auf die Beendigung durch fristlose Kündigung bezieht.
Räumungsvergleich
§ 545 Satz 1 gilt nicht für einen Räumungsvergleich (Schmidt-Futterer/Streyl, § 545 Rn. 6; str.) und nicht für die Gebrauchsfortsetzung aufgrund einer gewährten Räumungsfrist (Schmidt-Futterer/Streyl, § 545 Rn. 6).
Im Verhältnis zur Sozialklausel des § 574 führt der mangelnde Widerspruch des Vermieters nach § 545 dazu, dass das Mietverhältnis als auf unbestimmte Zeit verlängert gilt, selbst wenn der Mieter den Kündigungswiderspruch nicht rechtzeitig erklärt hat.
2 Voraussetzungen im Einzelnen
Rz. 2
Die Gebrauchsfortsetzung ist ein tatsächlicher Vorgang, keine Willenserklärung. Unerheblich ist, ob der vom Mieter ausgeübte tatsächliche Gebrauch den vertraglichen Vereinbarungen entspricht; maßgeblich ist nur, ob der Mieter den Gebrauch der Mietsache so ausübt wie vor der Beendigung des Vertrages (BGH, Urteil v. 27.4.2016, VIII ZR 323/14, GE 2016, 849). Ist der Mieter zwar ausgezogen, die Wohnung aber noch nicht geräumt, führt noch Schönheitsreparaturen durch oder beseitigt noch Schäden, wird der Mietvertrag nicht gem. § 545 Satz 1 fortgesetzt (Schmidt-Futterer/Streyl § 545 Rn. 12).
Untermiete
Hat der Mieter die Wohnung untervermietet und setzt der Untermieter den Gebrauch der Mietsache nach Beendigung des Mietverhältnisses fort, handelt es sich ebenfalls um einen Fall der Gebrauchsfortsetzung i.S.d. § 545 Satz 1. Auf einen entgegenstehenden Willen des Mieters kommt es nicht an (BGH VIII ZR 100/85, NJW-RR 1986, 1020).
Bei einer Mehrheit von Mietern reicht es aus, dass einer von ihnen den Gebrauch fortsetzt (Schmidt-Futterer/Streyl § 545 Rn. 16).
Rz. 3
Hingegen stellt der Widerspruch gegen die Gebrauchsfortsetzung eine formlose, empfangsbedürftige (§ 130 BGB) Willenserklärung dar, auf die die Vorschriften der §§ 116 ff. Anwendung finden, für die demgemäß Geschäftsfähigkeit vorliegen muss.
Die Erklärung muss eindeutig sein und dem richtigen Empfänger – Vermieter oder Mieter – zugegangen sein. Bei mehreren Vermietern oder Mietern muss – wie bei der Kündigung – der Widerspruch von allen Vertragsparteien ausgehen und allen Parteien zugehen. Da der Widerspruch auch konkludent erklärt werden kann, kann sowohl in der Gewährung einer bloßen Räumungsfrist (OLG Schleswig, RE v. 23.11.1981, 6 REMiet 2/81, WuM 1982, 65) als auch in der Erklärung, das Mietverhältnis nur bei Zahlung einer höheren Miete fortsetzen zu wollen, ein Widerspruch liegen.
Rz. 4
Auch in einem Räumungsverlangen des Vermieters kann eine solche konkludente Widerspruchserklärung liegen (BGH, Urteil v. 24.1.2018, XII ZR 120/16, GE 2018, 450; im Anschluss an BGH, Urteil v. 12.7.2006, XII ZR 178/03, NJW-RR 2006, 1385). Auch schon in dem Schreiben, mit dem die fristlose Kündigung ausgesprochen wird, kann der Widerspruch gegen die Verlängerung auf unbestimmte Zeit erklärt werden (BGH, Urteil v. 24.1.2018, XII ZR 120/16, a.a.O.; BGH, Beschluss v. 21.4.2010, VIII ZR 184/09, GE 2010, 902; Bieber in MünchKomm § 545 Rn. 12; Schmidt-Futterer/Streyl, § 545 Rn. 20). Grundsätzlich ist es aber zu empfehlen, den Widerspruch ausdrücklich innerhalb der 2-Wochen-Frist nach dem Kündigungstermin zu wiederholen, damit Unklarheiten über die Absicht beseitigt werden, das Mietverhältnis zum Kündigungstermin beenden zu wollen.
3 Widerspruchsfrist
Rz. 5
Unterschiedlicher Fristbeginn
§ 545 Satz 2 normiert lediglich die Frist mit für Mieter und Vermieter unterschiedlichem Fristbeginn, innerhalb derer der Widerspruch spätestens erklärt sein muss.
Die Widerspruchsfrist beträgt sowohl für den Mieter als auch für den Vermieter jeweils 2 Wochen, beginnt jedoch unterschiedlich. Für den Mieter beginnt die Frist in dem Augenblick zu laufen, in dem das Mietverhältnis endet; es ist nicht erforde...