1 Leitsatz

Grundsätzlich kann nur ein vor Fristablauf eingegangener, mit einer Unterschrift versehener Schriftsatz die Frist zur Begründung der Anfechtungsklage wahren. Die Wahrung der Begründungsfrist ist von Amts wegen zu prüfen. Ob sie gewahrt ist, kann das Gericht im Freibeweisverfahren klären.

2 Normenkette

§ 45 WEG

3 Das Problem

Wohnungseigentümer K wendet sich mit seiner am 12.7.2019 beim AG eingegangenen Anfechtungsklage gegen Beschlüsse vom 15.6.2019. Die Klage begründet er mit Schriftsatz vom 15.8.2019 (Klagebegründung). Der ausgedruckte Schriftsatz geht am 16.8.2019 beim AG ein. In der Akte befindet sich zudem die erste Seite eines Faxes. Mit diesem hatte der Prozessbevollmächtigte des K die Klagebegründung bereits am 15.8.2019 übermittelt. Fraglich ist, ob dadurch die Klagebegründungsfrist eingehalten ist.

4 Die Entscheidung

Der BGH ist der Auffassung, diese Frage sei noch zu klären. Das LG habe verfahrensfehlerhaft eigene Feststellungen über den Zeitpunkt des vollständigen Einganges des Faxes unterlassen. Auf den Vortrag der Parteien komme es insoweit nicht an. Die Wahrung der Begründungsfrist einer Anfechtungsklage unterliege nicht der Parteidisposition, sondern sei von Amts wegen zu prüfen. Das LG habe daher zu prüfen, ob es einen vor Fristablauf per Fax eingegangenen, mit einer Unterschrift versehenen Schriftsatz des K gebe.

5 Hinweis

Problemüberblick

Im Fall geht es um die Frage, ob der klagende Wohnungseigentümer die nach herrschender Meinung materiell-rechtlich zu verstehende Klagebegründungsfrist eingehalten hatte. Dafür kam es nicht auf den Schriftsatz vom 16.8.2019, sondern auf das Fax an! Ob dieses vollständig noch vor 24 Uhr beim AG eingegangen ist, muss das LG jetzt prüfen. Wie häufig in der Praxis, dürfte dieses Fax aber nicht mehr vorhanden sein! Der BGH weist insoweit darauf hin, dass der Verlust nicht zulasten des K gehen könne. Es ist daher anzunehmen, dass das LG unterstellt, die Klagebegründungsfrist sei eingehalten. Damit ist der Stand erreicht, den es vor Befassung des BGH gab. Irgendwie ernüchternd?

Was ist für die Verwaltung besonders wichtig?

Eine Verwaltung, die nicht ausnahmsweise über eine besondere Expertise in solchen Fragen verfügt, beispielsweise ein Rechtsanwalt, sollte die Klärung von Fristen einem Fachmann überlassen, mithin einer Rechtsanwältin oder einem Rechtsanwalt.

6 Entscheidung

BGH, Urteil v. 23.6.2023, V ZR 28/22

Dieser Inhalt ist unter anderem im VerwalterPraxis Gold enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge