Wenn Sie sich über den Lärm spielender Kinder im oder vor dem Haus ärgern, müssen Sie sich im Großen und Ganzen damit abfinden. Seit einer BGH-Entscheidung im Jahr 1993, in der das Interesse der Allgemeinheit an einer kinder- und jugendfreundlichen Umgebung hervorgehoben wurde, besteht eine gegenüber Kinderlärm tolerante Einstellung.
Dementsprechend ist das Erzeugen von Lärm durch spielende Kinder nach der Rechtsprechung eine notwendige Ausdrucksform und Begleiterscheinung des Spielens an sich, die nicht generell unterdrückt oder auch nur beschränkt werden kann, ohne zu dauernden Schädigungen der Kinder zu führen. Bei einer Güterabwägung zwischen den Interessen der betroffenen Nachbarn an Ungestörtheit einerseits und dem Interesse der Allgemeinheit an einer kinderfreundlichen Umwelt andererseits steht der Begriff der Wesentlichkeit bei der Beurteilung von Kinderlärm unter einem allgemeinen Toleranzgebot. Auch in reinen Wohngebieten mit einem sonst niedrigen Geräuschpegel ist daher für die Annahme einer wesentlichen Beeinträchtigung die gewöhnliche Belästigung durch den Lärm spielender Kinder nicht ausreichend.
In einer weiteren Entscheidung aus dem Jahr 1995 hat der BGH betont, dass die Privilegierung von Kinderlärm in § 22 Abs. 1a BImSchG darauf angelegt ist, über seinen eigentlichen Anwendungsbereich und das damit vielfach verklammerte zivilrechtliche Nachbarrecht hinaus auch auf das sonstige Zivilrecht, insbesondere das Miet- und das Wohnungseigentumsrecht, auszustrahlen, sofern dieses jeweils für die Bewertung von Kinderlärm relevant ist. Deshalb begründen Geräuschimmissionen durch spielende Kinder, die von einem Nachbargrundstück ausgehen, bei Fehlen anders lautender Beschaffenheitsvereinbarungen nach Auffassung des Gerichts grundsätzlich keinen gemäß § 536 Abs. 1 Satz 1 BGB zur Mietminderung berechtigenden Mangel der Mietwohnung, wenn auch der Vermieter die Immissionen ohne eigene Abwehr- oder Entschädigungsmöglichkeit nach § 906 BGB als unwesentlich oder ortsüblich hinnehmen muss. Der BGH betont allerdings, dass sich die Privilegierung von Kinderlärm in § 22 Abs. 1a BImSchG nur auf Geräuscheinwirkungen bezieht, die von Kindertageseinrichtungen, Kinderspielplätzen und ähnlichen Einrichtungen wie beispielweise Ballspielplätzen für Kinder hervorgerufen werden. Zugleich habe der Gesetzgeber mit Blick auf den Nutzerkreis aber klargestellt, dass davon Spiel- und Bolzplätze sowie Skateranlagen und Streetballfelder für Jugendliche zu unterscheiden sind, die großräumiger angelegt sind und ein anderes Lärmprofil haben als Kinderspielplätze. Derartige Anlagen können die gesetzliche Privilegierung von Kinderlärm nicht für sich beanspruchen.
4.27.1 Keine Einhaltung der Ruhezeiten
Das von der Rechtsprechung geforderte Toleranzgebot bedeutet auch, dass von Kindern keine Einhaltung der üblichen Ruhezeiten (Mittagsruhe von 12.00/13.00 bis 15.00 Uhr und Abendruhe von 20.00 bis 22.00 Uhr) verlangt werden kann, weil sie nicht mit den gleichen Maßstäben wie Erwachsene gemessen werden dürfen.
Nur typischer Kinderlärm
Das Toleranzgebot gegenüber Kinderlärm betrifft allerdings nur den sog. typischen Kinderlärm durch Schreien, Lachen und Toben beim Spielen in Hausnähe, auch wenn dieser Lärm aus der Sicht eines erwachsenen Beobachters an sich nicht notwendig wäre, sowie das nächtliche Baby- und Kleinkindergeschrei sowie gelegentliches Kindergetrampel oder gelegentliches Fallenlassen von Gegenständen in einer Nachbarwohnung. Andere Mieter können nicht erwarten oder davon ausgehen, dass ein Mehrparteienhaus kinderlos zu sein hat.
Kein typischer Kinderlärm in diesem Sinn ist nach der Rechtsprechung dann anzunehmen, wenn ein Kind in einer benachbarten Eigentumswohnung Tennis spielt und dabei über längere Zeit hinweg die Bälle gegen die Wohnungstrennwand schlägt.
4.27.2 Kindergärten, Spielplätze
Um auszuschließen, dass in Einzelfällen von Planern, Behörden oder Gerichten zur Beurteilung des Kinderlärms von Einrichtungen zur Kinderbetreuung die TA Lärm, die Sportlärmverordnung oder die LAI-Freizeitlärmrichtlinie herangezogen werden,...