Die bauplanerisch und gesellschaftspolitisch erwünschte Nähe von Kinderbetreuungseinrichtungen zur Wohnbebauung führt zwangsläufig zu Konflikten mit der Wohnnachbarschaft wegen des mit der Nutzung dieser Einrichtungen verbundenen Kinderlärms. Kinderlärm ist aber aus Sicht der Rechtsprechung eine notwendige Ausdrucksform und Begleiterscheinung kindlichen Verhaltens, das zur Entwicklung eines jugendlichen Menschen erforderlich ist und nicht generell unterdrückt oder beschränkt werden darf. Vor diesem Hintergrund hat das BVerwG schon 1991 einen Kinderspielplatz als eine für eine altersgemäße Entwicklung eines Kindes wünschenswerte, wenn nicht sogar erforderliche Einrichtung erachtet, um dem Kind einen von Beeinträchtigungen der Umwelt weitgehend ungestörten Aufenthalt im Freien zu ermöglichen und ihm u. a. Gelegenheit zu geben, sein Sozialverhalten im Spielen mit anderen Kindern zu trainieren. Kinderspielplätze mit üblicher Ausstattung gehören sogar in die unmittelbare Nähe der Wohnbebauung.
Die Rechtsprechung zu Kinderspielplätzen lässt sich ohne Weiteres auch auf Kitas und Kindergärten übertragen.
Gesetzliche Privilegierung
Um auszuschließen, dass in Einzelfällen von Planern, Behörden oder Gerichten zur Beurteilung des Kinderlärms von Einrichtungen zur Kinderbetreuung die TA Lärm, die Sportlärmverordnung oder die LAI-Freizeitlärmrichtlinie herangezogen werden, hat der Bundesgesetzgeber mit § 22 Abs. 1a BImSchG zur Beurteilung der von Kindern in Kinderbetreuungseinrichtungen ausgehenden Geräusche eine spezielle Regelung beschlossen.
Danach sind
"Geräuscheinwirkungen, die von Kindertagesstätten, Kinderspielplätzen und ähnlichen Einrichtungen wie beispielsweise Ballspielplätzen durch Kinder hervorgerufen werden,….im Regelfall keine schädlichen Umwelteinwirkungen. Bei der Beurteilung der Geräuscheinwirkungen dürfen Immissionsgrenz- und -richtwerte nicht herangezogen werden".
Privilegierung von Kinderlärm
§ 22 Abs. 1a BImSchG privilegiert den von den erfassten Einrichtungen durch Kinder hervorgerufenen Lärm in zweifacher Hinsicht. Zunächst verbietet § 22 Abs. 1a Satz 2 BImSchG, bei der Beurteilung der Geräuscheinwirkungen durch Kinder auf Immissionsgrenz- und -richtwerte technischer Regelwerke abzustellen. Für die danach notwendige Einzelfallabwägung enthält § 22 Abs. 1a Satz 1 BImSchG die Vorgabe, dass die genannten Geräuscheinwirkungen "im Regelfall" keine schädlichen Umwelteinwirkungen im Sinne von § 3 Abs. 1 BImSchG sind. Für den Regelfall einer Kindertagesstätten- oder Kinderspielplatznutzung gilt also ein absolutes Toleranzgebot.
Ausstrahlung auf Miet- und Wohnungseigentumsrecht
Die Privilegierung von Kinderlärm in § 22 Abs. 1a BImSchG ist nach dem Willen des Gesetzgebers darauf angelegt, über seinen eigentlichen Anwendungsbereich und das damit vielfach verklammerte zivilrechtliche Nachbarrecht hinaus, auch auf das sonstige Zivilrecht, insbesondere das Mietrecht und das Wohnungseigentumsrecht auszustrahlen, sofern dieses jeweils für die Bewertung von Kinderlärm relevant ist.
Geräuscheinwirkungen
Die gesetzliche Privilegierung von Kinderlärm betrifft "Geräuscheinwirkungen" auf die Wohnnachbarschaft, die von Kindertageseinrichtungen, Kinderspielplätzen und ähnlichen Einrichtungen hervorgerufen werden. Darunter fallen
- kindliche Laute wie Schreien und Singen sowie durch körperliche Aktivitäten wie Spielen, Laufen, Springen und Tanzen hervorgerufene Geräusche;
- das Sprechen und Rufen von Betreuerinnen und Betreuern;
- das Nutzen kindgerechter Spielzeuge und Spielgeräte.
Seilbahnbetrieb auf Kinderspielplatz
Die Privilegierung des Kinderlärms in § 22 Abs. 1a BImSchG erfasst sowohl die von den Kindern unmittelbar ausgehenden Laute als auch die von Spielgeräten verursachten Geräusche. Das betrifft auch die mit dem Betrieb einer Kinderseilbahn verbundenen Geräuscheinwirkungen auf die Wohnnachbarschaft. Denn § 22 Abs. 1a BImSchG ist Teil einer anlagenbezogenen Regelung mit der Folge, dass zwischen den Geräuschen der Anlage mit ihren einzelnen Teilen und den von den Benutzern der Anlage ausgehenden Geräuschen nicht differenziert werden darf. Vielmehr sind sie als einheitliches Anlagengeräusch zu beurteilen.
Einrichtungen
Unter Kindertageseinrichtungen sind Einrichtungen im Sinne des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII zu verstehen, das heißt Einrichtungen, in denen sich Kinder für einen Teil des Tages oder ganztägig aufhalten und in Gruppen gefördert werden, wie das auf Kitas oder Kindergärten zutrifft. Unter ähnlichen Einrichtungen wie Kindertageseinrichtungen fallen bestimmte Formen der Kindertagespflege gemäß § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB VIII, die nach ihrem Erscheinungsbild ähnlich wie Kindertageseinrichtungen betrieben werden (z. B. Kinderläden).
Gleiches gilt für Kinderspielplätze und ähnliche Einrichtungen. Darunter sind kleinräumige Einrichtungen zu verstehen, die auf spielerische oder körperliche Aktivitäten von Kindern zugeschnitten sind und die wegen ihrer sozialen Funktion rege...