Zusammenfassung

 
Überblick

Nachbarn setzen sich immer wieder gegen den Bau neuer Kindertagesstätten (Kitas) zur Wehr. Nachbarkonflikte werden auch in Zukunft zu erwarten sein, da Kinder mit Vollendung des 1. Lebensjahres einen Anspruch auf einen Betreuungsplatz haben und in vielen deutschen Städten ein Mangel an Kinderbetreuungseinrichtungen herrscht. Im Grunde genommen wiederholen sich bei dem Widerstand von Nachbarn gegen den Bau von Kitas die Erfahrungen, die seinerzeit mit dem Bau von Kindergärten im Zusammenhang mit dem seit 1996 bestehenden Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz für Kinder ab dem 3. Lebensjahr bis zur Einschulung gemacht wurden. Nachbarkonflikte bei Kinderspielplätzen sind ohnedies ein Dauerbrenner.

Kinder dürfen lauter sein als andere Geräuschquellen. Zum einen regelt § 22 Abs. 1a BImSchG, dass Geräuscheinwirkungen, die von Kindertageseinrichtungen, Kinderspielplätzen und ähnlichen Einrichtungen wie beispielsweise Ballspielplätzen durch Kinder hervorgerufen werden, im Regelfall keine schädliche Umwelteinwirkung sind. Zum anderen gilt § 3 Abs. 2 BauNVO, wonach auch in reinen Wohngebieten Anlagen zur Kinderbetreuung, die den Bedürfnissen der Bewohner des Gebiets dienen, allgemein zulässig sind.

1 Bewertungsmaßstab für Kinderlärm

Die bauplanerisch und gesellschaftspolitisch erwünschte Nähe von Kinderbetreuungseinrichtungen zur Wohnbebauung führt zwangsläufig zu Konflikten mit der Wohnnachbarschaft wegen des mit der Nutzung dieser Einrichtungen verbundenen Kinderlärms. Kinderlärm ist aber aus Sicht der Rechtsprechung eine notwendige Ausdrucksform und Begleiterscheinung kindlichen Verhaltens, das zur Entwicklung eines jugendlichen Menschen erforderlich ist und nicht generell unterdrückt oder beschränkt werden darf.[1] Vor diesem Hintergrund hat das BVerwG schon 1991 einen Kinderspielplatz als eine für eine altersgemäße Entwicklung eines Kindes wünschenswerte, wenn nicht sogar erforderliche Einrichtung erachtet, um dem Kind einen von Beeinträchtigungen der Umwelt weitgehend ungestörten Aufenthalt im Freien zu ermöglichen und ihm u. a. Gelegenheit zu geben, sein Sozialverhalten im Spielen mit anderen Kindern zu trainieren.[2] Kinderspielplätze mit üblicher Ausstattung gehören sogar in die unmittelbare Nähe der Wohnbebauung.[3]

Die Rechtsprechung zu Kinderspielplätzen lässt sich ohne Weiteres auch auf Kitas[4] und Kindergärten übertragen.[5]

Gesetzliche Privilegierung

Um auszuschließen, dass in Einzelfällen von Planern, Behörden oder Gerichten zur Beurteilung des Kinderlärms von Einrichtungen zur Kinderbetreuung die TA Lärm, die Sportlärmverordnung[6] oder die LAI-Freizeitlärmrichtlinie[7] herangezogen werden, hat der Bundesgesetzgeber mit § 22 Abs. 1a BImSchG zur Beurteilung der von Kindern in Kinderbetreuungseinrichtungen ausgehenden Geräusche eine spezielle Regelung beschlossen.[8]

Danach sind

"Geräuscheinwirkungen, die von Kindertagesstätten, Kinderspielplätzen und ähnlichen Einrichtungen wie beispielsweise Ballspielplätzen durch Kinder hervorgerufen werden,….im Regelfall keine schädlichen Umwelteinwirkungen. Bei der Beurteilung der Geräuscheinwirkungen dürfen Immissionsgrenz- und -richtwerte nicht herangezogen werden".

 
Wichtig

Privilegierung von Kinderlärm

§ 22 Abs. 1a BImSchG privilegiert den von den erfassten Einrichtungen durch Kinder hervorgerufenen Lärm in zweifacher Hinsicht. Zunächst verbietet § 22 Abs. 1a Satz 2 BImSchG, bei der Beurteilung der Geräuscheinwirkungen durch Kinder auf Immissionsgrenz- und -richtwerte technischer Regelwerke abzustellen. Für die danach notwendige Einzelfallabwägung enthält § 22 Abs. 1a Satz 1 BImSchG die Vorgabe, dass die genannten Geräuscheinwirkungen "im Regelfall" keine schädlichen Umwelteinwirkungen im Sinne von § 3 Abs. 1 BImSchG sind. Für den Regelfall einer Kindertagesstätten- oder Kinderspielplatznutzung gilt also ein absolutes Toleranzgebot.[9]

Ausstrahlung auf Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Die Privilegierung von Kinderlärm in § 22 Abs. 1a BImSchG ist nach dem Willen des Gesetzgebers darauf angelegt, über seinen eigentlichen Anwendungsbereich und das damit vielfach verklammerte zivilrechtliche Nachbarrecht hinaus, auch auf das sonstige Zivilrecht, insbesondere das Mietrecht und das Wohnungseigentumsrecht auszustrahlen, sofern dieses jeweils für die Bewertung von Kinderlärm relevant ist.[10]

Geräuscheinwirkungen

Die gesetzliche Privilegierung von Kinderlärm betrifft "Geräuscheinwirkungen" auf die Wohnnachbarschaft, die von Kindertageseinrichtungen, Kinderspielplätzen und ähnlichen Einrichtungen hervorgerufen werden. Darunter fallen

  • kindliche Laute wie Schreien und Singen sowie durch körperliche Aktivitäten wie Spielen, Laufen, Springen und Tanzen hervorgerufene Geräusche;
  • das Sprechen und Rufen von Betreuerinnen und Betreuern;
  • das Nutzen kindgerechter Spielzeuge und Spielgeräte.[11]
 
Praxis-Beispiel

Seilbahnbetrieb auf Kinderspielplatz

Die Privilegierung des Kinderlärms in § 22 Abs. 1a BImSchG erfasst sowohl die von den Kindern unmittelbar ausgehenden Laute als auch die von Spielgeräten verursachten Ger...

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