rechtskräftig

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine auf Eigenbedarf gestützte Kündigungserklärung kann als im Sinne des § 242 BGB missbräuchlich einzuordnen sein, wenn nicht die Auswahl der Wohnung und des zu kündigenden Mietverhältnisses den tatsächlichen Bedürfnissen und Wünschen der Bedarfsperson folgte, sondern umgekehrt die Bedürfnisse und Wünsche der Bedarfsperson erst durch die Auswahl der Wohnung geweckt und bestimmt wurden.

2. Die Berufung ist nach Zustellung des Hinweisbeschlusses zurückgenommen worden.

 

Verfahrensgang

AG Berlin-Charlottenburg (Urteil vom 17.08.2022; Aktenzeichen 215 C 193/21)

 

Tenor

Die Kammer beabsichtigt, die Berufung des Klägers gegen das am 17. August 2022 verkündete Urteil des Amtsgerichts Charlottenburg – 215 C 193/21 – durch einstimmigen Beschluss nach § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO zurückzuweisen.

Der Streitwert soll auch für die Berufungsinstanz auf bis zu 8.000,00 EUR (12 × 636,14 EUR) festgesetzt werden.

 

Gründe

Der Beschluss beruht auf § 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO. Die Kammer ist davon überzeugt, dass die zulässige Berufung keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil nicht erfordern und eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist.

Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das Amtsgericht die auf Räumung und Herausgabe der Wohnung gerichtete Klage abgewiesen. Die zulässige Berufung des Klägers hat auf Grund der nach Maßgabe des § 286 ZPO fehlerfreien und überzeugenden Beweiswürdigung des Amtsgerichts keine Aussicht auf Erfolg. Das Amtsgericht hat die auf Eigenbedarf gestützten Kündigungserklärungen zutreffend als im Sinne des § 242 BGB missbräuchlich angesehen, da vorliegend nicht die Auswahl der Wohnung und des zu kündigenden Mietverhältnisses den tatsächlichen Bedürfnissen und Wünschen der Bedarfsperson folgte, sondern umgekehrt die Bedürfnisse und Wünsche der Bedarfsperson erst durch die Auswahl der streitgegenständlichen Wohnung geweckt und bestimmt wurden.

Nun ist es zwar für sich genommen ganz selbstverständlich, dass sich Wünsche und Bedarf einer Bedarfsperson auf diejenige Wohnung konkretisieren sowie fortan richten, die ihr auf ihren Wunsch hin von dem vermietenden Eigentümer angeboten wird. Von der bloßen Konkretisierung eines gewissen Wohnbedarfs des Zeugen W… auf eine bestimmte Wohnung kann aber vorliegend keine Rede sein. Vielmehr war der Kläger offenbar von vorne herein dazu entschlossen, nach Möglichkeit gerade das vorliegende Mietverhältnis zu beenden und brachte daher den Zeugen überhaupt erst auf die Idee, dass er im Vorgriff auf eine noch nicht mal in den Ansätzen absehbare Familiengründung vorsorglich schon einmal eine Dreizimmerwohnung beziehen und mit Möbeln aus familiären Bestand dann auch einrichten könne. Anders lässt sich nicht erklären, dass der Kläger sich – anders als es seine Ehefrau in ihrer Zeugeneinvernahme darzustellen gesucht hat – nicht etwa erst nach den Wünschen und Plänen seines Enkels erkundigt, sondern – wie der Zeuge wörtlich angegeben hat – „gleich diese Wohnung genannt” und darauf hingewiesen hatte, dass dort eine ältere Dame wohne, gegen die er Eigenbedarf geltend machen könne.

Das Amtsgericht steht unter diesen Umständen zu Recht auf dem Standpunkt, dass der Kläger, indem er ihn auf die hier gegenständliche Wohnung konkretisierte, einen „weit überhöhten Wohnbedarf” (vgl. BGH – VIII ZR 166/14 –, Urt. v. 04.03.2015, BGHZ 204, 216, zitiert nach juris) für seinen Enkel geltend macht; ausschlaggebend für die Entscheidung zur Kündigung des Mietverhältnisses kann nämlich nicht der ursprünglich in dem nun angestrebten Ausmaß gar nicht vorhandene Bedarf des Zeugen W… gewesen sein, sondern waren offenbar wirtschaftliche Gründe, namentlich der Umstand, dass es sich bei der von der Beklagten gezahlten Miete um die niedrigste Miete im ganzen Haus handelte, sodass – wie in dem von dem Amtsgericht zitierten früheren Fall der Kammer (vgl. LG Berlin – 64 S 50/20 –, Urt. v. 20.01.2021, GE 2021, 248 ff., zitiert nach juris) – die Ertragseinbuße bei Eigennutzung der Dreizimmerwohnung weit hinter marktüblichen Preisen für deutlich kleinere Wohnungen mit weniger Zimmern zurückblieb.

Dem steht nicht entgegen, dass der Zeuge W… seine Pläne zur baldmöglichsten Familiengründung bestätigt hat und dann anstreben mag, eine Partnerin sowie alsbald nachfolgende Kinder mit in die Wohnung aufzunehmen; denn zum einen ist in den Kündigungsschreiben von einer bevorstehenden Familiengründung keine Rede, sodass schon § 573 Abs. 3 BGB einer Berücksichtigung dieses Gesichtspunkts entgegen steht, zum anderen hat der Zeuge W… derzeit offenbar noch nicht einmal eine feste Freundin, sodass seine Familienpläne bestenfalls als vage zu klassifizieren sind und eine Kündigungserklärung jedenfalls nicht tragen können. Soweit der Zeuge sinngemäß angegeben hat, er wolle eines der drei Zimmer vorerst als Fitnessraum einrichten und n...

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