Verfahrensgang
AG Berlin-Schöneberg (Urteil vom 29.04.2002; Aktenzeichen 8 C 435/01) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Beklagten und die Anschlussberufung der Klägerin gegen das am 29. April 2002 verkündete Urteil des Amtsgerichts Schöneberg – 8 C 435/01 werden zurückgewiesen.
Von den Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin 24 % und die Beklagten 76 % zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Von der Darstellung des Tatbestands wird gemäß § 313 a ZPO abgesehen.
Gründe
Berufung und Anschlussberufung sind unbegründet.
Die Berufung der Beklagten ist gemäß § 511 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zulässig, denn das Amtsgericht hat die Berufung zugelassen. Unabhängig davon, ob die Voraussetzungen des § 511 Abs. 4 Satz 1 ZPO vorliegen, ist die erkennende Kammer an die Zulassung gebunden, § 511 Abs. 4 Satz 2 ZPO.
Die Berufung ist jedoch unbegründet, denn das Amtsgericht hat ein Minderungsrecht der Beklagten zu Recht für ausgeschlossen gehalten. Insoweit wird auf die zutreffenden Gründe der angefochtenen Entscheidung verwiesen. Das Berufungsvorbringen rechtfertigt keine andere Beurteilung.
Zum einen ist der Fall nach dem vor dem 1. September 2001 geltenden Recht zu beurteilen, weil das Mietverhältnis bereits im Jahre 2000 endete und eine derartige Rückwirkung des Mietrechtsreformgesetzes nicht vorgesehen ist. Nach altem Recht geht die wohl herrschende Ansicht davon aus, dass der Mieter auf sein Minderungsrecht aus § 537 Abs. 1 a.F. BGB auch für die Zukunft verzichtet, wenn er ohne Mangelanzeige den Mietzins über einen längeren Zeitraum vorbehaltlos bezahlt (BGH ZMR 1968, 255; NJW 1974, 2233; WuM 1992, 313, 315). Hieran ist auch angesichts der Mietrechtsreform jedenfalls für „Altfälle” festzuhalten (vgl. KG GE 2001, 1195; OLG Naumburg GE 2002, 394).
Aber auch nach neuem Recht kommt eine Verwirkung der Gewährleistungsansprüche in Betracht. Zwar mag eine Analogie zu § 536 b n.F. BGB mit der Regierungsbegründung zum Gesetzentwurf nicht mehr begründet werden können, nachdem der Gesetzgeber selbst eine Regelungslücke ausschließt. Aus der Regierungsbegründung geht jedoch hervor, dass ein Verlust von Gewährleistungsrechten bei längerdauernder vorbehaltloser Zahlung nicht völlig ausgeschlossen sein soll, sondern aus bestehenden Normen herzuleiten sei. Auch bisher ist die (Rechtsfolgen-)Analogie zu § 539 a.F. BGB aus dem gemäß § 242 BGB geltenden Grundsatz hergeleitet worden, dass der Schuldner aus der längerdauernden Nichtgeltendmachung von Rechten unter Umständen beim Gläubiger einen Vertrauenstatbestand dahingehend schafft, dass das Recht auch in Zukunft nicht mehr geltend gemacht wird (Verwirkung). Ein Recht ist verwirkt, wenn der Berechtigte es längere Zeit nicht geltend macht und der Verpflichtete sich nach dem gesamten Verhalten des Berechtigten darauf einrichten durfte und auch eingerichtet hat, dass dieser das Recht auch in Zukunft nicht geltend machen werde (BGHZ 43, 289, 292; 84, 280, 281; 105, 290, 298). Neben dem Ablauf einer gewissen Zeit zwischen Fälligkeit des Anspruchs und dessen Geltendmachung hat die Annahme einer Verwirkung zur Voraussetzung, dass besondere Umstände vorliegen, wonach der Schuldner darauf vertrauen durfte, dass der Gläubiger die Forderung nicht mehr geltend macht (BGHZ 105, 290, 298; OLG Düsseldorf WuM 1993, 411). Für die Verwirkung reicht also bloßes Untätigsein nicht. Im hier zu beurteilenden Fall begründeten jedoch die monatlich in voller Höhe geleisteten Zahlungen der Beklagten über einen Zeitraum von 14 Monaten ein Vertrauen der Klägerin darauf, dass Minderungsrechte nicht (mehr) geltend gemacht werden, zumal in dem Zeitraum offenbar Beschwerden anderer Mieter über den Supermarkt vorlagen. Der Mieter, der angesichts eines Mangels zahlt, ist in Bezug auf sein Gewährleistungsrecht nicht lediglich untätig, sondern gibt jeden Monat durch aktives Tun zu erkennen, dass er den Mietzins in voller Höhe für geschuldet hält. In diesem Zusammenhang fällt übrigens tatsächlich auf, dass die Beklagten sich erst über den Supermarkt beschwerten und eine Minderung ankündigten, nachdem die Klägerin am 27. September 1999 eine fristlose Kündigung ausgesprochen hat. Auch dies lässt den Schluss zu, dass der Grund für die Minderung nicht in erster Linie in einer Gebrauchsbeeinträchtigung, sondern in der durch die Kündigung verursachten Belastung des Mietverhältnisses lag.
Die Beklagten können sich auch nicht darauf berufen, von Juli bis Oktober 1993 gar nicht in der Wohnung gewohnt zu haben. Nach dem insoweit unwidersprochen gebliebenen Vortrag der Klägerin waren die Beklagten offensichtlich nur zeitweilig abwesend. Sie haben am 21. August 1998 an einem Besichtigungstermin teilgenommen, mit Schreiben
Vom 15. Oktober 1998 selbst mitgeteilt, in der Zeit vom 15. September bis 15. Oktober 1998 in der Wohnung umfangreiche Arbeiten durchgeführt zu haben und aus ihrem Schreiben vom 4. August 1998 geht hervor, dass zu diesem Zeitpunk...