Verfahrensgang

AG Berlin-Mitte (Urteil vom 20.04.2023; Aktenzeichen 25 C 183/22)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 20. April 2023 verkündete Urteil des Amtsgerichts Mitte abgeändert.

Die Beklagten werden verurteilt, die von ihnen innegehaltene und im Hause … gelegene Wohnung, bestehend aus 6 Zimmern, Küche, Bad, Diele zu räumen und geräumt an die Klägerin herauszugeben.

Die Beklagten haben die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz als Gesamtschuldner zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten können die Räumungsvollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 18.000,00 abwenden. Die Beklagten können die Vollstreckung im Übrigen durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages zzgl. 10 % abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages zzgl. 10 % leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Den Beklagten wird eine Räumungsfrist bis einschließlich zum 31. Juli 2024 bewilligt.

 

Tatbestand

I.

Die Klägerin begehrt die Räumung und Herausgabe einer von den Beklagten und ihren beiden Kindern innegehaltenen Wohnung aufgrund einer am 16. August 2021 ausgesprochenen Kündigung wegen angeblichen Eigenbedarfs eines Mitgesellschafters der Klägerin und seiner Ehefrau.

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Kündigung sei unwirksam, da die zehnjährige Sperrfrist des § 577a Abs. 1, Abs. 1a Satz 1 Nr. 1 BGB i.V.m. § 2 KschKlVO Bln zum Zeitpunkt der Kündigung noch nicht abgelaufen gewesen sei. Nach Vermietung der Räume durch den ursprünglichen Vermieter habe die klagende GbR – insoweit unstreitig – die Mietsache erworben. Zwar seien deren damalige Gesellschafter ebenso unstreitig Cousins gewesen. Die gesetzliche Kündigungssperre greife jedoch gemäß § 577a Abs. 1a Satz 2 Alt. 1 BGB ausnahmsweise nur dann nicht, wenn die Gesellschafter derselben Familie angehörten. Dazu zählten Cousins, auch wenn sie sozial eng miteinander verbunden sein sollten, nicht.

Wegen der weiteren Einzelheiten, insbesondere zum erstinstanzlichen Vorbringen und zu den im ersten Rechtszug gestellten Anträgen, wird auf das amtsgerichtliche Urteil Bezug genommen (Bl. 96-103 d.A.).

Gegen das ihr am 21. April 2023 zugestellte Urteil hat die Klägerin mit am 11. Mai 2023 eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese nach antragsgemäßer Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist mit am 20. Juli 2023 eingegangenem Schriftsatz begründet.

Die Klägerin rügt im Wesentlichen, das Amtsgericht habe die Reichweite des § 577a Abs. 1a Satz 2 Alt. 1 BGB verkannt. Bei enger sozialer Bindung seien auch weiter entfernte Familienmitglieder Angehörige einer „Familie” im Sinne des Gesetzes.

Sie beantragt,

wie erkannt.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen, hilfsweise

eine Räumungsfrist sowie Vollstreckungsschutz zu gewähren.

Sie verteidigen das angefochtene Urteil und vertiefen ihren erstinstanzlichen Vortrag.

Die Kammer hat Beweis erhoben durch uneidliche Vernehmung der Zeugin von Stockhausen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 19. Oktober 2023 Bezug genommen (Bl. 170-178 d.A.). Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die zwischen den Parteien erst- und zweitinstanzlich gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Berufung ist begründet. Der Klägerin steht gegenüber den Beklagten der geltend gemachte Räumungs- und Herausgabeanspruch gemäß §§ 546 Abs. 1, 985 BGB zu, da das Mietverhältnis durch die Kündigung vom 16. August 2021 beendet worden ist.

1.

Die Kündigung ist als Eigenbedarfskündigung gemäß §§ 573 Abs. 1, 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB wirksam. Danach besteht ein berechtigtes Interesse des Vermieters zur ordentlichen Kündigung des Mietverhältnisses, wenn er die Räume als Wohnung für sich, seine Familienangehörigen oder Angehörige seines Haushalts benötigt. Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Die Klägerin benötigt die an die Beklagten vermieteten Räume als Wohnung für ihren Mitgesellschafter von Stockhausen und dessen Ehefrau. Es entspricht der von der Kammer geteilten Rechtsprechung des BGH, dass sich eine teilrechtsfähige GbR wie die Klägerin in entsprechender Anwendung des § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB auf den Eigenbedarf eines ihrer Gesellschafter oder von dessen Angehörigen berufen kann (st. Rspr., vgl. nur BGH, Urt. v. 14. Dezember 2016 3 VIII ZR 232/15, NJW 2017, 547, beckonline Tz. 16 ff.).

So liegt der Fall hier, auch wenn die Beklagten die tatsächlichen Voraussetzungen des von der Klägerin behaupteten Eigenbedarfs bestritten haben. Denn die Klägerin hat den von ihr behaupteten Nutzungswunsch als insoweit beweisbelastete Partei zur vollen Überzeugung der Kammer bewiesen (vgl. zum Beweismaß Kammer, Urt. v. 25. September 2014 3 67 S 198/14, NJW 2014, 3585, juris Tz. 5).

Die Zeugin von Stockhausen hat als Ehefrau des Mitgesellschafters von Stockhausen glaubhaft bekundet, dass sie...

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