Eigenbedarfskündigung zugunsten Verwandter
Der BGH hat sich in einer aktuellen Entscheidung ausführlich mit dem Begriff der Familie im Rahmen einer Eigenbedarfskündigung auseinandergesetzt. Eigenbedarf kann danach nur zugunsten solcher Familienangehöriger geltend gemacht werden, denen aus persönlichen Gründen ein Zeugnisverweigerungsrecht gemäß § 383 ZPO, § 52 StPO zusteht.
Erwerb der Mietwohnung durch GbR
In dem vom BGH entschiedenen Fall hatte eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts – die spätere Klägerin – wegen Eigenbedarfs eines ihrer Gesellschafter einem Wohnungsmieter gekündigt und diesen auf Räumung verklagt. Die GbR hatte das Gebäude, in dem die Wohnung liegt, erworben und ist dadurch als Vermieterin in ein bereits zwischen Mieter und Voreigentümer bestehendes Mietverhältnis eingetreten. Die beiden Gesellschafter der GbR waren Cousins.
10-jährige Sperrfrist für Eigenbedarfskündigung
Die Kündigung war im Hinblick auf die Vorschrift des § 577a Abs. 1a BGB rechtlich nicht unproblematisch. Nach dieser Vorschrift kann sich eine Personengesellschaft als Erwerberin auf berechtigte Interessen im Sinne des § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB (Eigenbedarf für sich oder einen Familienangehörigen) vor Ablauf von 3 Jahren nicht berufen, wenn das Mietverhältnis bei Erwerb durch die Gesellschaft bereits bestanden hat. Im konkreten Fall war die Frist durch Rechtsverordnung der Landesregierung gem. § 577a Abs. 2 BGB sogar auf 10 Jahre verlängert. Die GbR berief sich insoweit auf § 577a Abs. 1a Satz 2 BGB. Danach besteht keine Kündigungsbeschränkung, wenn die Gesellschafter oder Erwerber derselben Familie oder demselben Haushalt angehören.
BGH legt Familienbegriff eng aus
Nach divergierenden Entscheidungen der Vorinstanzen beschäftigte sich der BGH im Revisionsverfahren ausführlich mit dem Begriff der Familie in den mietrechtlichen Bestimmungen. Der BGH stellte klar:
- Die Begriffe Familie in § 577a Abs. 1a Satz 2 BGB und Familienangehörige in § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB haben die gleiche Bedeutung.
- Der mietrechtliche Familienbegriff umfasst ausschließlich diejenigen Personen, denen das Gesetz ein Zeugnisverweigerungsrecht aus persönlichen Gründen einräumt (§ 383 ZPO, § 52 StPO).
- Ein entfernter Verwandter wie ein Cousin gehört nicht zu diesem Personenkreis.
- Daran ändert es auch nichts, wenn zwischen dem Cousin oder einem sonstigen Verwandten und dem Vermieter eine enge persönliche Bindung besteht.
Nur ein enges Verwandtschaftsverhältnis rechtfertigt Kündigungsprivilegierung
Der BGH begründete diese enge Auslegung des Familienbegriffs mit dem Sinn der Privilegierung von Familienangehörigen bei der Eigenbedarfskündigung. Der Gesetzgeber habe dem Umstand Rechnung tragen wollen, dass innerhalb einer Familie infolge des engen Verwandtschaftsverhältnisses typischerweise ein Verhältnis persönlicher Verbundenheit und gegenseitiger Solidarität besteht. Allein dies sei nach dem Willen des Gesetzgebers die Rechtfertigung für die Privilegierung einer zeitnahen Eigenbedarfskündigung.
Besondere persönliche Nähe ist ohne Bedeutung
Der Senat betonte, dass das Gesetz in diesen Fällen eine typisierende Betrachtungsweise vornimmt. Es sei nicht im Einzelfall zu prüfen, ob eine besondere persönliche Nähe zwischen den Beteiligten tatsächlich bestehe oder nicht. Die typisierende Betrachtungsweise diene der Rechtssicherheit und schließe eine einzelfallbezogene Prüfung des Vorliegens einer besonderen sozialen Nähe aus. Die Schaffung objektiver Kriterien rechtfertigt es nach Auffassung des BGH, die vom Gesetzgeber vorgenommenen Wertungen bei der Privilegierung von Familienangehörigen im Rahmen der des Rechts zur Zeugnisverweigerung heranzuziehen und hier eine Einheitlichkeit der Rechtsordnung herzustellen.
Cousins rechtfertigen keinen Eigenbedarf
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze kam der BGH zu dem Ergebnis, dass die Kündigung von Mietverhältnissen zugunsten des Eigenbedarfs eines Cousins weder im Rahmen des § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB gerechtfertigt ist, noch eine Privilegierung wegen der Zugehörigkeit zur selben Familie im Sinne des § 577a Abs. 1 Abs. 2 BGB rechtfertigt. Da der Rechtsstreit entscheidungsreif war, hat der BGH die ursprüngliche, die Räumungsklage abweisende Entscheidung des AG unter Zurückweisung der Berufung wiederhergestellt.
(BGH, Urteil v. 10.7.2024, VIII ZR 276/23)
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