Entscheidungsstichwort (Thema)
Verschulden, Verschuldungszurechnung, Steuerberater
Leitsatz (amtlich)
Das Verschulden einer anderen als der für die Gesellschaft verantwortlich handelnden Person ist der Gesellschaft im Rahmen des § 335 Abs. 1 HGB nicht zuzurechnen.
Im Rahmen des § 335 Abs. 1 HGB schließt die rechtzeitige Beauftragung eines Steuerberaters die Annahme einer Sorgfaltspflichtverletzung nicht aus. Vielmehr ist entscheidend, ob die Gesellschaft auch die dann noch bei ihr verbleibende Überwachungspflicht erfüllt hat.
Normenkette
HGB § 335
Tenor
Die sofortige Beschwerde vom 23.07.2010 wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen die Festsetzung eines Ordnungsgeldes von 2.500,00 EUR wegen verspäteter Einreichung der Jahresabschlussunterlagen 2007 bei dem Betreiber des elektronischen Bundesanzeigers. Das Bundesamt für Justiz hat der Beschwerdeführerin die Verhängung des Ordnungsgeldes mit Verfügung vom 17.04.2009, zugestellt am 22.04.2009, angedroht.
Dagegen hat der Beschwerdeführer/die Beschwerdeführerin Einspruch nicht eingelegt. Das Bundesamt für Justiz hat durch die angefochtene Entscheidung vom 19.07.2010 das bezeichnete Ordnungsgeld festgesetzt.
Gegen die ihr am 22.07.2010 zugestellte Entscheidung hat die Beschwerdeführerin am 26.07.2010 sofortige Beschwerde eingelegt.
Mit der Beschwerdeführerin bekannt gemachter Entscheidung vom 28.07.2010 hat das Bundesamt für Justiz der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen.
II.
Die gemäß §§ 335 Abs. 4, Abs. 5 S. 1 und 4 HGB statthafte und auch im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde ist unbegründet.
Das Bundesamt für Justiz hat das Ordnungsgeld zu Recht festgesetzt, denn die Beschwerdeführerin hat die Rechnungslegungsunterlagen für das Jahr 2007 weder innerhalb der sich aus § 325 HGB ergebenden gesetzlichen Frist noch innerhalb der mit der Androhungsverfügung gesetzten Nachfrist von sechs Wochen bei dem Betreiber des elektronischen Bundesanzeigers eingereicht. Maßgeblich für die Frage, ob die genannten Fristen eingehalten wurden, ist die fristgemäße Herbeiführung des Handlungserfolgs, also der rechtzeitige Eingang der Unterlagen bei dem Betreiber des elektronischen Bundesanzeigers. Die Jahresabschlussunterlagen für das Jahr 2007 wurden erst am 29.06.2009 bei dem Betreiber des elektronischen Bundesanzeigers eingereicht. Die mit der Androhungsverfügung gesetzte Nachfrist von 6 Wochen ist bereits am 03.06.2009 abgelaufen.
Die Beschwerdeführerin hat auch schuldhaft gehandelt.
Die Festsetzung eines Ordnungsgeldes nach § 335 Abs. 1 HGB setzt nach allgemeiner Meinung voraus, dass die Gesellschaft die sie nach den §§ 325 ff. HGB treffenden Pflichten schuldhaft verletzt hat. Der Verschuldensvorwurf, der positiv festzustellen ist, muss sich dabei insbesondere auf das fruchtlose Verstreichen der mit der Androhungsverfügung (§ 335 Abs. 3 HGB) gesetzten Nachfrist erstrecken. Die Gründe, die zu der Überschreitung der Fristen geführt haben, sind jedoch zumindest in aller Regel für außenstehende Dritte nicht erkennbar. Deshalb trifft die Beschwerdeführerin insoweit auch im Rahmen eines der Amtsermittlung unterliegenden Verfahrens eine sekundäre Darlegungslast. Es obliegt also zunächst der Beschwerdeführerin, darzulegen, aufgrund welcher Umstände die Fristen nicht eingehalten wurden.
Nach dem Ergebnis der Ermittlungen des Landgerichts Bonn und des Bundesamtes für Justiz steht die Einlassung der Beschwerdeführerin einem Verschuldensvorwurf nicht entgegen.
Dabei kann dahinstehen, ob der von der Beschwerdeführerin mit der Einreichung der Jahresabschlussunterlagen beauftrage Steuerberater sorgfaltspflichtwidrig gehandelt hat. Auch wenn dies zu bejahen wäre, müsste sich die Beschwerdeführerin ein derartiges Verschulden jedenfalls nicht als eigenes Verschulden zurechnen lassen (wie hier LG Bonn NJW-RR 2010, 698; eine Zurechnung dagegen bejahend LG Bonn DStR 2009, 451; diese Frage ausdrücklich offen lassend BVerfG, Beschluss vom 14.10.2010, Az. 1 BvR 364/09). Eine Verschuldenszurechnung kommt weder über § 278 BGB (analog) noch über § 152 Abs. 1 S. 3 AO in Betracht. Zwar muss sich der Steuerpflichtige nach § 152 Abs. 1 S. 3 AO ein Verschulden seines Steuerberaters zurechnen lassen (vgl. BFH BStBl 1987, 543; Klein/Gersch, Abgabenordnung, 10. Aufl., § 152 Rn. 4). Und nach § 278 BGB muss sich jeder, der einen Dritten zur Erfüllung seiner Schuldnerverbindlichkeiten hinzuzieht, dessen Verschulden zurechnen lassen. Das Ordnungsgeld nach § 335 Abs. 1 HGB hat jedoch repressiven Charakter (vgl. BVerfG NZG 2009, 874). Es stellt (auch) eine Sanktion des zurückliegenden Gesetzesverstoßes dar. Wenn aber § 335 Abs. 1 HGB zumindest auch eine strafähnliche Funktion hat, muss Voraussetzung der Festsetzung des Ordnungsgeldes auch ein eigenes Verschulden der betroffenen Gesellschaft sein und die Zurechnung des Verschuldens Dritter ausscheiden (vgl. BVerfG NJW 1967, 195; NJW-RR 2007, 860). Maßgebend ist allein das Verschulden der für die Gesellschaft verantwortlich handelnden Personen im Sin...