Entscheidungsstichwort (Thema)
Betreuungsrecht. Unterbringung. Zwangsbehandlung. konkrete Normenkontrolle
Leitsatz (amtlich)
Zur Frage der Vereinbarkeit des § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB mit dem Grundgesetz, soweit die Vorschrift die Untersuchung des Gesundheitszustandes, die Heilbehandlung und ärztliche Eingriffe gegen den natürlichen Willen des Betroffenen zulässt.
Normenkette
GG Art. 100 Abs. 1 S. 1; BGB § 1906 Abs. 1 Nr. 2
Tenor
1. Das Verfahren wird ausgesetzt.
2. Das Verfahren wird gemäß Art. 100 Abs. 1 S. 1 GG dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung über die Frage vorgelegt, ob die Vorschrift des § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB mit dem Grundgesetz vereinbar ist, soweit sie die Untersuchung des Gesundheitszustandes, die Heilbehandlung und ärztliche Eingriffe gegen den natürlichen Willen des Betroffenen zulässt.
Gründe
I. Für den Betroffenen, der an einer chronisch verlaufenden Psychose erkrankt ist, ist seit dem 02.03.2007 eine Betreuung gemäß § 1896 BGB eingerichtet. Mit Beschluss vom 13.02.2009 (Bl. 109 f. der Hauptakte) hat das Amtsgericht Bremen - Betreuungsgericht - die bestehende Betreuung verlängert. Zuletzt hat das Amtsgericht Bremen mit Beschluss vom 23.04.2012 (Bl. 212 f. der Hauptakte) einen Betreuerwechsel vorgenommen und die im Rubrum genannte Betreuerin zur neuen Betreuerin bestellt. Die Betreuung umfasst unter anderem die Aufgabenkreise der Sorge für die Gesundheit und der Aufenthaltsbestimmung.
Seit Einrichtung der Betreuung war der Betroffene mehrfach gemäß § 1906 Abs. 1 Nr. 1 und 2 BGB sowie nach §§ 9, 14 BremPsychKG untergebracht. Mit Beschluss vom 20.12.2011 (Bl. 225 f. des Unterbringungsbeihefts) hat das Amtsgericht Bremen auf Antrag des damaligen Betreuers Rechtsanwalt [...] die Unterbringung des Betroffenen zur Heilbehandlung in einer geschlossenen Einrichtung bis längstens zum 17.01.2012 gemäß § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB genehmigt. Auf Antrag des damaligen Betreuers wurde durch Beschluss vom 17.01.2012 (Bl. 238 f. des Unterbringungsbeihefts) die weitere Unterbringung des Betroffenen bis längstens zum 16.03.2012 genehmigt. Mit Schriftsatz vom 10.02.1012 hat der damalige Betreuer einen Antrag auf Genehmigung der Zwangsmedikation gestellt (Bl. 295 des Unterbringungsbeihefts). Zur Begründung hat der damalige Betreuer ausgeführt, der Betroffene habe keine Krankheitseinsicht und verweigere die zur Behandlung seiner Schizophrenie notwendige Medikation mittels Decentan in einer Dosierung von bis zu 48 mg/täglich. Bei Nichtbehandlung des Betroffenen, der sich in einem psychotischen Zustand befinde, drohe eine weitere Verschlechterung seines Gesundheitszustandes, womit eine erhebliche Gesundheitsgefährdung verbunden mit aggressivem Auftreten einher gehe. Mit Beschluss vom 20.02.2012 hat das Amtsgericht Bremen den Antrag auf Genehmigung der Zwangsmedikation zurückgewiesen (Bl. 296 ff. des Unterbringungsbeihefts). Es hat zur Begründung ausgeführt, eine Rechtsgrundlage für eine Genehmigung einer Zwangsmedikation im Rahmen einer betreuungsrechtlichen Unterbringung bestehe nicht. Bei Beachtung der aktuellen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu den Anforderungen an die Zulässigkeit einer Zwangsbehandlung von Untergebrachten stelle insbesondere § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB keine ausreichende gesetzliche Grundlage dar. Der Beschwerde des ehemaligen Betreuers vom 24.02.2012 (Bl. 302 f. des Unterbringungsbeihefts) hat das Amtsgericht Bremen nicht abgeholfen; es hat die Akten der vorlegenden Kammer mit Beschluss vom 26.02.2012 zur Entscheidung über die Beschwerde vorgelegt (Bl. 253 f. des Unterbringungsbeihefts). Mit Beschluss vom 16.03.2012 (Bl. 289 ff. des Unterbringungsbeihefts) hat das Amtsgericht Bremen auf Antrag des damaligen Betreuers die weitere Unterbringung des Betroffenen zur Heilbehandlung in einer geschlossenen Einrichtung bis längstens zum 16.06.2012 gemäß § 1906 Abs. 1 Nr. 2 BGB genehmigt. Zwischenzeitlich war der Betroffene wiederholt aus der geschlossenen Einrichtung entwichen. Die neu bestellte Betreuerin hat mit Schriftsatz vom 09.05.2012 erklärt, den vom damaligen Betreuer gestellten Antrag auf Genehmigung der Zwangsmedikation aufrecht zu erhalten (Bl. 380 des Unterbringungsbeihefts).
Der Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. [...] hat in seiner Stellungnahme vom 21.02.2012 (Bl. 307 f. des Unterbringungsbeihefts) ausgeführt, seit Verlängerung der betreuungsrechtlichen Unterbringung lehne der Betroffene jegliche Medikation ab. In den ersten Wochen sei er dabei freundlich, aber desinteressiert gewesen. Nach Entweichung, Fahndung und Wiederaufnahme gegen seinen Willen sei die wahnhafte Symptomatik stärker handlungsleitend geworden. Der Betroffene sei unruhiger, zeitweise stark bedrohlich und äußere gegenüber einzelnen Mitarbeitern Drohungen bis hin zu Morddrohungen. Gegenwärtig sei wegen der durchgehend vorhandenen Aggressivität über psychopathologische Symptome nicht mehr mit ihm zu reden. Es sei anzunehmen, dass die vorbekannten Motive sich verstärkt hätten. Der Betroffene sei der ...