Normenkette
ZPO § 765a
Verfahrensgang
AG Essen (Entscheidung vom 11.08.2010; Aktenzeichen 30 M 2013/09) |
Tenor
Unter Abänderung des angefochtenen Beschlusses wird die Zwangsvollstreckung aus dem Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Pirna vom 16.09.2002, Az. B 1803/2002, hinsichtlich eines im Juli 2010 gepfändeten Forderungsbetrages in Höhe von 864,- € für unwirksam erklärt.
Der der Schuldnerin zustehende unpfändbare Freibetrag gem. § 850k I ZPO für den Monat August 2010 wird um 864,- € erhöht.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der Kosten der Nebenintervention trägt die Gläubigerin.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I.
Die Gläubigerin betreibt gegen die Schuldnerin die Zwangsvollstreckung aus dem Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Pirna vom 16.09.2002, Az. B 1803/2002. Auf Antrag der Gläubigerin erließ das Amtsgericht Essen am 22.09.2009 einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss, welcher u.a. die Ansprüche der Schuldnerin gegen ihre kontoführende Bank Sparkasse F, erfasst. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses vom 22.09.2009 (Bl. 2-4 d.A.) Bezug genommen.
Nach Einführung des § 850k ZPO n.F. zum 1.7.2010 wurde das Konto der Schuldnerin in ein Pfändungsschutzkonto umgewandelt. Der der Schuldnerin zustehende Pfändungsfreibetrag beläuft sich auf 985,15 € zuzüglich Kindergeld.
Im Monat Juli 2010 schöpfte die Schuldnerin den ihr zustehenden Pfändungsfreibetrag voll aus. Nachfolgend gingen am 30.7.2010 auf dem bei der Drittschuldnerin geführten Pfändungsschutzkonto Sozialleistungen in Höhe von 864,- € ein, die für das Bestreiten des Lebensunterhaltes im August 2010 bestimmt waren.
Die Drittschuldnerin verweigert eine Auszahlung von Kontoguthaben an die Schuldnerin mit dem Hinweis auf den ausgeschöpften Pfändungsfreibetrag im Juli 2010.
Die Schuldnerin, die diesen Geldbetrag unstreitig für das Bestreiten ihres Lebensunterhalts im August 2010 benötigt, beantragte am 10.08.2010 die Aufhebung der erfolgten Pfändung unter Hinweis auf § 765a ZPO.
Mit Beschluss vom 11.08.2010 wies das Amtsgericht Essen diesen Antrag zurück. Zur Begründung verwies das Amtsgericht Essen darauf, dass für die Schuldnerin die erfolgte Pfändung schon deswegen keine sittenwidrige Härte darstellen könne, weil sie aufgrund der gesetzlichen Neuregelung in § 850k I ZPO ohnehin bereits seit Monatsbeginn wieder zur Verfügung über den monatlichen Pfändungsfreibetrag berechtigt sei. Dass das zugrundeliegende Kontoguthaben aus Zahlungseingängen im Juli 2010 resultiere, stünde dem nicht entgegen. Wegen der Einzelheiten wird auf den Beschluss des Amtsgerichts Essen vom 11.08.2010 (Bl. 30-33 d.A.) verwiesen.
Gegen den Beschluss des Amtsgerichts legte die Schuldnerin am 11.08.2010 "Rechtsmittel" ein. Der Rechtspfleger des Amtsgerichts hat noch am selben Tage dem Begehren der Schuldnerin nicht abgeholfen und die Sache der Kammer zur Entscheidung vorgelegt.
Mit Schreiben vom 12.08.2010 hat die Gläubigerin der Drittschuldnerin den Streit verkündet. Diese ist dem Zwangsvollstreckungsverfahren mit Schriftsatz vom 16.08.2010 auf Seiten der Vollstreckungsschuldnerin beigetreten.
II.
Das Amtsgericht hat zu Recht die durch die Schuldnerin am 11.08.2010 zu Protokoll der Geschäftsstelle abgegebene Erklärung als sofortige Beschwerde ausgelegt. Erkennbar verlangt die Schuldnerin eine Überprüfung der Entscheidung des Rechtspflegers. Dabei ist im Zweifel der zulässige Rechtsbehelf gewollt. Gegen die ganze oder teilweise Ablehnung seines Antrages nach § 765a ZPO steht dem Schuldner die sofortige Beschwerde zu (Zöller/Stöber, ZPO, 26. Auflage 2007, § 765a Rn 23).
Die nach § 793 ZPO statthafte sofortige Beschwerde, über die die Kammer nach Übertragung der Sache durch den Einzelrichter nach § 568 Satz 2 Nr. 2 ZPO zu entscheiden hatte, ist zulässig, insbesondere innerhalb der in § 569 Abs. 1 Satz 1 ZPO bestimmten Frist eingelegt worden.
Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.
Das Amtsgericht hat den Antrag der Schuldnerin auf Gewährung von Vollstreckungsschutz zu Unrecht zurückgewiesen. denn die Voraussetzungen des § 765a ZPO für die Gewährung von Vollstreckungsschutz liegen im vorliegenden Fall vor. Dass die Schuldnerin allein wegen der vorlaufenden Gewährung von Sozialleistungen am Ende des Vormonates nunmehr für den Monat August keine genügenden Geldmittel zur Verfügung hat, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten, stellt eine mit den guten Sitten nicht zu vereinbarende Härte dar. Gleichzeitig werden schutzwürdige Interessen der Gläubigerin nur unwesentlich beeinträchtigt, da nach der im gesamten Zwangsvollstreckungsrecht erkennbaren gesetzgeberischen Grundwertung Sozialleistungen zum Bestreiten des Lebensunterhaltes dem Gläubigerzugriff im Regelfall entzogen sein sollen.
Dabei liegt entgegen der Rechtsauffassung des Amtsgerichts eine grobe Härte für die Schuldnerin nicht schon deswegen nicht vor, weil diese trotz der im Juli 2010 erfolgten Pfändung und Überweisung im Monat August 2010 im Rahmen des Pfändu...