Leitsatz (amtlich)
Nach rechtskräftiger Ungültigerklärung eines Sonderumlagebeschlusses besteht jedenfalls für einen mittlerweile ausgeschiedenen Wohnungseigentümer ein Rückforderungsanspruch. Einer Beschlussfassung der Eigentümer bedarf es hierfür nicht.
Verfahrensgang
AG Friedberg (Hessen) (Urteil vom 04.07.2018; Aktenzeichen 2 C 383/18 (23)) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des AG Friedberg (Hessen) vom 04.07.2018 abgeändert. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 2.201,80 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 26.04.2018 zu zahlen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Die Revision wird zugelassen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrags abwenden, falls nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Streitwert für das Berufungserfahren: 2.201,80 EUR.
Tatbestand
I.
Die Klägerin war Miteigentümerin der beklagten Wohnungseigentümergemeinschaft. Am 10.05.2012 zu TOP 6 haben die Wohnungseigentümer beschlossen, eine Sonderumlage zu erheben, wobei auf die Klägerin eine Sonderumlage in Höhe von 2.201,80 Euro entfiel. Im Berufungsverfahren ist unstreitig geworden, dass die in einem gesonderten Verfahren eingeklagte Sonderumlage von der Klägerin im Jahre 2014 gezahlt worden ist.
Diesen Betrag hat die Beklagte in einem Vorverfahren gegen die Klägerin gerichtlich geltend gemacht. Das Klageverfahren bezüglich der Sonderumlage ist durch Feststellung der Erledigung beendet worden, die Berufung hiergegen hat die Kammer durch Beschluss vom 01.03.2018 – 2-13 S 162/17 zurückgewiesen. Zwischenzeitlich ist durch Urteil der Kammer der Beschluss zu Tagesordnungspunkt 6 der Versammlung vom 10.05.2012 für ungültig erklärt worden (Urteil vom 23.08.2017 – 2-13 S 8/14).
Mit Kaufvertrag vom 23.11.2015 hat die Klägerin ihren Miteigentumsanteil veräußert, die Umschreibung erfolgte Anfang 2016. Die Sanierungsmaßnahme ist zwischenzeitlich durchgeführt worden. Im Berufungsverfahren haben die Beklagten behauptet, dass nach Abschluss der Sanierungsarbeiten „der Sanierungsbeschluss durch ergänzenden Beschluss geheilt” wurde. Dieser Beschluss ist nach Schluss der mündlichen Verhandlung im Berufungsverfahren zur Akte gelangt.
Mit der am 25.04.2018 erhobenen Klage begehrt die Klägerin die Rückzahlung der Sonderumlage, da diese ohne Rechtsgrund gezahlt worden sei. Die Beklagte hat die Einrede der Verjährung erhoben.
Wegen der weiteren tatsächlichen Feststellungen wird auf die angefochtene Entscheidung Bezug genommen.
Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen und sich im Wesentlichen zur Begründung darauf gestützt, dass der Ausgleich überzahlter Wohngelder in einer Wohnungseigentümergemeinschaft allein im Wege der Abrechnung stattfinde, auch die Erfüllung eines Bereicherungsanspruchs könne nur dann verlangt werden, wenn eine durch Beschlussfassung der Gemeinschaft genehmigte Jahresabrechnung ein Guthaben für den Anspruchsteller ausweise, einer isolierten Anspruchsverfolgung stehe das Abrechnungsverhältnis innerhalb der Wohnungseigentümergemeinschaft entgegen.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie ihren erstinstanzlichen Klageantrag weiterverfolgt.
…
Entscheidungsgründe
II.
Die zulässige Berufung ist begründet.
Der Klägerin steht der geltend gemachte Anspruch aus § 812 Abs. 1 BGB zu.
1. Die von der Klägerin geleistete Zahlung der Sonderumlage erfolgte ohne Rechtsgrund. Denn nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes hat die Ungültigerklärung eines Beschlusses zur Folge, dass diesem von Anfang an die Rechtswirksamkeit fehlt und Folge des die Ungültigkeit aussprechenden Urteils eine dahingehende rückwirkende Gestaltungswirkung ist (st. Rspr. seit BGHZ 106, 113 = NJW 1989, 1087 (1088); dazu Staudinger/Lehmann-Richter, Neubearb. 2018, § 46 WEG Rn. 212; BeckOGK/Herrmann, Stand Juli 2018, § 23 WEG Rn. 175; BayObLG NJW-RR 1988, 270). Demzufolge steht nunmehr zwischen den Parteien rechtskräftig durch das Urteil der Kammer im Verfahren über die Beschlussanfechtung vom 23.08.2017 (2-13 S 8/14) fest, dass eine Zahlungsverpflichtung der Klägerin (aus der für die vorliegende Entscheidung maßgeblichen heutigen Sicht) von Anfang an nicht bestand.
Allerdings war die Klägerin nach dem System des Wohnungseigentumsrechts gemäß § 23 Abs. 4 WEG zunächst verpflichtet, die Sonderumlage zu zahlen, denn die Anfechtungsklage hatte keine aufschiebende Wirkung und verpflichtet die Klägerin gleichwohl zur Zahlung von beschlossenen Sonderumlagen. Wegen der Einzelheiten wird insoweit auf die Entscheidung der Kammer vom 25.01.2018 – 2-13 S 162/17 – Bezug genommen. Dies ändert aber nichts daran, dass nunmehr durch die gerichtliche Ungültigerklärung des Beschlusses die Zahlungsverpflichtung von Anfang an nicht bestand (§ 23 Abs. 4 S. 2 WEG). Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus...