Leitsatz (amtlich)

Ist mit einer Erhaltungsmaßnahme ein Beschluss über die Verteilung der Kosten getroffen worden, steht einer späteren Änderung des Kostenverteilerschlüssels im Regelfall schutzwürdiges Interesse der Eigentümer entgegen.

Da Gegenstand des Beschlusses nach § 28 Abs. 2 WEG nur noch die sog. Abrechnungsspitzen sind, hat die Anfechtungsklage bereits dann Erfolg, wenn eine Position der Jahresabrechnung einen ergebnisrelevanten Fehler enthält. Teilbarkeit liegt hingegen bezüglich des Beschlusses über die Anpassung der Vor- und Nachschüsse der laufenden Bewirtschaftungskosten und der Rücklagen vor.

 

Verfahrensgang

AG Friedberg (Hessen) (Urteil vom 09.02.2022; Aktenzeichen 2 C 672/21 (23))

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Amtsgerichts Friedberg vom 09.02.2022, Az. 2 C 672/21 (23) insoweit abgeändert, als die Klage auch hinsichtlich des Beschlusses unter TOP 3 vollständig abgewiesen worden ist. Der unter TOP 3 auf der Eigentümerversammlung … vom 31.07.2021 gefasste Beschluss über die Gesamt- und Einzelabrechnungen für das Wirtschaftsjahr 2020 wird für ungültig erklärt, mit Ausnahme der Anpassung der Nachschüsse/Anpassung der Vorschüsse für die Erhaltungsrücklage.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert wird auf sowohl für die erste als auch die Berufungsinstanz auf bis 155.000,00 EUR festgesetzt.

 

Tatbestand

I.

Die Klägerin ist Mitglied der beklagten WEG und wendet sich mit ihrer Beschlussanfechtungsklage, soweit für die Berufung noch von Bedeutung, gegen den auf der Versammlung vom 31.07.2021 unter TOP 3 gefassten Beschluss über die Genehmigung der Gesamt- und Einzelabrechnungen für das Jahr 2020.

Die Klägerin ist Sondereigentümerin einer Einheit mit Dachterrasse. Andere Einheiten verfügen über einen Balkon. Hinsichtlich der Regelungen in der Teilungserklärung wird auf die Feststellungen in der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen. In der Versammlung vom 17.11.2019 hatten die Eigentümer mit Blick auf die Sanierung der Terrassen- und Balkongeländer zwei inzwischen bestandskräftige Beschlüsse gefasst. Der Beschluss zur laufenden Nummer 21 der Beschluss-Sammlung sieht die Beauftragung eines Angebots zur Sanierung der Dachterrasse (rund 86 lfm.) bei veranschlagten Kosten von insgesamt rund 66.000,00 EUR bei einer Finanzierung der Kosten aus der Instandhaltungsrücklage vor. Unter laufender Nummer 22 beschlossen die Eigentümer die Beauftragung der Sanierung der Geländer der 16 Balkone mit veranschlagten Kosten von 66.000,00 EUR mit einer Finanzierung der Maßnahme durch eine Sonderumlage nach Miteigentumsanteil (MEA) in Höhe von 40.000,00 EUR. ….

Auf der Versammlung vom 31.07.2021 wurde unter TOP 3 zunächst erörtert, ob die Kosten der „Balkonsanierung” nach laufendem Meter oder nach MEA zu verteilen wären. Die Verwalterin hatte die Jahresabrechnung in zwei Varianten vorbereitet. … Mehrheitlich beschlossen die Eigentümer die Variante mit der Verteilung nach laufendem Meter. Danach fallen der Klägerin 86 von insgesamt 182 Metern zur Last; ihr MEA beträgt 160/1.000.

Die gegen den Beschluss erhobene Anfechtungsklage hat das Amtsgericht abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, dass die Eigentümer nicht gehindert seien, eine Verteilung nach einem anderen Verteilungsschlüssel vorzunehmen als nach demjenigen, der für den die Finanzierung der Maßnahme dienenden Sonderwirtschaftsplan gewählt wurde. Wegen der Begründung im Einzelnen sowie der Feststellungen im Übrigen wird auf die angefochtene Entscheidung, Bl. 54 ff. d. A., Bezug genommen.

Die Klägerin, die mit der Berufung, insoweit sie angefallen ist, ihr ursprüngliches Begehren auf Ungültigerklärung des Beschlusses weiterverfolgt, ist u.a. der Ansicht, dass die Beschlüsse aus der Versammlung vom 17.11.2019 die Gemeinschaft bänden, die Voraussetzungen für einen abändernden Zweitbeschluss nicht vorlägen und schutzwürdige Belange der Klägerin, die bei der Verteilung nach MEA weitaus besser gestellt wäre, konterkariert würden.

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und meint, die Eigentümer seien zum Beschluss eines anderen Verteilungsschlüssels berechtigt gewesen, zumal die Verteilung nach ihrer Auffassung nun der Regelung der Teilungserklärung entspreche.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Berufung hat Erfolg und führt unter Abänderung des amtsgerichtlichen Urteils zur Ungültigerklärung des Beschlusses über die Jahresabrechnung insgesamt.

Zwar stand den Eigentümern eine Beschlusskompetenz zur Frage der Kostenverteilung zu (1.). Ob der Beschluss deshalb anfechtbar wäre, weil im konkreten Einzelfall über die Kostenverteilung nicht gesondert beschlossen wurde, ist fraglich (...

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