Leitsatz (amtlich)

Ein Beschluss nach § 28 Abs. 2 WEG nF ist nicht bereits deshalb für ungültig zu erklären, weil das Rechenwerk nicht nachvollziehbar ist.

Der Anfechtungskläger genügt seiner Darlegungslast für einen ergebnisrelevanten Fehler, wenn er darlegt, dass die Abrechnung nicht plausibel ist und daher Zweifel an der Richtigkeit der Nachschüsse und der angepassten Vorschüsse bestehen. Insoweit kommt der GdWE eine sekundäre Darlegungslast zu, vorzutragen, dass die Abrechnungsspitzen gleichwohl zutreffend sind.

 

Verfahrensgang

AG Offenbach (Urteil vom 30.06.2022; Aktenzeichen 310 C 57/21)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Amtsgerichts Offenbach am Main vom 30.06.2022, Az. 310 C 57/21 insoweit abgeändert, als die Klage auch hinsichtlich des Beschlusses unter TOP 4 vollständig abgewiesen worden ist. Der unter TOP 4 auf der Eigentümerversammlung der WEG … vom 01.09.2021 gefasste Beschluss wird für ungültig erklärt, mit Ausnahme der Einforderung von Nachschüssen/Anpassung der Vorschüsse für die Erhaltungsrücklage. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin zu einem Viertel und die Beklagte zu drei Vierteln.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Schuldner kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert wird auf sowohl für die erste als auch die Berufungsinstanz auf bis 30.000,00 EUR festgesetzt.

 

Tatbestand

I.

Die Berufungsklägerin ist Alleinerbin nach dem im Berufungsverfahren verstorbenen Kläger, Mitglied der beklagten WEG. Dieser hatte mit der Anfechtungsklage die Ungültigerklärung verschiedener auf der Versammlung vom 01.09.2021 gefasster Beschlüsse begehrt.

Das Amtsgericht hat die Klage insgesamt abgewiesen. Wegen der erstinstanzlich gestellten Anträge, der weiteren Feststellungen sowie der Begründung des erstinstanzlichen Urteils wird auf die angefochtene Entscheidung Bezug genommen (Bl. 192 ff. d. A.).

Mit der hiergegen gerichteten Berufung verfolgt die Berufungsklägerin noch das Begehren auf Ungültigerklärung, hilfsweise Nichtigkeitsfeststellung der Beschlüsse zu den TOP 3.3, TOP 3.4 …. und TOP 4. …. Die Beklagte verteidigt das angegriffene Urteil und beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Berufung hat nur teilweise Erfolg und führt – unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen – unter Abänderung des amtsgerichtlichen Urteils nur zur Ungültigerklärung des Beschlusses unter TOP 4, unter Ausnahme der Anpassung der Nachschüsse/Anpassung der Vorschüsse für die Erhaltungsrücklage.

Der Beschluss zu TOP 4 war im Wesentlichen für ungültig zu erklären.

Zu Recht weist die Beklagte allerdings darauf hin, dass nach dem seit dem WEMoG geltenden Recht der Beschluss über die Einforderung von Nachschüssen und die Anpassung der Vorschüsse nicht allein deshalb für ungültig zu erklären ist, wenn das zu Grunde liegende Rechenwerk der Jahresabrechnung zunächst nicht nachvollziehbar ist.

Ist dies nicht der Fall, wird die Jahresabrechnung allerdings ihrer Hauptaufgabe, als eine geordnete und übersichtliche, inhaltlich zutreffende Aufstellung sämtlicher Einnahmen und Ausgaben für das betreffende Wirtschaftsjahr (st. Rspr.; vgl. nur BGH ZWE 2010, 170 (171)) nicht gerecht und insoweit erfüllt die Abrechnung nicht ihre Funktion, die Beschlussfassung nach § 28 Abs. 2 WEG über die Anpassung der Vorschüsse und das Einfordern von Nachschüssen vorzubereiten. Lässt sich aus der Abrechnung mit Hilfe der Anfangs- und Endbestände der Konten nicht nachvollziehen, ob alle im Abrechnungsjahr getätigten Einnahmen und Ausgaben in der Abrechnung aufgeführt sind, ist die Abrechnung nicht plausibel (BGH ZMR 2021, 132). Damit stellt sich auch die ergebnisrelevante Frage, ob alle Ausgaben berücksichtigt worden sind oder Einnahmen fehlen. Da die Abrechnung für den durchschnittlichen Wohnungseigentümer auch ohne Hinzuziehung fachlicher Unterstützung verständlich sein muss (BGH NZM 2018, 233 Rn. 7), genügt der Wohnungseigentümer seiner Darlegungslast, wenn er darlegt, dass die Abrechnung nicht plausibel ist und daher Zweifel an der Richtigkeit der angepassten Vorschüsse oder Nachschüsse bestehen. Insoweit kommt der WEG eine sekundäre Darlegungslast dahingehend zu, zu erläutern, inwieweit die beschlossenen Abrechnungsspitzen gleichwohl zutreffend sind. Der Beschluss gem. § 28 Abs. 2 WEG ist in einer derartigen Konstellation für ungültig zu erklären, wenn der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer im Falle anfänglicher Nichtnachvollziehbarkeit bis zuletzt nicht die Darlegung gelingt, dass die Abrechnungsmängel keine Ergebnisrelevanz haben oder gar feststeht, dass sich Mängel in den Einzelabrechnungen auf die Höhe der Nachschüsse oder die Anpassung der Vorschüsse ausgewirkt haben.

Hierauf hat die Ka...

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