Entscheidungsstichwort (Thema)
Geänderte Kostenverteilung nach 16 Abs. 2 S. 2 WEG n.F für kleinere Arbeiten im Außenbereich und Treppenhaus
Leitsatz (amtlich)
1. Das sog. Objektprinzip (Kostenverteilung nach Sondereigentumseinheiten) stellt eine einfache und verständliche Kostenverteilung dar und ist gerecht vor allem für Kosten, die unabhängig von der Wohngröße und dem Wert der Wohnung anfallen (hier: Kosten der Sanierung der Außenbeleuchtung, eines Treppenhausfensters und der Entfernung eines Baumes in der Außenanlage).
2. Bei der Änderung der Kostenverteilung nach 16 Abs. 2 S. 2 WEG n.F. sind die Grenzen einer ordnungsgemäßen Verwaltung überschritten, wenn die Minderheit eine erhebliche Mehrbelastung erleidet, die keine innere Rechtfertigung trägt, insbesondere wenn die Änderung der Kostenverteilung nur den Zweck verfolgt, die Mehrheit zum Nachteil der Minderheit von Kosten zu entlasten. Bei einer 4er-WEG, bei der für zwei Einheiten alles beim alten bleibt, ist die Annahme einer solchen Benachteiligungsabsicht nicht naheliegend.
Verfahrensgang
AG Karlsruhe (Urteil vom 28.07.2022; Aktenzeichen 5 C 2163/21 WEG) |
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Amtsgerichts Karlsruhe vom 28.07.2022, Az. 5 C 2163/21 WEG, wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Amtsgerichts Karlsruhe ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 904,00 EUR festgesetzt.
Gründe
(abgekürzt nach §§ 540, 313a Abs. 1 ZPO)
I.
Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet.
Die Beschlussfassung zu „TOP 9b, 10b und 11b” (Kostenverteilung nach Wohneinheiten statt nach Miteigentumsanteilen bezüglich der Einzelmaßnahmen Außenbeleuchtung, Baumentfernung und Treppenhausfenster) der Eigentümerversammlung vom 06.10.2021 ist nicht für ungültig zu erklären.
In formeller Hinsicht begegnet die Beschlussfassung keinen Bedenken. Diese Beschlussfassung ist auch materiell-rechtlich nicht zu beanstanden, widerspricht insbesondere nicht ordnungsgemäßer Verwaltung.
Nach 16 Abs. 2 S. 2 WEG n.F. haben die Wohnungseigentümer nunmehr die Möglichkeit, den gesetzlichen oder vereinbarten Verteilungsschlüssel durch Beschluss zu ändern (zum Folgenden: Ring/Grziwotz/Schmidt-Räntsch, BGB Sachenrecht, WEG § 16 Rn. 52–72 m.w.N.). Die Wohnungseigentümer können für sämtliche Kosten der Gemeinschaft – soweit sie nicht für bauliche Veränderungen anfallen – einen abweichenden Verteilungsschlüssel beschließen. Die Beschlusskompetenz besteht für die Verteilung einzelner Kosten oder bestimmter Kostenarten. Damit soll nach den Umständen des Einzelfalls eine angemessene Kostenverteilung ermöglicht werden. Daraus wird ersichtlich, dass die Wohnungseigentümer nicht befugt sind, den gesetzlichen oder vereinbarten Verteilungsschlüssel generell durch Beschluss zu ändern. Der Beschluss zur Abänderung des Verteilungsschlüssels bedarf der einfachen Mehrheit (§ 25 Abs. 1 WEG n.F.). Die Änderung der Kostenverteilung muss ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen (§§ 19 Abs. 1; 18 Abs. 2 WEG n.F.). Dabei steht den Wohnungseigentümern ein weiter Gestaltungsspielraum zu (vgl. BGH NJW 2011, 2202; NJW 2010, 3298). Der beschlossene Verteilungsschlüssel muss sachlich gerechtfertigt sein. Bei der Kostenverteilung ist der Maßstab die Verteilungsgerechtigkeit (vgl. MüKoBGB/Scheller WEG § 16 Rn. 39). Der sachliche Grund kann aber auch der Anreiz zur Kostensenkung sein (Hügel/Elzer WEG § 16 Rn. 68).
§ 16 Abs. 2 S. 1 WEG gibt die gesetzlichen Eigentumsverhältnisse (Miteigentumsanteile) als gerechten Verteilungsschlüssel vor. Da diese aber nicht zwangsläufig mit der Verursachung der Kosten korrelieren, ist ein anderer Verteilungsschlüssel dann gerechter, wenn er sich stärker als die Eigentumsverhältnisse an der Kostenverursachung bzw. dem Kostenprofit ausrichtet. Dies bedeutet, dass der Verteilungsschlüssel sich stärker an den Kriterien ausrichtet, nach denen die Kosten erhoben werden. In der Praxis wird jedoch regelmäßig kein Verteilungsschlüssel zu einer vollständigen Einzelfallgerechtigkeit führen. Die Verteilungsgerechtigkeit kann grundsätzlich nur annäherungsweise erzielt werden.
Auch erhebliche Mehrbelastungen eines Wohnungseigentümers sind bei einer Änderung des Verteilungsschlüssels nicht ausgeschlossen. Im Einzelfall können die Wohnungseigentümer insbesondere auch verbrauchs- oder verursachungsunabhängige Verteilungsschlüssel heranziehen, wenn der Anteil eines Wohnungseigentümers nicht messbar ist, eine Verbrauchserfassung unverhältnismäßigen Aufwand hervorrufen würde oder dies aus anderen Gründen pflichtgemäßem Ermessen entspricht. Sie können daher die Umlage der Kosten für Müllabfuhr, Straßenreinigung, Räumdienst, Hausreinigung, Gartenpflege, Versicherungen, Schädlingsbekämpfung, Niederschlagswasser sowie Wartungskosten für Notstrom- und Brandsicherung z.B. nach Fläche der Sondereigentumseinheite...