Leitsatz (amtlich)

Eine „Teileigentumseinheit bestehend aus Hobby- und Abstellraum” kann auch zu Zwecken eines gewerblichen Buchhaltungsbüros genutzt werden.

 

Verfahrensgang

AG Waldkirch (Urteil vom 04.11.2021; Aktenzeichen 1 C 198/20 WEG)

 

Tenor

1. Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Amtsgerichts Waldkirch vom 04.11.2021, Az. 1 C 198/20 WEG, wird zurückgewiesen.

2. Die Kläger haben die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Amtsgerichts Waldkirch ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

 

Gründe

(abgekürzt nach § 540 Abs. 2, § 313a Abs. 1 ZPO)

I.

Die Berufung ist zulässig, jedoch nicht begründet.

1.

Die Kläger haben keinen Anspruch gegen die Beklagten auf Unterlassung der Nutzung der streitgegenständlichen Erdgeschossräume als Buchhaltungsbüro bzw. auf die begehrte Feststellung. Ein solcher Anspruch ergibt sich insbesondere nicht aus § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB i.V.m. § 15 Abs. 3 WEG a. F. (in der bis zum 30. November 2020 geltenden Fassung) bzw. § 18 Abs. 2 Nr. 2 WEG n. F. (in der ab dem 1. Dezember 2020 geltenden Fassung).

a.

Jeder Wohnungseigentümer einer Wohnungseigentümergemeinschaft kann (nach bisherigem Recht) einen den Vereinbarungen entsprechenden Gebrauch der im Sondereigentum stehenden Gebäudeteile verlangen (BGH, Urteil vom 15. Dezember 2017 – V ZR 275/16 Rn. 10 m.w.N. zu § 15 Abs. 3 WEG a.F.).

Die Kläger können den Unterlassungsanspruch aus § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB i.V.m. § 15 Abs. 3 WEG a. F. auch individuell geltend machen. Zwar war es der Wohnungseigentümergemeinschaft nach bisherigem Recht möglich, die Durchsetzung entsprechender Ansprüche durch Mehrheitsbeschluss an sich zu ziehen, was zur Folge hat, dass der einzelne Wohnungseigentümer seine Aktivlegitimation verliert (BGH, Urteil vom 5. Dezember 2014 – V ZR 5/14). Dies ist aber weder vorgetragen noch ersichtlich noch naheliegend bei einer Zweier-WEG.

Bisher konnte ein nachteilig betroffener Wohnungseigentümer nach § 1004 Abs. 1 BGB – ebenso wie nach § 15 Abs. 3 WEG a.F. – die Unterlassung oder Beseitigung der Beeinträchtigung des Gemeinschaftseigentums verlangen.

Nach der nunmehr anwendbaren Vorschrift des § 9a Abs. 2 WEG in der seit dem 1. Dezember 2020 geltenden Fassung übt jedoch die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer die sich aus dem gemeinschaftlichen Eigentum ergebenden Rechte aus. Dazu gehören insbesondere Ansprüche aus § 1004 BGB wegen einer Beeinträchtigung des gemeinschaftlichen Eigentums (vgl. BT-Drucks. 19/18791, S. 46).

Allerdings hat der Bundesgerichtshof im Hinblick auf das Übergangsrecht entschieden, dass in den vor dem 1. Dezember 2020 bei Gericht anhängigen Verfahren eine bestehende Prozessführungsbefugnis eines einzelnen Wohnungseigentümers über diesen Zeitpunkt hinaus in Anwendung des Rechtsgedankens des § 48 Abs. 5 WEG fortgilt bis dem Gericht eine schriftliche Äußerung des nach § 9b WEG vertretungsberechtigten Organs über einen entgegenstehenden Willen der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zur Kenntnis gebracht wird (BGH, Urteil vom 7. Mai 2021 – V ZR 299/19, juris Rn. 12 ff.). Dies ist vorliegend nicht erfolgt, sodass die Kläger weiterhin prozessführungsbefugt sind.

b.

Die Nutzung der streitgegenständlichen Erdgeschossräume als Buchhaltungsbüro widerspricht nicht den vereinbarten Gebrauchsregelungen der Wohnungseigentümergemeinschaft.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil vom 15. Dezember 2017 – V ZR 275/16 Rn. 10 m.w.N.) kann jeder Wohnungseigentümer einer Wohnungseigentümergemeinschaft nach § 15 Abs. 3 WEG a. F. einen den Vereinbarungen entsprechenden Gebrauch der im Sondereigentum stehenden Gebäudeteile verlangen. Werden die in der Norm genannten Gebrauchsregelungen nicht eingehalten, liegt darin eine Eigentumsbeeinträchtigung, die Voraussetzung für einen Unterlassungsanspruch gemäß § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB ist.

Maßgebend für die zulässige Nutzung ist die in der Teilungserklärung enthaltene Zweckbestimmung (vgl. zum Ganzen: Bärmann/Suilmann, 15. Aufl. 2023, WEG § 13 Rn. 40–47).

Durch Auslegung ist zu ermitteln, ob überhaupt eine den Gebrauch beschränkende Zweckbestimmung vorliegt und – wenn ja – welchen Inhalt sie hat (BGH NJW-RR 2017, 1042 (1043)). Ist die Zweckbestimmung als Inhalt des Sondereigentums im Grundbuch eingetragen (§ 10 Abs. 3 WEG), so kommt es bei der Auslegung wie bei allen Grundbucheintragungen auf den Wortlaut und Sinn an, wie sich dieser für einen unbefangenen Betrachter als nächstliegende Bedeutung des Eingetragenen (oder zulässigerweise in Bezug Genommenen) ergibt (BGH NZM 2020, 667 (668); NJW 2018, 41 (45); NJW-RR 2017, 1042 (1043); NJW-RR 2017, 462 (463)). Umstände außerhalb der Eintragung können nur herangezogen werden, wenn sie nach den besonderen Verhältnissen des Einzelfalls für jedermann erkennbar sind (BGH NJW-RR 2019, 519 (521); NJW-RR 2017, 1042 (1043)).

Bei der Auslegung sind subjekt...

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