Verfahrensgang

AG Rostock (Urteil vom 31.08.2022; Aktenzeichen 54 C 13/22 WEG)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 19.07.2024; Aktenzeichen V ZR 139/23)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerin zu 1. wird das Urteil des Amtsgerichts Rostock vom 31.08.2022, Az. 54 C 13/22 WEG, auch soweit die Klage der Klägerinnen zu 2. und 3. abgewiesen worden ist, abgeändert:

Der in der Wohnungseigentümerversammlung vom 27.04.2022 unter Tagesordnungspunkt 4 gefasste Beschluss zur Sonderumlage der Kosten des Rechtsstreits …

wird für ungültig erklärt.

2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerinnen vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leisten.

4. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.

Beschluss

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf bis zu 7.000 EUR festgesetzt.

 

Tatbestand

I.

Angefochten ist ein Sonderumlagenbeschluss.

Die Kläger sind Eigentümer jeweils einer von acht Wohnungen, deren Eigentümer die Beklagte bilden. Mit dem Sondereigentum ist jeweils ein Miteigentumsanteil von 1/8 verbunden. Nach § 9 Ziff. 3 Abs. 3 der Gemeinschaftsordnung vom 14.05.2019 werden die Verwaltungskosten zu gleichen Teilen auf die WE-Einheiten umgelegt.

Im Jahr 2021 fochten die Kläger erfolgreich einen Wohnungseigentümerbeschluss an. Nach dem – rechtskräftigen – Urteil des Amtsgerichts Rostock vom 09.11.2021 hatte die Beklagte die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. Zugunsten der Kläger wurden gegen die Beklagte Kosten in Höhe von 3.721,12 EUR festgesetzt (Kostenfestsetzungsbeschluss vom 23.12.2021); die Beklagte hatte darüber hinaus außergerichtliche Kosten in Höhe von 2.672,50 EUR zu zahlen.

Im Rahmen der Eigentümerversammlung vom 27.4.2022 fassten die Wohnungseigentümer mit 5 zu 3 Stimmen folgenden Beschluss:

Die Eigentümer beschließen die Finanzierung der Kosten des Rechtsstreits … in Höhe von 6.393,62 EUR durch eine Sonderumlage. Jedes Sondereigentum hat hierfür einen Betrag von 799,21 EUR zu zahlen. Der Betrag ist 14 Tage nach Beschlussfassung fällig. Eine Erstattung des überzahlten Betrages durch Herrn Rippen wird an die Eigentümer wieder ausgezahlt.

Mit ihrer am 25.5.2022 eingelegten und am 27.6.2022 begründeten Klage haben die Kläger den Beschluss angefochten und insbesondere gerügt, eine Beteiligung der im Vorprozess obsiegenden Eigentümer an den Prozesskosten sei unbillig.

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin zu 1), mit der sie unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens ihr Klageziel weiterverfolgt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die angefochtene Entscheidung und auf die Entscheidung des Amtsgerichts Rostock im Vorprozess (Az.: 55 C 10/21 WEG) verwiesen, dessen Akten die Kammer beigezogen hat, Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Berufung ist zulässig und begründet. Der streitgegenständliche Wohnungseigentümerbeschluss entspricht nicht ordnungsgemäßer Verwaltung.

1.

Stellen sich die Ansätze des Wirtschaftsplans als falsch heraus, sind sie durch neue Tatsachen überholt oder ist der Wirtschaftsplan aus anderen Gründen zum Teil undurchführbar geworden, können die Wohnungseigentümer nach § 28 Abs. 1 S. 1 WEG bereits vor Ablauf des Wirtschaftsjahres über die bereits im Wirtschaftsplan vorgesehenen Vorschüsse hinaus durch Beschluss weitere Zahlungspflichten als Sonderumlage begründen. Die Beiträge zur beschlossenen Sonderumlage sind je nach ihrer Zweckbestimmung gern. § 28 Abs. 1 S. 1 WEG als Vorschüsse zur Kostentragung oder zu einer Rücklage geschuldet. Die aufgrund der Sonderumlage vereinnahmten Beiträge und getätigten Ausgaben sind später in der Jahresabrechnung abzurechnen. Die Sonderumlage muss dem Grunde und der Höhe nach ordnungsmäßiger Verwaltung entsprechen. (Bärmann/Becker, 15. Aufl. 2023, WEG § 28 Rn. 95)

2.

Ob Kosten der Wohnungseigentümergemeinschaft, die ihr infolge einer erfolglosen Verteidigung gegen eine Anfechtungsklage eines Wohnungseigentümers erwachsen sind, „Verwaltungskosten” sind und auf alle Wohnungseigentümer – und auch auf den im Vorprozess obsiegenden und kostenerstattungsberechtigten Wohnungseigentümer – von Gesetzes wegen umgelegt werden können, wird in Rechtsprechung und Literatur differenziert beurteilt.

a.

Unter Hinweis auf § 16 Abs. 5 WEG in der bis zum 30.06.2007 geltenden Fassung (Kosten eines Verfahrens nach § 43 WEG gehören nicht zu den Kosten der Verwaltung im Sinne des Absatzes 2) hat der BGH die Ansicht vertreten, die Kosten eines Verfahrens nach § 43 WEG a.F. dürften nur auf diejenigen Wohnungseigentümer umgelegt werden, die sie gem. § 47 WEG in der bis zum 30.06.2007 geltenden Fassung zu tragen haben; dieser Vorrang der gerichtlichen Kostenentscheidung sei allgemein anerkannt (BGH, Beschluss vom 15.03.2007 – V ZB 1/06, NZM 2007, 358, bec...

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