Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an ein Sachverständigengutachten nach §§ 1904 BGB, 69d Abs. 2 FGG
Leitsatz (amtlich)
1. Das vor der vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung einer Heilbehandlung (vgl. § 1904 BGB) einzuholende Sachverständigengutachten (vgl. § 69d Abs. 2 FGG) muss Aufschluss geben über das mit der Behandlung verbundene konkrete Risiko eines gesundheitlichen Schadens und über den Grad der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts.
2. Ferner muss das Sachverständigengutachten angeben, welcher Erfolg mit der Heilbehandlung erzielt werden kann.
3. Das Gericht hat dann bei seiner Entscheidung eine Abwägung zu treffen unter Berücksichtigung der Behandlungsrisiken einerseits und des Ziels sowie des wahrscheinlichen Erfolgs der Heilbehandlung andererseits.
4. Die gerichtliche Genehmigung einer medizinischen Behandlung mit Neuroleptika ist zu unbestimmt.
Normenkette
BGB §§ 1904, 1906 Abs. 1 Nr. 2; FGG §§ 19-20, 69d Abs. 2
Verfahrensgang
AG Ottweiler/Saar (Beschluss vom 06.02.2009) |
Tenor
Der Beschluss des Amtsgerichts Ottweiler vom 06.02.2009 wird aufgehoben. Die Sache wird zur Fortsetzung des Verfahrens an das Amtsgericht Ottweiler zurückverwiesen.
Tatbestand
I.
Für die Betroffene wurde mit Beschluss des Amtsgerichts Ottweiler vom 27. Januar 2005 (Bl. 26 d.A.) eine Betreuung in den folgenden Aufgabenkreisen eingerichtet:
- Vermögenssorge,
- Geltendmachung von Ansprüchen auf Rente und Sozialhilfe,
- Entscheidung über den Fernmeldeverkehr und über die Entgegennahme, das Öffnen und das Anhalten ihrer Post,
- Behörden- und Wohnungsangelegenheiten.
Mit Beschluss vom 31. Mai 2005 wurde die Betreuung auf die Aufgabenkreise „Sorge für die Gesundheit” und „Aufenthaltsbestimmung” erweitert (Bl. 64 d.A.). Seit dem 3. August 2008 ist Frau Rechtsanwältin … Betreuerin der Betroffenen (Bl. 78 d.A.).
Seit Oktober 2008 berichtet die Betreuerin über eine wesentliche Verschlechterung des Zustandes der Betroffenen. Während der Zustand der Betroffenen über drei Jahre stabil gewesen sei, beginne er sich seit einem Monat zusehends zu verschlechtern. Die Betroffene fühle sich beobachtet. Es komme zu Konflikten mit den Vermietern, denen sie unterstelle, sie würden ihre Wohnung betreten und sie bestehlen. Sie habe so gut wie zu niemandem mehr Zugang und lehne eigentlich alle Menschen in ihrem Umfeld ab. Sie habe sich zwischenzeitlich völlig zurückgezogen. Sie gehe nicht mehr einkaufen und hole auch nicht mehr die Post aus dem Briefkasten. Sie verweigere die Annahme von Geld, sei deshalb mittellos und nicht in der Lage, ihre Versorgung mit Lebensmitteln sicherzustellen. Sie heize ihre Wohnung nicht mehr, weil sie die völlig unbegründete Angst hege, es könne Gas austreten. Sie wasche nicht mehr und weigere sich, den Keller zu betreten.
Mit Beschluss vom 2. Dezember 2008 hat das Amtsgericht im Wege der einstweiligen Anordnung sofort wirksam die vorläufige Unterbringung der Betroffenen in einer geschlossenen Einrichtung bis längstens 30.12.2008 genehmigt (Bl. 398 d.A.).
Mit Schreiben vom 17. Dezember 2008 hat die Betreuerin die Verlängerung der Unterbringungsgenehmigung beantragt. Gleichzeitig hat sie darum ersucht,
die zwangsweise Zuführung von Medikamenten in Form von Neuroleptika gegen den Willen der Betroffenen vormundschaftsgerichtlich zu genehmigen (Bl. 424 d.A.).
Die Betreuerin hat ausgeführt, die Betroffene sei behandlungsbedürftig. Eine Besserung ihres Gesundheitszustandes scheitere jedoch daran, dass sie keine Krankheitseinsicht habe und die Einnahme der erforderlichen Medikamente verweigere.
Mit Beschluss vom 29. Dezember 2008 hat das Amtsgericht im Wege der einstweiligen Anordnung sofort wirksam die vorläufige Unterbringung der Betroffenen in einer geschlossenen Einrichtung bis längstens 26.01.2009 genehmigt (Bl. 456 d.A.).
Mit Beschluss vom 27. Januar 2009 hat das Amtsgericht im Wege der einstweiligen Anordnung sofort wirksam die vorläufige Unterbringung der Betroffenen in einer geschlossenen Einrichtung bis längstens 26.04.2009 genehmigt (Bl. 456 d.A.).
Mit dem hier verfahrensgegenständlichen Beschluss vom 6. Februar 2009 hat das Amtsgericht die Einwilligung der Betreuerin in die beabsichtigte Maßnahme, nämlich zwangsweise Vergabe einer Neuroleptika-Medikation vormundschaftsgerichtlich genehmigt (Bl. 501 d.A.).
Dabei hat das Amtsgericht ausgeführt, die Betroffene sei einwilligungsunfähig und es bestehe das Risiko, dass sie aufgrund der Heilmaßnahme sterbe oder einen schweren länger andauernden gesundheitlichen Schaden erleide. Eine Abwägung dieser Gefahren und dem möglichen Erfolg der Maßnahme ergebe, dass die Behandlung dem Wohle der Betroffenen diene, da die Vorteile für sie die gegebenen Risiken überwögen.
Gegen diesen Beschluss hat die Betroffene am 10. Februar 2009 zu Protokoll des Betreuungsrichters des Amtsgerichts Ottweiler Beschwerde eingelegt. Die Betroffene hat ausgeführt, sie benötige keine Medikamente. Sie wolle auch einen neuen Betreuer.
Das Amtsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem erkennenden...