Entscheidungsstichwort (Thema)

Insolvenz des Gewerberaummieters: Räumungsanspruch des Vermieters und Behandlung von Räumungskosten

 

Leitsatz (amtlich)

1. In der Insolvenz des Mieters beschränkt sich der Beräumungsanspruch des Vermieters nach § 546 BGB auf einen Herausgabeanspruch.

2. Räumungskosten, die bis zur Eröffnung des Verfahrens entstanden sind, können nur als Insolvenzforderungen geltend gemacht werden; nur für danach anfallende (zusätzliche) Kosten haftet die Masse.

 

Tenor

1. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.992,81 € nebst Jahreszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 18. Oktober 2001 zu zahlen.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.

4. Das Urteil ist für den Beklagten gegen Sicherheitsleistung i. H. v. 110 % des beizutreibenden Betrages und für den Kläger ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

5. und beschlossen:

6. Der Streitgegenstandswert wird auf 11.292,59 € festgesetzt.

 

Tatbestand

Der Kläger verlangt die Herausgabe und Beräumung eines Mietobjektes sowie die Zahlung ausstehenden Mietentgelts.

Der Beklagte wurde mit Beschluss des Amtsgerichts Stendal vom 30. Juli 2001 zum Insolvenzverwalter über das Vermögen der H. GmbH bestellt. Der Kläger vermietete im Jahr 1999 an die seinerzeit noch werbend tätige Schuldnerin Gewerberäume in der B-Str. 9 in Stendal zu einem monatlichen Entgelt einschließlich pauschalierter Nebenkosten von 1.299,20 DM, das zum 3. Werktag eines jeden Monats fällig wurde. Da der Beklagte die Miete für die Monate August bis Oktober 2001 nicht zahlte, kündigte der Kläger ihm am 29. Oktober 2001 und forderte ihn auf, die Räumlichkeiten binnen 10 Tagen zu räumen. Der Beklagte erkannte den Herausgabeanspruch des Klägers vorgerichtlich an und stellte dem Kläger frei, das Objekt in Besitz zu nehmen. Die Schlüssel wurden dem Kläger nicht ausgehändigt.

Der Kläger behauptet, der Beklagte habe von den Geschäftsführern die Schlüssel für die Mietsache erhalten und Besitz an den Räumen ergriffen. Ferner habe er sich verpflichtet, die Räumung durchzuführen und damit die Geschäftsführer der Schuldnerin beauftragt.

Der Kläger beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger die im Haus B-Str. 9 in Stendal im Erdgeschoss rechts vom Eingang gelegenen zwei Büroräume nebst Eingangsbereich und Sozialraum sowie das Lager und vier auf dem Vorder-/ Hinterhof gelegene Pkw-Abstellplätze geräumt herauszugeben;

den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 3.321,35 € nebst 5 % Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 18. Oktober 2001 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt unter Anerkenntnis der Mietzinsforderung für die Monate August bis Oktober 2001 in Höhe von € 1.992,81.

die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt

hinsichtlich des Anerkenntnisses den Erlass eines entsprechendes Teilanerkenntnisurteils.

Hinsichtlich der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die Schriftsätze der Prozessbevollmächtigten sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen. Die Kammer hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen H. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 13. November 2002 (Bl. 91 d.A.) verwiesen.

 

Entscheidungsgründe

Der Kläger kann die Beräumung und die Herausgabe der Mietsache mit Schlüsseln aus keinem Rechtsgrund verlangen.

Ein Anspruch nach § 546 Abs. 1 BGB, Art. 229 § 3 EGBGB steht dem Kläger insoweit gegen den Beklagten nicht zur Seite.

Im Einzelnen:

1.1. Das zwischen dem Kläger und der Schuldnerin bestehende Mietverhältnis wirkte gemäß § 108 Abs. 1 InsO auch nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens mit Wirkung für die Masse zunächst fort. Es wurde durch die fristlose Kündigung des Klägers am 29. Oktober 2001 beendet. Die Kündigung ist nach § 543 Abs. 1, Abs. 2 Ziff. 3 lit. a BGB; Art. 229 § 3 Abs. 1 Ziff. 1 EGBGB wirksam, weil der Beklagte die Miete für August und September 2001 nicht gezahlt hat. § 112 InsO steht der Wirksamkeit der Kündigung nicht entgegen, da der Mietrückstand für eine Zeit nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens aufgelaufen ist.

1.2.1. Nach der Beendigung des Mietverhältnisses hat der Mieter grundsätzlich die Mietsache zurückzugeben. Die Rückgabe erfolgt dabei grundsätzlich durch die Rückgabe aller Schlüssel und die Einräumung des unmittelbaren Besitzes, selbst wenn der Mieter weder mittelbaren noch unmittelbaren Besitz hatte. Der Vermieter braucht sich nicht darauf verweisen zu lassen, er könne selbst die besitzenden Dritten - hier: die ehemaligen Geschäftsführer der Schuldnerin - in Anspruch nehmen (BGHZ 56, 308, 310 f.). Grundsätzlich hat der Mieter nach § 546 Abs. 1 BGB die Mietsache auch zu beräumen. Eingebrachte Sachen sind zu entfernen (Palandt, BGB, 61. Aufl., § 546 Rn. 4 f.). Im vorliegenden Fall ist die Herausgabe- und Beräumungspflicht des Beklagten, der nach § 108 InsO in das Mietverhältnis eingetreten ist, jedoch nach Maßgabe der insolvenzrechtlichen Vorschriften beschränkt.

1. a) ...

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