1 Leitsatz

Eine Majorisierung, die es dem Versammlungsleiter gestattet, die Stimme des Mehrheitseigentümers nicht zu berücksichtigen, liegt nur dann vor, wenn die Art und Weise der Stimmrechtsausübung die übrigen Eigentümer so offenkundig und ohne jeden Zweifel in treuwidriger Weise benachteiligt, dass der Ausgang eines gerichtlichen Verfahrens nicht abgewartet werden kann.

2 Normenkette

§ 25 WEG

3 Das Problem

Es geht um die Bestellung eines neuen Verwalters. Wohnungseigentümer K stehen 2.752 der insgesamt 3.317 Stimmen zu (es gilt das Objektprinzip). Vor der Versammlung erteilt K dem Verwalter V eine gebundene Vollmacht. Der Verwalter soll nur gegenüber dem von K gewollten Verwalter mit "Ja" und daher gegenüber Verwalter X mit "Nein" stimmen. Der Versammlungsleiter meint, es liege eine Majorisierung vor. Da er die Stimmen des K also ignoriert, stellt er fest, X sei bestellt. Dagegen wendet sich K. Seine tatsächliche Stimmenmehrheit reiche für die Annahme einer rechtsmissbräuchlichen Majorisierung nicht aus. Es lägen jedenfalls keine besonderen Umstände vor, die dies begründen würden.

4 Die Entscheidung

Das AG sieht das auch so! Der Versammlungsleiter habe die Stimmen des K zu Unrecht bei der Beschlussfassung und -feststellung nicht berücksichtigt. Ein Fall der Majorisierung, also ein rechtsmissbräuchliches Abstimmungsverhalten des Mehrheitseigentümers, liege nicht vor. Grundsätzlich seien die Mehrheitsverhältnisse von den anderen Wohnungseigentümern hinzunehmen. Die Gemeinschaftsordnung sei bei Erwerb des Wohneigentums bekannt, über die Nachteile und Gefahren des Objektprinzips könne man sich informieren. Dass die eigene Meinung gegebenenfalls überstimmt werde, sei auch anderen Regelungen der Entscheidungsfindung in einer Gemeinschaft immanent. Eine Kontrolle solcher Beschlüsse sei durch das Instrument der Anfechtungsklage oder einer anderen Beschlussklage möglich.

Für die Annahme einer Majorisierung reiche es nicht aus, dass der mit den Stimmen eines Mehrheitseigentümers gefasste Beschluss einer ordnungsmäßigen Verwaltung widerspreche oder ein Wohnungseigentümer aufgrund seines Stimmenübergewichts Beschlussfassungen blockiere. Vielmehr müsse die Art und Weise der Stimmrechtsausübung die übrigen Wohnungseigentümer so offenkundig und ohne jeden Zweifel in treuwidriger Weise benachteiligen, dass der Ausgang eines gerichtlichen Verfahrens nicht abgewartet werden könne. Ausreichende Anhaltspunkte hierfür habe die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer weder vorgetragen noch seien diese ersichtlich.

5 Hinweis

Problemüberblick

Im Fall geht es um die Frage, ob ein Wohnungseigentümer die anderen Wohnungseigentümer bei der Abgabe seiner Stimme "majorisiert" hat.

Majorisierung

Für die Annahme einer Majorisierung bedarf es aufseiten des Majorisierenden zum einen einer Mehrheit der Stimmen. Zum Stimmenübergewicht müssen dann weitere Umstände hinzutreten, die sich als Verstoß gegen die Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Interessen der Gesamtheit der Wohnungseigentümer und damit gegen die Grundsätze ordnungsmäßiger Verwaltung darstellen. Weitere Umstände können zum Beispiel vorliegen, wenn sich der Mehrheitseigentümer "unangemessene" Vorteile verschafft oder ein persönlich ungeeigneter Verwalter gewählt wird. Eine Majorisierung ist vor allem bei Vereinbarung eines Objekt- oder Wertstimmrechts möglich, aber nicht zwingend. Dass sich der Mehrheitseigentümer für eine bestimmte Verwaltung entscheidet, stellt in aller Regel und so auch im Fall noch keine Majorisierung dar.

Was ist für die Verwaltung besonders wichtig?

Der BGH hat zur Majorisierung zuletzt im Zusammenhang mit der Bestellung eines Verwalters ausgeführt. Diese Entscheidung sollte den Verwaltungen bekannt sein. Es ging um einen Fall, in dem sich ein Wohnungseigentümer mit seinen Stimmen für 5 Jahre gegen eine Vergütung von 25 EUR pro Wohnung und Monat zum Verwalter bestellt hatte (BGH, Urteil v. 21.7.2023, V ZR 215/21). Bei Rn. 13 heißt es dort wie folgt: "Nicht auszuschließen ist indes eine Anfechtbarkeit des Beschlusses unter dem Gesichtspunkt der Majorisierung. Zwar war das Stimmrecht des Beklagten bei der Beschlussfassung über seine Bestellung zum Verwalter nicht ausgeschlossen. Die Belange der Klägerin sind in diesem Fall aber unter anderem durch den stets zu beachtenden Grundsatz von Treu und Glauben und den Anspruch auf ordnungsmäßige Verwaltung zu wahren. Es versteht sich in diesem Zusammenhang jedenfalls nicht von selbst, dass sich ein Mehrheitseigentümer, der nicht professioneller Verwalter ist, gegen den Willen der Minderheit selbst zum Verwalter bestellen darf. Dies wird ordnungsmäßiger Verwaltung in der Regel dann nicht entsprechen, wenn ein professioneller Verwalter zur Verfügung steht. Im Übrigen wird es auf die Umstände des Einzelfalls ankommen. Dabei ist insbesondere zu prüfen, ob der Mehrheitseigentümer persönlich und fachlich geeignet ist; Letzteres zieht die Revision, nicht zuletzt mit Blick auf die Jahresabrechnung 2019 (TOP 5), in Zweifel. Auch erscheint es dem Senat zweifelhaft, ob es ordnungsmäßiger Verwaltung entspri...

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