Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsmissbräuchliche Verfolgung von Verstößen gegen die so genannte Öko-Verordnung durch Mitbewerber
Leitsatz (amtlich)
Wenn ein Mitbewerber in seiner Abmahnung wegen dreier Verstöße gegen die so genannte Öko-Verordnung eine Vertragsstrafe in Höhe von 10.000 EUR pro Verletzungsfall fordert und die Erstattung außergerichtlicher Kosten auf der Basis eines Geschäftswerts in Höhe von 100.000 EUR verlangt, so liegt der Geschäftswert zwar deutlich über dem gemäß § 51 GKG als angemessen anzusehenden Rahmen. Trotzdem können die dargestellten Umstände den Vorwurf einer rechtsmissbräuchlichen Rechtsverfolgung gemäß § 8c Abs. 2 Nr. 3 und Nr. 4 UWG nicht begründen (Rn. 12 - 15)
Normenkette
GKG § 51 Abs. 2; UWG §§ 3, 3a, 8c Abs. 2 Nrn. 3-4, § 13a Abs. 3; EGV 834/2007 Art. 28 Abs. 1 Buchst. b
Verfahrensgang
LG Würzburg (Beschluss vom 17.12.2020; Aktenzeichen 1 HK O 2375/20) |
Tenor
1. Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Landgerichts Würzburg vom 17.12.2020, Az. 1 HK O 2375/20, aufgehoben.
2. Der Antragsgegnerin wird es unter Androhung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgelds von bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft von bis zu 6 Monaten, im Wiederholungsfall bis zu 2 Jahren, zu vollstrecken an ihrem Geschäftsführer, untersagt,
a) landwirtschaftliche Erzeugnisse, die zur Verwendung als Lebensmittel bestimmt sind, im Internet als ökologische/biologische Erzeugnisse unter der Bezeichnung "bio", etwa wie in Anlage AST 4 anzubieten oder in den Verkehr zu bringen, ohne hierfür dem Kontrollsystem nach Art. 27 VO(EG) Nr. 834/2007 unterstellt zu sein und/oder
b) landwirtschaftliche Erzeugnisse, die zur Verwendung als Lebensmittel bestimmt sind, mit dem in Art. 25 Abs. 1, 3 VO(EG) Nr. 834/2007 genannten Gemeinschaftslogo oder einem nationalen oder privaten Logo nach 25 Abs. 2 VO(EG) Nr. 834/2007, wie in Anlage AST 4 S. 2 bis 4, anzubieten oder in den Verkehr zu bringen, ohne hierfür dem Kontrollsystem nach Art. 27 VO(EG) Nr. 834/2007 unterstellt zu sein.
3. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.
4. Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 30.0000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I. 1. Die Antragstellerin hat folgenden Sachverhalt glaubhaft gemacht:
Die Parteien sind Wettbewerber auf dem Gebiet des Vertriebs von Werbemitteln. Die Antragstellerin beschäftigt laut ihrer eigenen Darstellung rund 100 Mitarbeiter, die Antragsgegnerin bei einem Jahresumsatz von 1,3 Mio. EUR sechs Mitarbeiter.
Die Antragsgegnerin bietet im Internet verschiedene Artikel mit der Bezeichnung "Bio" bzw. "Öko" an, unter anderem "Bio Kräuter Triple", "Bio-Bärchen" und "Bio Chia-Riegel". Hierbei handelt es sich um landwirtschaftliche Erzeugnisse, die zur Verwendung als Lebensmittel bestimmt sind (Anlage A4). Jeder Unternehmer, der solche Erzeugnisse in den Verkehr bringt, ist verpflichtet, sich eines dafür eingerichteten Kontrollsystems zu unterwerfen, bevor er solche Erzeugnisse auf den Markt bringt. Dies ist bei der Antragsgegnerin jedoch nicht der Fall.
Mit Schreiben ihres anwaltlichen Vertreters vom 03.12.2020 forderte die Antragstellerin die Antragsgegnerin zur Abgabe einer Unterlassungserklärung bei Zahlung einer Vertragsstrafe von 10.000,00 EUR und Erstattung der Kosten der anwaltlichen Tätigkeit in Höhe einer 1,3 Gebühr auf der Basis eines Gegenstandswerts von 100.000,00 EUR auf (Anlage A6). Dies lehnte die Antragsgegnerin ab.
2. Am 17.12.2020 beantragte die Antragstellerin beim Landgericht Würzburg den Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen den Antragsgegner mit dem Ziel, die tenorierte Unterlassungsverfügung zu erlassen.
3. Das Landgericht hat mit dem angefochtenen Beschluss vom 17.12.2020 den Erlass der beantragten einstweiligen Verfügung zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass die Antragstellerin rechtsmissbräuchlich vorgehe. Sie lege einen überhöhten Gegenstandswert zugrunde. Angemessen seien statt 100.000,00 EUR nur 45.000,00 EUR. Auch die geforderte Vertragsstrafe sei überhöht, weil hier nicht mehr als 5.000,00 EUR hätten verlangt werden dürfen.
4. Der hiergegen gerichteten sofortigen Beschwerde der Antragstellerin hat das Landgericht mit Beschluss vom 14.01.2021 nicht abgeholfen.
II. Die nach §§ 936, 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO statthafte und auch sonst zulässige (§ 569 ZPO) Beschwerde hat in der Sache Erfolg und führt zu der aus der Beschlussformel ersichtlichen Aufhebung der erstinstanzlichen Entscheidung und Erlass der beantragten einstweiligen Verfügung.
1. Der Verfügungsantrag ist zulässig, insbesondere nicht rechtsmissbräuchlich.
Ein rechtsmissbräuchliches Vorgehen ist nur dann anzunehmen, wenn die vollständige Betrachtung der gesamten Umstände ergibt, dass der Anspruchsberechtigte mit der Geltendmachung des Anspruchs überwiegend sachfremde, für sich gesehen nicht schutzwürdige Interessen und Ziele verfolgt und diese als die eigentliche Triebfeder und das beherrschende Motiv der V...