Keine irreführende Nachhaltigkeitswerbung bei Geldanlagefonds
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Nachhaltige Anlagefonds boomen zurzeit. Die Zahl der Anleger, denen bei der Geldanlage die Themen Umwelt und Klimaschutz wichtig sind, steigt stetig. Entsprechend wachsen die Angebote der Kreditinstitute und Fondsgesellschaften an angeblich dem Klima und dem Umweltschutz dienende Geldanlagen. Verbraucherschützer monieren, dass viele dieser angeblich nachhaltigen Anlagemodelle mit unrichtigen oder jedenfalls nicht beweisbaren vorgeblichen Vorteilen für Klimaschutz und Umwelt beworben werden und damit bei potenziellen Anlegern unrichtige Vorstellungen über die Auswirkungen ihrer Geldanlage auf die Umwelt wecken.
Klage gegen Fondsgesellschaft „Commerz Real“
Die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg (VZ BW) hat die Fondsgesellschaft „Commerz Real“ vor dem LG Stuttgart wegen der Art der Bewerbung des Finanzprodukts „klimaVest Impact Fonds“ auf Unterlassung verklagt. Es ging um die u.a. auf der Internetseite des Anbieters getätigte Werbeaussage, der Anleger könne mit einer Geldanlage in dieses Finanzprodukt „messbar Klima schützen“. Darüber hinaus enthielt die Internetseite einen CO2-Rechner, mit welchem der Anleger seinen persönlichen CO2-Fußabdruck errechnen konnte und anschließend präzise Zahlenangaben zu den Auswirkungen einer Geldanlage auf seinen persönlichen CO2-Fußabdruck infolge der mit der Geldanlage bewirkten CO2-Einsparung an anderer Stelle erhielt.
Unbelegte Nachhaltigkeitswerbung ist Irreführung der Verbraucher
Das LG bewertete diese Werbeaussagen als Irreführung des Verbrauchers und damit als einen Verstoß gegen § 5 Abs. 1 Satz 1 UWG. Die auf konkreten Berechnungen fußenden Zahlenangaben zur Reduktion des persönlichen CO2-Fußabdrucks sind nach Auffassung des Gerichts zu spekulativ. So sei die werbliche Ankündigung, dass eine Geldanlage in der beworbenen Form geeignet sei, den persönlichen CO2-Fußabdruck um 3,5 t zu reduzieren, eindeutig irreführend.
Strenge Maßstäbe an umweltbezogene Werbung
Bei umweltbezogener Werbung sind nach dem Urteil des LG strenge Maßstäbe im Hinblick auf mögliche unrichtige Verbrauchervorstellungen anzulegen. Dies gelte insbesondere dann, wenn – wie im konkreten Fall – die versprochene CO2-Vermeidung ein wesentliches Merkmal des beworbenen Investmentfonds sei. Zwar enthalte das Portfolio des Fonds Investitionen in Solar- und Windkraftanlagen, die grundsätzlich geeignet seien, den CO2- Ausstoß zu reduzieren. Eine exakte Angabe des Einsparpotenzials in Zahlen sei aber mit großen Unsicherheiten behaftet, da die tatsächliche Einsparung an Treibhausgasen in der Realität starken Schwankungen unterliegen könne.
Häufung umweltbezogener Begriffe führt zur Verbrauchertäuschung
Das Gericht beanstandete ferner die in der Internetwerbung häufig verwendeten Begriffe wie „Bio“, „umweltschonend“ oder „umweltfreundlich“. Die Umweltfreundlichkeit der in dem Fonds enthaltenen Anlagen und Produkte gehe im Vergleich zu „normalen“ Anlageportfolios nur in beschränktem Maße über deren Umweltverträglichkeit hinaus. Angesichts der verwendeten unklaren Begrifflichkeiten bestehe auch insoweit eine erhebliche Gefahr der Irreführung des durchschnittlichen Publikums.
Klare Grenzen für „Greenwashing“
Mit diesen Argumenten gab das LG im Unterlassungsbegehren der VZ BW statt. Im Ergebnis setzt das Urteil den Anbietern von nachhaltigen Geldanlagefonds damit klare Grenzen für das sogenannte „Greenwashing“ ihrer Anlageangebote durch übermäßige Ankündigungen positiver Auswirkungen auf Klima und Umwelt.
Gewinner und Verlierer begrüßten das Urteil
Die „Commerz Real“ betonte, mit dem Urteil des LG zufrieden zu sein, da das Gericht mit der Urteilsbegründung nun die erforderliche Rechtssicherheit hergestellt habe. Die Angaben auf ihrer Website habe sie bereits im letzten Jahr so geändert, wie dies das Urteil jetzt fordere. Dies sehen die Vertreter der VZ BW anders und beanstanden, auch die aktuell auf der Website verwendeten Werbeaussagen suggerierten immer noch eine nicht belegte Umweltfreundlichkeit der beworbenen Geldanlagen.
(LG Stuttgart, Urteil vom 31.1.2022, 36 O 92/21 KfH)
Hintergrund:
Die Anlagen in nachhaltige Geldanlagen sind im vergangenen Jahr um ca. 30 % gestiegen. Es handelt sich damit um einen sogenannten Meta-Wachstumsmarkt. Trotz des stetig wachsenden Angebots an nachhaltigen Geldanlagen hat der Gesetzgeber bisher nicht definiert, unter welchen Voraussetzungen Geldanlagen nachhaltig sind.
Gesetzliche Vorgaben fehlen weitgehend
Die am 10.3.2021 in Kraft getretene Offenlegungsverordnung der EU, der EU-Aktionsplan zur Umsetzung des Pariser Klimaabkommens und der UN-Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung (SFDR) sowie die zurzeit im Zusammenhang mit der Frage der Nachhaltigkeit der Kernkraft in den Medien viel diskutierten Taxonomiebestimmungen der EU enthalten lediglich allgemeine Transparenz- und Klassifizierungskriterien. Die Öko-VO der EU (EG 834/2007) schützt umweltrelevante Begriffe wie „biologisch“, „ökologisch“ und deren Kurzformen wie „Bio“ oder „Öko“.
Keine allgemeingültigen Kriterien für Nachhaltigkeitsfonds
Die Kriterien für die Nachhaltigkeitsbewertung ihrer Fonds bestimmen die Fondsgesellschaften selbst. Hierbei können neben ökologischen Kriterien auch ethische und soziale Kriterien eine Rolle spielen. Da das jeweilige Anlageportfolio in der Regel unterschiedliche Unternehmen, auch in unterschiedlichen Staaten, einbezieht, ist die Bewertung einer Anlage als nachhaltig oder umweltfreundlich in der Praxis äußerst schwierig. Häufig beruht die Einstufung auf den sogenannten ESG-Bewertungen (Environment, Social und Governance) von Ratingagenturen, die aber ebenfalls für den Verbraucher kaum zu überprüfen sind.
Gerichte können wettbewerbsrechtliche Grenzen zulässiger Werbung ziehen
Aktuell sind die Gerichte nur eingeschränkt in der Lage, rechtswirksam Grenzen für die Bewerbung von Nachhaltigkeitsfonds anhand des Kriteriums der Irreführung der Verbraucher im Rahmen des UWG zu ziehen. Dies hat das LG Stuttgart in seinem Urteil getan.
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