Normenkette
ZPO § 922 Abs. 2, § 929 Abs. 2, § 936
Verfahrensgang
LG Aschaffenburg (Aktenzeichen 1 HKO 85/01) |
Tenor
I. Die Verfügungsbeklagte hat die Kosten des Rechtsstreits in beiden Rechtszügen zu tragen.
II. Der Wert des Streitgegenstandes im Berufungsverfahren beträgt 100.000 DM.
Gründe
I. Nach den übereinstimmenden Erledigungserklärungen der Parteien ist über die Kosten des Rechtsstreits gem. § 91a Abs. 1 ZPO unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu entscheiden. Das führt zur Auferlegung der Kosten beider Rechtszüge auf die Verfügungsbeklagte, weil die Berufung der Verfügungsklägerin aller Voraussicht nach erfolgreich gewesen wäre.
1. Das LG A. hat in dem angefochtenen Urteil vom 16.8.2001 seine Beschlussverfügung vom 3.5.2001 aufgehoben mit der Begründung, die Verfügungsklägerin habe diese einstweilige Verfügung der Verfügungsbeklagten nicht innerhalb der am 5.6.2001 abgelaufenen Vollziehungsfrist (§§ 936, 929 Abs. 2 ZPO) wirksam zugestellt. Dem kann nicht gefolgt werden.
a) Wird eine einstweilige Verfügung durch Beschluss erlassen, hat der Gläubiger dem Schuldner innerhalb der Vollziehungsfrist eine Ausfertigung oder eine beglaubigte Abschrift des Beschlusses zuzustellen (§§ 936, 929 Abs. 2, 170 ZPO; vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 22. Aufl., § 929 Rz. 12). Eine beglaubigte Abschrift ist eine Zweitschrift – die auch eine Kopie sein kann – der Urschrift (Zöller/Stöber, ZPO, 22. Aufl., § 170 Rz. 8). Zur Beglaubigung befugt sind bei Zustellungen im Parteibetrieb der die Zustellung bewirkende Rechtsanwalt und der Gerichtsvollzieher. Besteht das zuzustellende Schriftstück aus mehreren zusammengehefteten Blättern, reicht es aus, dass sich der Beglaubigungsvermerk auf der letzten Seite befindet (Zöller/Stöber, ZPO, 22. Aufl., § 170 Rz. 8, 11 und 12).
Die Voraussetzungen für eine wirksame Zustellung sind vorliegend erfüllt. Die Verfügungsklägerin hat der Verfügungsbeklagten selbst am 3.5.2001 durch den Gerichtsvollzieher eine Abschrift (Kopie) der ihrem Prozessbevollmächtigten vom Gericht zugestellten Ausfertigung des Beschlusses vom selben Tag zugestellt; das ergibt ein Vergleich der den Parteien jeweils zugestellten und in der mündlichen Verhandlung des LG vom 16.8.2001 übergebenen Schriftstücke. Die der Verfügungsbeklagten zugestellte Abschrift der Ausfertigung ist mit einer vom Prozessbevollmächtigten der Verfügungsklägerin beglaubigten Abschrift des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vom 2.5.2001 zusammengeheftet. Der vom Gerichtsvollzieher unterschriebene und mit seinem Dienstsiegel versehene Beglaubigungsvermerk befindet sich auf der letzten Seite der miteinander verbundenen Blätter. Bei dieser Sachlage ist ein dem zugestellten Schriftstück anhaftender Mangel entgegen der Auffassung des LG nicht feststellbar; es sind vielmehr in zulässiger Weise vom Gerichtsvollzieher beglaubigte Abschriften der Ausfertigung der Beschlussverfügung und der Antragsschrift zugestellt worden.
b) Die Verfügungsbeklagte kann sich nicht darauf berufen, dass die an sie selbst gerichtete Zustellung wegen Verstoßes gegen § 176 ZPO wirkungslos sei, weil ihr anwaltschaftlicher Vertreter mit vorprozessualem Schreiben vom 27.4.2001 seine Prozessbevollmächtigung für ein etwaiges Hauptsacheverfahren angezeigt habe, und eine wirksame Zustellung an den Prozessbevollmächtigten nicht stattgefunden habe.
Die Verfügungsklägerin hat dem Prozessbevollmächtigten der Verfügungsbeklagten unstreitig am 9.5.2001 eine von ihrem Prozessbevollmächtigten beglaubigte Abschrift des Beschlusses vom 3.5.2001, die nicht mit dem Ausfertigungsvermerk des Gerichts versehen ist, zugestellt. Es kann dahinstehen, ob dem zugestellten Schriftstück ein Mangel anhaftet und ob dieser nach § 187 S. 1 ZPO geheilt ist (vgl. dazu Zöller/Stöber, ZPO, 22. Aufl., § 187 Rz. 7; Zöller/Vollkommer, ZPO, 22. Aufl., § 926 Rz. 14; Stein/Jonas/Roth, ZPO, 21. Aufl., § 187 Rz. 9), weil die Zustellung an die Verfügungsbeklagte selbst wirksam war. Dem stehen die §§ 82, 176 ZPO nicht entgegen. Nach § 176 ZPO müssen alle Zustellungen im Parteibetrieb und von Amts wegen, die in einem anhängigen Rechtsstreit bewirkt werden sollen, an den für den Rechtszug bestellten Prozessbevollmächtigten erfolgen. Da der anwaltschaftliche Vertreter der Verfügungsbeklagten aber vorprozessual nur mitgeteilt hat, er sei für ein etwaiges Hauptsacheverfahren prozessbevollmächtigt, und das Verfahren der einstweiligen Verfügung nicht zum Rechtszug des Hauptsacheverfahrens gehört (vgl. § 178 ZPO), sondern ein selbstständiges Verfahren darstellt, ist § 176 ZPO vorliegend nicht anwendbar. Deshalb konnte die Verfügungsklägerin die Beschlussverfügung wirksam entweder der Verfügungsbeklagten selbst oder – wegen § 82 ZPO – dem für ein etwaiges Hauptsacheverfahren bevollmächtigten Rechtsanwalt zustellen (ganz h.M., der sich der Senat anschließt; vgl. OLG Frankfurt v. 1.9.1983 – 16 U 202/83, MDR 1984, 58; RGZ 45, 364 [366]; Stein/Jonas/Roth, ZPO, 21. Aufl., § 178 Rz. 4; Tho...