Leitsatz (amtlich)

Die bloße Annahme, dass ein Betroffener angesichts zu erwartender, im Widerspruch zu seiner Einlassung stehender Beweiserhebungen seinen zuvor mitgeteilten Entschluss zum Schweigen in der Hauptverhandlung revidieren wird, ist rein spekulativ und reicht nicht aus, ihm die Befreiung von der Pflicht zum persönlichen Erscheinen zu verweigern.

 

Verfahrensgang

AG Garmisch-Partenkirchen (Entscheidung vom 20.04.2009; Aktenzeichen 2 OWi 55 Js 2314/09)

 

Tenor

  • I.

    Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Garmisch-Partenkirchen vom 20. April 2009 wird zugelassen.

  • II.

    Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Garmisch-Partenkirchen vom 20. April 2009 mit den Feststellungen aufgehoben.

  • III.

    Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht Garmisch-Partenkirchen zurückverwiesen.

 

Gründe

I.

Der Zweckverband Kommunale Verkehrssicherheit Oberland hat mit Bußgeldbescheid vom 08.12.2008 gegen den Betroffenen wegen einer am 26.09.2008 als Führer eines Pkws begangenen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaften um 7 km/h eine Geldbuße von 15,00 EUR festgesetzt. Den hiergegen gerichteten Einspruch des Betroffenen hat das Amtsgericht am 20.04.2009 wegen unentschuldigten Ausbleibens des Betroffenen gem. § 74 Abs. 2 OWiG verworfen.

Mit seiner gegen diese Entscheidung gerichteten Rechtsbeschwerde, deren Zulassung er beantragt, macht der Betroffene die Verletzung formellen und materiellen Rechts geltend und rügt u.a. mit dem Vorbringen, das Amtsgericht habe gestellten Anträgen, den Betroffenen von der Pflicht zur Anwesenheit in der Hauptverhandlung zu entbinden, entgegen § 73 Abs. 2 OWiG nicht entsprochen, die Verletzung rechtlichen Gehörs.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist gem. § 80 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 1 Nr. 2 OWiG zuzulassen, weil es aus den nachfolgenden Gründen geboten ist, das Urteil wegen Versagung des rechtlichen Gehörs aufzuheben.

1.

Nach dem durch die Verfahrensakten bewiesenen Rechtsmittelvorbringen liegt der prozessordnungsgemäß geltend gemachten Gehörsrüge (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO, § 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG) im Wesentlichen folgender Verfahrensgang zu Grunde:

Mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 08.12.2008 wiederholte der Betroffene seine im Rahmen der Anhörung am 18.10.2008 abgegebene Einlassung und führte hierzu aus:

"... fuhren am 26.09.2008 um 09.45 Uhr in G., B 23/Höhe Trafostation drei Fahrzeuge mit gleicher Geschwindigkeit hintereinander her. Der Betroffene fuhr das dritte Fahrzeug. (...)

Der Betroffene ist sich vollkommen sicher, dass er die erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h nicht überschritten hat. Es ist insoweit verwunderlich, dass nur bei seinem Fahrzeug die Messung aufgelöst worden ist, obwohl - nach dem Eindruck des Betroffenen - alle drei Fahrzeuge völlig gleich schnell fuhren."

Mit Schriftsatz vom 12.02.2009 beantragte der Betroffene, ihn von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen zum Hauptverhandlungstermin am 20.04.2009 zu entbinden und führte zur Begründung aus:

"1.

Die Fahrereigenschaft wird zugestanden.

2.

Herr X. würde am Hauptverhandlungstermin von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch machen.

3.

Die Verteidigung ist befugt, selbständig zur Sache vorzutragen."

Mit Beschluss vom 13.02.2009 lehnte das Amtsgericht diesen Antrag mit der Begründung ab, die Voraussetzungen des § 73 Abs. 2 OWiG seien nicht erfüllt, da die Anwesenheit des Betroffenen in der Hauptverhandlung zur Aufklärung des Sachverhaltes erforderlich sei. Es sei nicht auszuschließen, dass der Betroffene seine Ankündigung, in der Hauptverhandlung zur Sache keine Angaben zu machen, revidiert. Dies sei erfahrungsgemäß sogar naheliegend, da sich der Betroffene bereits vor dem gerichtlichen Verfahren im Widerspruch zu den in der Hauptverhandlung zu erhebenden Beweisen zur Sache eingelassen habe. Vortrag durch den Verteidiger könne die Wiedergabe eigener Wahrnehmungen nicht ersetzen.

Mit Schriftsatz vom 24.02.2009 wies der Betroffene darauf hin, dass der ablehnende Beschluss nach Auffassung der Verteidigung gegen das rechtliche Gehör verstößt, und nahm insoweit auf obergerichtliche Rechtsprechung Bezug.

Das Amtsgericht teilte daraufhin dem Verteidiger unter Hinweis auf eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGHSt 38, 251 ff., dort insbesondere Ziffer II 2a-c) mit, dass an dem Beschluss festgehalten wird.

In der Hauptverhandlung vom 20.04.2009 beantragte der anwesende Verteidiger erneut, den Betroffenen vom persönlichen Erscheinen zu entbinden. Das Amtsgericht lehnte diesen Antrag unter Bezugnahme auf den Beschluss vom 13.02.2009 mit der Begründung ab, die Anwesenheit des Betroffenen wäre zur Aufklärung des Sachverhaltes erforderlich gewesen, und verwarf sodann dessen Einspruch. In den Urteilsgründen führt es hierzu im Wesentlichen aus:

"Die Vernehmung eines Zeugen lässt sich in Anwesenheit des Betroffenen effektiver gestalten, da die Vorhalte aus vorangegangenen Einlassungen des Betroffenen eine der Wahr...

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