Verfahrensgang
AG Lindau (Bodensee) (Entscheidung vom 30.05.2005) |
Tenor
I.
Die Rechtsbeschwerde der Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Lindau vom 30. Mai 2005, berichtigt mit Beschluss vom 06. Februar 2006, wird als unzulässig verworfen.
II.
Die Betroffene hat die Kosten ihres Rechtsmittels zu tragen.
Gründe
I.
Das Amtsgericht hat die auf ihren Antrag von der Verpflichtung zum Erscheinen in der Hauptverhandlung entbundene und auch nicht erschienene Betroffene mit Urteil vom 30.05.2005, berichtigt mit Beschluss vom 06.02.2006, wegen fahrlässigen Überschreitens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 48 km/h zu einer Geldbuße von 100,-- EUR verurteilt und ein einmonatiges Fahrverbot verhängt. Gegen dieses Urteil hat ihr - in der Hauptverhandlung vom 30.05.2005 anwesender - Verteidiger mit am 22.07.2005 eingegangenem Schriftsatz vom selben Tag Rechtsbeschwerde eingelegt und diese mit weiterem Schriftsatz vom 15.08.2005, eingegangen beim Amtsgericht spätestens am 25.08.2005, begründet. Die Zustellung des Urteils an die Betroffene selbst ist am 05.11.2005 erfolgt.
Mit der Rechtsbeschwerde rügt die Betroffene die Verletzung sachlichen Rechts.
II.
Die Rechtsbeschwerde der Betroffenen ist als unzulässig zu verwerfen, weil sie nicht innerhalb der einwöchigen Frist des § 341 Abs. 1 StPO in Verbindung mit § 79 Abs. 3 S. 1 OWiG eingelegt worden ist.
Die Frist zur Einlegung der Rechtsbeschwerde begann vorliegend mit Verkündung des Urteils am Montag, 30.05.2005, und endete daher (§ 43 Abs. 1 StPO) mit Ablauf des Montags, 06.06.2005. Zwar beginnt gemäß § 79 Abs. 4 OWiG diese Einlegungsfrist bei einem in Abwesenheit des Betroffenen verkündeten Urteil grundsätzlich erst mit dessen Zustellung, die erst am 05.11.2005 erfolgt ist. Dies gilt jedoch dann nicht, wenn der - abwesende - Betroffene bei Verkündung des Urteils durch einen nach § 73 Abs. 3 OWiG schriftlich bevollmächtigten Verteidiger vertreten worden ist (§ 79 Abs. 4 letzter Halbs. OWiG; Göhler OWiG 14. Aufl. § 79 RdNr. 30 a). Dies war vorliegend der Fall.
Nach § 73 Abs. 3 OWiG, auf den § 79 Abs. 4 OWiG Bezug nimmt, kann sich ein Betroffener durch einen schriftlich bevollmächtigten Verteidiger vertreten lassen, wenn ihn das Gericht von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen in der Hauptverhandlung entbunden hat. Eine Vollmacht in diesem Sinne hat die Betroffene dem in der Hauptverhandlung anwesenden Verteidiger am 16.02.2005 erteilt. Diese, bei den Akten befindliche schriftliche Vollmacht lautet auszugsweise wie folgt:
"... wird hiermit .... Vollmacht erteilt
3.
zur Vertretung und Verteidigung in Strafsachen und Bußgeldsachen (§§ 302, 375 StPO) einschließlich der Vorverfahren sowie (für den Fall der Abwesenheit) zur Vertretung nach § 411 II StPO und mit ausdrücklicher Ermächtigung nach §§ 233 I, 234 StPO, zur Empfangnahme von Ladungen nach § 145 a III StPO ..."
Diese Vollmacht ermächtigte den Verteidiger, wie sich aus der ausdrücklichen Aufnahme der Begriffe Vertretung und Verteidigung ergibt, nicht nur zu einer Tätigkeit als Verteidiger und damit als Beistand (§ 137 Abs.1 StPO), sondern auch zur Tätigkeit als Vertreter der Betroffenen (BGH St 9, 356/357; BayObLG NJW 1956, 838/839; OLG Köln NJW 1969, 705/706; OLG Düsseldorf StV 1992, 154). Unbeachtlich ist hierbei, dass in der Vollmachtserklärung nicht ausdrücklich auf das OWiG, sondern nur auf Vorschriften der StPO hingewiesen ist. Denn zum einen ist nach dem Wortlaut Vollmacht zur Vertretung in Strafsachen und Bußgeldsachen erteilt. Zum anderen ist eine Vertretung bei Abwesenheit im Rahmen eines Strafverfahrens, die in der Vollmacht ausdrücklich erwähnt ist, regelmäßig von weitreichenderer Bedeutung und Gewichtigkeit als eine Vertretung im Bußgeldverfahren, so dass eine Einschränkung des Umfangs der Vertretungsmacht für das Bußgeldverfahren einen zusätzlichen Hinweis hätte erwarten lassen. Einer abschließenden Entscheidung, ob im Falle einer schriftlichen Vertretungsvollmacht überhaupt ein Zusatz dahingehend erforderlich ist, dass die Befugnis zur Vertretung auch für den Fall der Abwesenheit des Angeklagten gelte (so OLG Düsseldorf aaO; KK/Senge OWiG, 3.Aufl. § 73 RdNr. 41), bedarf es daher nicht. Dass die Betroffene in der Hauptverhandlung in diesem Sinne vertreten wurde, folgt aus der Anwesenheit des mit einer Vertretungsvollmacht nach § 73 Abs. 3 OWiG versehenen Verteidigers (vgl. OLG Köln VRS 43, 127/128).
Die am 22.07.2005 bei dem Amtsgericht Lindau eingegangene Rechtsbeschwerde gegen das am 30.05.2005 verkündete Urteil ist damit nach dem am 06.06.2005 erfolgten Ablauf der Einlegungsfrist, und damit verspätet, eingelegt.
Wiedereinsetzung in den Stand vor Versäumung der Frist zur Einlegung der Rechtsbeschwerde wurde auch nach dem richterlichen Hinweis vom 03.05.2006 auf die Rechtslage nicht beantragt. Bei dieser, vorliegend insgesamt gegebenen Sachlage bestand für den Senat auch kein Anlass, Wiedereinsetzung von Amts wegen zu gewähren.
Dem Senat ist damit eine sachliche ...