Entscheidungsstichwort (Thema)
Haftung einer Gemeinde für Überschwemmungsschäden durch Hangwasser wegen konzeptioneller und technischer Mängel einer Anlage der Straßenentwässerung
Normenkette
GG Art. 14; HaftpflG § 2 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 Nr. 3; BayWG Art. 63 Abs. 1 Nr. 2
Verfahrensgang
LG Bayreuth (Urteil vom 25.01.2006; Aktenzeichen 23 O 430/03) |
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Endurteil des LG Bayreuth vom 25.1.2006 abgeändert und wie folgt neu gefasst:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 10.456,40 EUR zuzüglich Zinsen i.H.v. jeweils 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus
a) 1.089,40 EUR seit dem 25.6.2003,
b) 2.149,22 EUR seit dem 1.10.2003,
c) 1.698,30 EUR seit dem 1.10.2004,
d) 1.443,56 EUR seit dem 1.10.2005,
e) 2.037,96 EUR seit dem 1.10.2006
f) 1.052,94 EUR seit dem 1.10.2007 sowie
g) aus weiteren 985,02 EUR seit dem 6.10.2007 zu zahlen.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die weitergehende Berufung des Klägers sowie die Berufung des Beklagten werden jeweils zurückgewiesen.
III. Von den erstinstanzlichen Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 4/9 und die Beklagte 5/9. Von den Kosten der Berufungsinstanz entfallen auf den Kläger 1/3 und auf die Beklagte 2/3.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
V. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.
VI. Berufungsstreitwert: bis zum Eingang der Klageerweiterung am 2.10.2007: 11.476,81 EUR und für die Zeit danach: 15.403,89 EUR.
Gründe
I. Der Kläger verlangt von der beklagten Gemeinde den Ersatz von Wasserschäden, die er darauf zurückführt, dass die Beklagte beim Ausbau der Verbindungsstraße zum Ortsteil H. die Entwässerungsverhältnisse zum Nachteil seiner tiefer gelegenen Grundstücke verändert und dadurch im Zuge eines Starkregens (Katastrophenregens) sein gesamtes Anwesen einer Überschwemmung ausgesetzt habe.
1. Der Kläger ist Landwirt, der auf den an seine Hofstelle im Norden und Westen angrenzenden Feldern ökologischen Ackerbau betreibt. Das Anwesen liegt etwa 60 m nördlich und unterhalb der Gemeindeverbindungstrasse, die seit ihrer Neutrassierung im Jahre 1978 das von Süden nach Norden abfallende Gelände quer zum Hang durchschneidet. Das im Bereich der Fahrbahn auftretende Oberflächenwasser wird über einen offenen Straßengraben abgeleitet, der entlang der Straße an der südlichen - hangaufwärts zu gelegenen - Seite des Straßendamms verläuft.
In diesem Straßenabschnitt besteht das kommunale Entwässerungssystem im Wesentlichen aus folgenden Einrichtungen:
Anmerkung: Die nachfolgenden Angaben zu bestimmten "Kanalpunkten (KP)" beziehen sich auf die entsprechenden Eintragungen in dem Lageplan H./Oberflächenwasserkanal, wie ihn der Sachverständige R. seinem (Ausgangs-)Gutachten vom 25.5.2005 (im Folgenden nur. GA) beigefügt hat.
Im östlichen Einzugsgebiet bis zu dem Weiher unterhalb der Abzweigung der Stichstraße zum klägerischen Anwesen wird das anfallende Niederschlagswasser am Kanalpunkt 6 über einen Einlaufschacht mit Rostabdeckung DN 600 (Fassungsvermögen: 335 l/s) in eine die Straße querende Verrohrung (im Bereich des Durchlasses DN 1000, danach DN 400) unmittelbar nach Norden bis zum Schacht am KP 2 in eine in nordöstlicher Richtung verlaufende Rohrleitung DN 400 abgeführt.
Im westlichen Einzugsbereich befindet sich - etwa 40 m östlich des Straßentiefpunktes - am Kanalpunkt 10 der Tiefpunkt des Straßengrabens. An dieser Stelle führt eine im Dammfuß der Straße und anschließend in der Böschung verlegte Rohrleitung DN 300-Beton nach Norden zu einem unweit der befestigten Hoffläche des klägerischen Anwesens gelegenen Schacht (Kanalpunkt 8). Jedenfalls bis Ende 2003 war dieser - damals noch offene - Schacht so ausgestaltet, dass das aus der Rohrleitung DN 300 einströmende Wasser gegen die Schachtwände prallte, um dann unter Strudelbildung von einer in nordöstliche Richtung weiterführenden Verrohrung (DN 400) aufgenommen zu werden, so dass der Wasserstrom an dieser Stelle in einem nahezu rechten Winkel umgelenkt wurde.
Vor der Neutrassierung der Verbindungsstraße im Jahre 1978 hatten sich der Tiefpunkt der Straße und des hangseitigen Geländes jeweils östlich des klägerischen Anwesens nahe dem KP 2 befunden.
In der Nacht zum 28.8.2002 kam es im Umkreis der verklagten Gemeinde zu einem Starkregen (Katastrophenregen), in dessen Folge auch das klägerische Anwesen überflutet wurde. Wie zwischen den Parteien schon erstinstanzlich nicht mehr im Streit stand, ist jedenfalls ein Teil dieser Überschwemmungen darauf zurückzuführen, dass der erwähnte offene Schacht in unmittelbarer Nähe der südlichen Grundstücksgrenze (KP 8) nicht den anerkannten Regeln des Kanalisationsbaus entsprach und infolge dieser fehlerhaften Konstruktion erhebliche Wassermengen aus dem Schacht in das klägerische Anwesen übergetreten sind. Darüber hinaus gehen die Parteien darin einig, dass die das Ackerland westlich und nördlich des klägerischen Hofes überflutenden Wasserfrachten (jedenfalls) zum überwiegenden Teil ihren Ausgang am Straßentiefpunkt (westlich des...