Leitsatz (amtlich)
1. Eine Gemeinde haftet nicht nach Amtshaftungsgrundsätzen für den Rechenfehler eines Ingenieurbüros bei der Erstellung eines hydraulischen Berechnungsplanes für die Entwässerung eines Baugebiets.
2. Eine Haftung wegen enteignungsgleichen Eingriffs wegen der zu geringen Dimensionierung eines Bachrohres scheidet aus, wenn die Überschwemmung bei Unterbleiben der Verrohrung ebenfalls eingetreten wäre.
Verfahrensgang
LG Passau (Urteil vom 02.09.2004; Aktenzeichen 3 O 364/03) |
Tenor
I. Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des LG Passau vom 2.9.2004 wird zurückgewiesen.
II. Die Kläger tragen die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Das Urteil ist für die Beklagte vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, falls die Beklagte nicht zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Kläger machen als Miteigentümer des mit einem Einfamilienhaus bebauten Grundstücks B.-straße 5 in T. (= die Beklagte) Schadenersatzansprüche wegen zweier Überschwemmungen am 11.8. und 27.8.2002 geltend.
Das Anwesen der Kläger liegt in einem Baugebiet, an das östlich landwirtschaftlich genutzte Flächen anschließen, die sich zu einem Talkessel formen. Durch diesen fließt ein kleiner Bach ("W.-bach").
Im Zuge der Ausweisung des Baugebiets in den Siebziger Jahren entschied sich die Beklagte, den W.-bach in diesem Bereich zu verrohren.
Die Beklagte, die kein eigenes technisches Personal beschäftigte, beauftragte das Ingenieurbüro H. aus P. mit Planung der Entwässerung des Baugebiets. Im Berufungsverfahren wurde unstreitig, dass der hydraulische Berechnungsplan des Ingenieurbüros H. vom Oktober 1977, der einen Abfluss von 468l/sec bei Vollfüllung des Rohres vorsah, von einem unrichtigen Spitzenabflussbeiwert ausging. Dies führte dazu, dass im Jahr 1978 ein Rohr mit einem zu geringen Querschnitt verlegt wurde.
Die Kläger erwarben das bereits bebaute Grundstück B.-straße 5 im Jahr 1987 als Miteigentümer je zur Hälfte.
Am 11.8.2002 kam es Gemeindegebiet der Beklagten zu heftigen Regenfällen. Ein weiterer starker Regen ereignete sich am 27.8.2002. Das 1978 verlegte Rohr konnte, wie in der Berufungsinstanz unstreitig wurde, an beiden Tagen nur einen Teil des Wassers des W.-bachs aufnehmen. Ein anderer Teil lief durch das Baugebiet über das klägerische Grundstück.
Die Parteien tragen im Berufungsverfahren übereinstimmend vor, dass das Grundstück der Kläger auch überschwemmt worden wäre, wenn der W.-bach nicht verrohrt worden wäre.
Die Kläger haben vorgebracht, die Beklagte müsse für die unzureichende Dimensionierung des Entwässerungssystems einstehen. Sie sei zu einer schadlosen Ableitung auch des von landwirtschaftlichen Flächen zufließenden Niederschlagswassers verpflichtet. Sie hätten nach der Rechtsprechung des BayObLG einen Anspruch auf Schutz vor einem Hochwasser mit hundertjähriger Wiederkehr.
Den geltend gemachten, nach ihrer Behauptung insoweit nicht von der bestehenden Elementarschädenversicherung ausgeglichenen Schaden haben die Kläger in den Schriftsätzen vom 28.3.2003 Bl. 11-15 und vom 27.6.2003 Bl. 6-11 näher dargestellt. Darauf nimmt der Senat Bezug.
Die Kläger haben beantragt:
I. Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger als Gesamtgläubiger 29.260 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 % über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu bezahlen.
II. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Klägern den gesamten Schaden, der ihnen aus den Überschwemmungsschäden vom 11.8.2002 und 27.8.2002 in Zukunft noch entstehen wird, zu ersetzen.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt.
Sie hat vorgebracht, der Durchmesser des Rohrs habe zum Zeitpunkt der Errichtung den technischen Anforderungen entsprochen.
Eine Sanierung des Entwässerungssystems sei der Beklagten nicht zumutbar, da die Baukosten hierfür zwischen 100.000 und 200.000 EUR lägen.
Das LG wies nach der Vernehmung mehrerer Zeugen zum Schaden sowie der Erholung eines Gutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. P. und dessen mündlicher Anhörung mit Endurteil vom 2.9.2004 die Klage mit der Begründung ab, die Beklagte treffe an der Überschwemmung trotz des Planungsfehlers bei der Verrohrung kein Verschulden. Wegen der Einzelheiten - auch des Vorbringens der Parteien in der ersten Instanz - wird auf das Urteil Bezug genommen.
Die Kläger verfolgen ihr Begehren im Wege der Berufung weiter.
Die Kläger bringen vor, bei einer 1977/78 fachgerecht dimensionierten Rohrleitung wäre die Überschwemmung vom 11.8.2002 mit hoher Sicherheit nicht aufgetreten.
Der Hochwasserschutz sei Aufgabe der Gemeinde. Ohne ordnungsgemäße Verrohrung hätte die Beklagte überhaupt kein Baugebiet ausweisen dürfen. Nach der Entscheidung des BGH vom 18.2.1999 (BGH v. 18.2.1999 - III ZR 272/96), die einen vergleichbaren Sachverhalt betreffe, müsse die Beklagte nach Amtshaftungsgrundsätzen für den Schaden einstehen.
Die Beklagte müsse für den Fehler des Ingenieurbüros einstehen. W...