Leitsatz (amtlich)
1. Eine ergänzende bilanzierte Diät muss immer ein diätetisches Lebensmittel sein und den tatbestandlichen Vorgaben des § 1 Abs. 2 DiätV entsprechen; sie hat sich also vorwiegend an den Ernährungserfordernissen der in § 1 Abs. 2 Nr. 1b DiätV bezeichneten Verbrauchergruppe von Personen auszurichten, die sich in besonderen physiologischen Umständen befinden, infolgedessen einen höheren Bedarf an definierten Nährstoffen haben und deshalb besonderen Nutzen aus der kontrollierten Aufnahme bestimmter in der Nahrung enthaltenen Stoffe ziehen können. Ein Trinkpulver für den Erhalt der Zahnsubstanz fällt deshalb ebenso wenig darunter wie ein Präparat aus Olivenblattextrakt zur Blutdrucksenkung.
2. Gesundheitsbezogene Angaben dürfen nur zu dem jeweiligen Nährstoff, der Substanz oder dem Lebensmittel gemacht werden, für die sie nach Art. 10 Abs. 1 HCVO i.V.m. der Liste der VO 432/2012/EG zugelassen sind, nicht jedoch zu dem Lebensmittelprodukt, das diese Elemente enthält.
Normenkette
DiätV § 1 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 4a; HCVO Art. 10 Abs. 1; VO 432/2012/EG; LFGB § 12 Abs. 1 Nr. 1; UWG § 4 Nr. 11
Verfahrensgang
LG Aschaffenburg (Urteil vom 05.09.2013; Aktenzeichen 1 HKO 87/13) |
Tenor
1. Die Berufung der Verfügungsbeklagten gegen das Endurteil des LG Aschaffenburg vom 5.9.2013 - 1 HK O 87/13, wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass es im Tenor unter Ziff. I. am Ende wie folgt heißen muss:
"jeweils wenn dies geschieht wie in der Werbesendung vom 28.5.2013, deren Niederschrift wiedergegeben ist in der dem Urteil beigefügten Anlage A1".
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Verfügungsbeklagte.
Gründe
A. Der Verfügungskläger begehrt von der Verfügungsbeklagten die Unterlassung von Werbeaussagen für die von ihr hergestellten und vertriebenen Produkte
X. P. 400g Trinkpulver für den Erhalt der Zahnsubstanz
X. S. 90 Kapseln - Förderung der Blutbildung
X. B. Kapseln - zur Behandlung von erhöhtem Blutdruck
Die Verfügungsbeklagte warb in der Fernsehsendung "X. - bewusster leben", ausgestrahlt am 28.5.2013, für diese drei Produkte mit den im Verfügungsantrag wiedergegebenen Werbeaussagen (vgl. Anlage A 1).
Nachdem der Verfügungskläger, der vom Inhalt der Werbesendung am 19.6.2013 Kenntnis erhalten haben will, die Verfügungsbeklagte am 2.7.2013 im Wesentlichen erfolglos abgemahnt hatte, begehrte er mit dem am 19.7.2013 eingereichten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung die Unterlassung dieser Werbeaussagen.
Der Verfügungskläger hat in erster Instanz seinen Unterlassungsanspruch hinsichtlich des Produktes P. auf Art. 10 der VO 1924/2006/EG (HCVO) bzw. auf § 12 Abs. 1 LFGB gestützt. Weiterhin sei eine irgendwie geartete Wirkung, dass dieses Produkt in seiner konkreten Zusammensetzung geeignet wäre, die Zahnsubstanz zu erhalten, nicht belegt. Deshalb sei die Werbung irreführend i.S.d. § 11 Abs. 1 LFGB.
Das Produkt S. befinde sich als Nahrungsergänzungsmittel im Verkehr; für die beworbene Wirkung - Förderung der Blutbildung - fehle jeder Beweis. Insoweit liege auch ein Verstoß gegen Art. 10 HCVO vor.
Auch das Produkt B. Kapseln sei als ergänzende bilanzierte Diät nicht verkehrsfähig und werde unter Verstoß gegen § 12 LFGB krankheitsbezogen beworben.
Der Verfügungskläger hat in erster Instanz beantragt:
Der Verfügungsbeklagten wird bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der künftigen Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,- EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an den Geschäftsführern, untersagt, im geschäftlichen Verkehr
1. für das Produkt "X. P. 400g Trinkpulver für den Erhalt der Zahnsubstanz" zu werben mit der Angabe:
1.1 "Für den Erhalt der Zahnsubstanz",
1.2 "und P. macht Folgendes, geht von innen an die Zahnsubstanz heran und unterstützt von innen die Zahnsubstanz, den Erhalt der Zahnsubstanz. Also Zahnfleisch, Zähne, dass des alles ins hohe Alter unterstützt wird",
1.3 "... wenn die Bakterien unter dem Plaque sich vermehren, in den Blutkreislauf hineintreten, erhöhen sich bestimmte andere Risiken ... Wir haben hier z.B. die chronischen Störungen der Atemwege. Das Risiko wird 2 bis 4-fach. Schwangerschaftsrisiken, z.B. Frühgeburten ... Osteoporose, Knochenschwund, das Risiko ist 2 bis 4-fach ... Diabetes 2 bis 11-fach das Risiko. Herzkreislaufstörungen 2-fach! Schlaganfall bis zu 2-fach, weil diese Bakterien, die sich in dem Plaque bilden, die kriegst du mit der Bürste einfach nicht weg ... Aber das ist ja der Wahnsinn im Grunde, welche Folgekrankheiten hier ausgelöst werden können durch diese Bakterien, die ja bei Parodontose entstehen und die in die Blutbahn hineingelangen ... Aber jetzt wollen wir natürlich gucken, was hier drin steckt ... Wir haben lösliche Pflanzenfasern. Wir haben Inulin. Das holen wir aus dem Chicoree. Nelken sind mit drin ... Perilla-ÖI ist dabei. Weihrauch ist mit dabei. Es sind ganz viele Naturstoffe, Aloe Vera, Kamille, Hagebutten, Weidenrinde, Heidelbeere, Salbei ... Haferhalm, Meerrettich, und hochwer...