Entscheidungsstichwort (Thema)
Rückführung des Pflegekindes nach Herausnahme aus der Pflegefamilie
Leitsatz (amtlich)
1. Voraussetzungen der Rückführung des Pflegekindes.
2. Schutzzweck des § 1634 Abs. 4 BGB, die Herausnahme des Pflegekindes zur Unzeit zu vermeiden.
3. Kindeswohl als Richtpunkt bei der Abwägung zwischen einer Gefährdung des Kindes durch die Herausnahme aus der Pflegefamilie und einer anderen erheblichen Kindeswohlgefährdung.
Normenkette
BGB § 1632 Abs. 4; FamFG § 68 Abs. 3; GG Art. 6
Verfahrensgang
AG Hann. Münden (Beschluss vom 23.11.2017; Aktenzeichen 6 F 152/17) |
Tenor
Die Beschwerde der Antragsteller vom 04.12.2017 gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Hann. Münden vom 23.11.2017 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Der Verfahrenswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 3.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Antragsteller sind die früheren Pflegeeltern des Kindes R. H., geboren am 20.04.2012. R. lebte seit seinem achten Lebensmonat über einen Zeitraum von etwa vier Jahren im Haushalt der Antragsteller in A.. Am 03.05.2017 wurde das Vollzeitpflegeverhältnis mit Einverständnis der Kindesmutter, die die elterliche Alleinsorge für R. innehat, durch das Jugendamt des Landkreises A. beendet. Seither lebt das Kind bei einer neuen Pflegefamilie in der Nähe des Wohnortes der Kindesmutter. Hierbei handelt es sich um eine Bereitschaftspflegestelle, die auch zur Dauerpflege geeignet ist. Als Gründe für die Herausnahme des Kindes aus der früheren Pflegestelle werden eine nicht förderliche Erziehung und Betreuung durch die Antragsteller mit Kindeswohlgefährdungen und Aufsichtspflichtverletzungen zum Nachteil des Kindes genannt, die auch durch das seit dem Jahr 2013 eingesetzte Helfersystem nicht positiv zu verändern gewesen seien. Wegen der Umstände im Einzelnen wird auf die Berichte der beteiligten Jugendämter vom 09.05.2016, 16.06.2017, 27.06.2017 und 07.09.2017 sowie die Stellungnahme des Verfahrensbeistandes vom 29.08.2017 Bezug genommen. Die Kindesmutter unterstützte den Umzug R. in die neue Pflegefamilie und hat einmal im Monat Umgang mit dem Kind. Der Kindesvater hat gar keinen Kontakt mit seinem Sohn und sich nicht am Verfahren beteiligt.
Die Antragsteller sind der Beendigung des Pflegeverhältnisses und der Herausnahme des Kindes aus ihrem Haushalt entgegengetreten und haben mit Schriftsatz vom 29.05.2017 im vorliegenden Verfahren beantragt, die Rückführung des Kindes anzuordnen. Gleichzeitig haben sie mit demselben Ziel eine einstweilige Anordnung beim Amtsgericht beantragt.
Das Amtsgericht hat den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz durch Beschluss vom 12.07.2017 zurückgewiesen und in der Hauptsache nach Anhörung des Kindes und der weiteren Verfahrensbeteiligten sowie nach Einholung der Berichte des Verfahrensbeistandes und der beteiligten Jugendämter durch Beschluss vom 23.11.2017 den Rückführungsantrag ebenfalls als unbegründet zurückgewiesen.
Wegen der Vorgeschichte und des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zu den Akten gewechselten Schriftsätze und die Gründe des angefochtenen Beschlusses Bezug genommen.
Gegen den Beschluss des Amtsgerichts vom 23.11.2017, der ihrem Verfahrensbevollmächtigten am 27.11.2017 zugestellt worden ist, haben die Antragsteller mit Schriftsatz vom 04.12.2017 Beschwerde eingelegt, die am selben Tag beim Amtsgericht eingegangen ist.
Mit dem Rechtsmittel verfolgen die Antragsteller nach wie vor die Rückführung R.. Das Amtsgericht habe rechtsfehlerhaft keine Feststellungen zu den negativen Folgen der Herausnahme für das Kindeswohl getroffen. Vor allem bei einem Wechsel in eine andere Pflegefamilie - wie hier - seien jedoch die seit Jahren gewachsenen Bindungen zu prüfen und die Risikogrenze der mit der Trennung von den bisherigen Pflegeltern verbundenen psychischen Belastung des Kindes weiter dahin zu ziehen, dass hier mit hinreichender Sicherheit eine Gefährdung des Kindeswohls ausgeschlossen sein müsse. Hierzu habe das Amtsgericht fehlerhaft keine sachverständige Hilfe in Anspruch genommen. Die Gründe der erstinstanzlichen Entscheidung seien zudem im Hinblick auf die Erziehungseignung der Antragsteller lediglich pauschal gefasst und beschränkten sich auf Allgemeinplätze, so dass es an der notwendigen Aussagekraft fehle. Schließlich habe das Amtsgericht nicht ausreichend geprüft, ob der Verbleib des Kindes bei den Antragstellern durch die Installierung ambulanter Hilfen möglich gewesen wäre. Das gelte insbesondere vor dem Hintergrund, dass auch die Pflegefamilie als Familiengemeinschaft im weiteren Sinne in den Schutz der Familie nach Art. 6 GG einbezogen sei.
Der Senat hat im Beschwerdeverfahren die ergänzenden Stellungnahmen des Verfahrensbeistandes vom 08.01.2018 und der Jugendämter der Landkreise G. und A. vom 29.12.2017, 09.01.2017 und 06.02.2018 eingeholt. Die Kindeseltern haben sich nicht geäußert.
II. Die Beschwerde der Antragsteller ist zulässig, hat in der Sache aber keinen Erfolg.
Nach § 1632 Abs...