Entscheidungsstichwort (Thema)

Streitwert für urheberrechtliche Unterlassungsansprüche wegen der Verwendung eines Produktfotos für einen privaten Verkauf bei einer Internetauktion (eBay)

 

Leitsatz (amtlich)

1. Gemäß § 3 ZPO ist zur Bemessung des Streitwertes von urheberrechtlichen Unterlassungsansprüchen der wirtschaftliche Wert des Urheberrechts und der Angriffsfaktor der Rechtsverletzung zu berücksichtigen.

2. Handelt es sich um ein Urheberrecht an einem Lichtbild, das der Urheber vermarktet, ist als Ausgangspunkt für die Streitwertbemessung auf den vom Urheber geltend gemachten drohenden Lizenzschaden abzustellen. Entsprechendes gilt bei Fehlen anderer Bemessungskriterien, wenn das Interesse des Urhebers dahin geht, dass außer ihm selbst niemand sonst sein Lichtbild zur Werbung nutzt, es sich jedoch um ein Produktfoto handelt, für das kein Motivschutz besteht.

3. Ein Indiz für die Schätzung des mit dem Unterlassungsantrag abzuwehrenden Lizenzschadens sind dabei die Angaben der klagenden Partei in der Klageschrift, es sei denn, dass sich aus den von der klagenden Partei mitgeteilten Umständen deren offenkundige Fehlerhaftigkeit ergibt. Eine Prüfung dahingehend, ob der vom Kläger benannte Lizenzsatz marktgerecht ist, findet bei der Streitwertbemessung nicht statt.

4. Für die Streitwertbemessung des Unterlassungsanspruchs ist der von dem Kläger genannte Lizenzsatz grundsätzlich zu verdoppeln, weil mit dem Unterlassungsanspruch gleichgerichtete weitere Verletzungen verhindert werden sollen. Dies gilt zumindest dann, wenn das Foto lediglich für einen privaten eBay-Verkauf verwendet worden ist und keine weiteren konkreten Anhaltspunkte für eine umfassendere Nutzung des Bildes durch den Verletzer dargetan werden, die einen höheren Multiplikations-Faktor rechtfertigen.

 

Normenkette

ZPO § 3; UrhG § 97 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Braunschweig (Beschluss vom 21.06.2011; Aktenzeichen 9 O 1026/11)

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Beklagten wird der Streitwertfestsetzungsbeschluss des LG Braunschweig vom 21.6.2011 teilweise abgeändert und der Streitwert anderweitig auf 600 EUR festgesetzt.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Eine Kostenerstattung findet nicht statt.

 

Gründe

I. Mit Klageschrift vom 21.4.2011 hat der Kläger unter einer geschätzten Streitwertangabe i.H.v. 6.300 EUR einen Unterlassungsantrag wegen der Verwendung eines Fotos durch den Beklagten bei EBay sowie Schadensersatz i.H.v. 300 EUR (150 EUR Lizenzschaden zzgl. 100 % Verletzerzuschlag) und einen Freistellungsanspruch wegen angefallener Rechtsanwaltsgebühren i.H.v. 100 EUR geltend gemacht. Nachdem die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt haben, hat das LG Braunschweig mit Beschluss vom 21.6.2011 den Streitwert entsprechend der Anregung des Klägers auf 6.300 EUR festgesetzt. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Beklagten, die mit Schreiben vom 22.7.2011 am 25.7.2011 bei Gericht eingegangen ist. Der Beklagte ist der Auffassung, dass der Streitwert für den Unterlassungsanspruch nicht höher als der von ihm durch Verkauf des auf dem Foto abgelichteten Mischpults erzielte Verkaufspreis liegen könne. Der Kläger ist der Streitwertbeschwerde entgegengetreten; das LG Braunschweig hat der Beschwerde mit Beschluss vom 19.8.2011 nicht abgeholfen.

II. Die gem. § 68 Abs. 1 GKG zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg.

1. Der vom Kläger genannte Streitwert für den Unterlassungsanspruch (6.000 EUR) berücksichtigt nicht die maßgeblichen Bewertungsgesichtspunkte und wird deshalb dem am Maßstab des § 53 Abs. 1 Nr. 1 GKG i.V.m. § 3 ZPO auszuübenden billigen Ermessen nicht mehr gerecht. Ausgangspunkt für die Bemessung des Gegenstandswertes einer Unterlassungsklage ist das Interesse des Klägers an der Rechtsdurchsetzung bei einer "ex ante" Betrachtung, wobei dieses Interesse vom Gericht nach freiem Ermessen geschätzt werden muss, § 3 ZPO. Zu berücksichtigen ist im Urheberrecht deshalb, wie und in welchem Umfang das geschützte Recht verletzt wird und inwieweit dadurch das wirtschaftliche Interesse des Urheberrechtsinhabers betroffen ist. Maßgeblich sind dabei der wirtschaftliche Wert des Urheberrechts und der Angriffsfaktor der Rechtsverletzung.

Bereits dieser Ansatz macht deutlich, dass diese Bewertungsfaktoren nicht für alle Urheberrechtsverletzungen zu einem mehr oder weniger einheitlichen Streitwert führen. Zu beachten ist nämlich, dass das Interesse des Urhebers an der Unterlassung unterschiedlich geprägt sein kann. Handelt es sich um ein Urheberrecht an einem Werk, das der Urheber vermarktet, zielt sein Unterlassungsanspruch gegen nicht genehmigte Nutzungen im Wesentlichen darauf ab, dieses Lizenzinteresse zu sichern. Bei einer solchen Interessenlage ist es sachgerecht, für die Streitwertbemessung auf den vom Urheber aufgezeigten drohenden Lizenzschaden abzustellen. Das Interesse eines Urhebers, Rechtsverletzungen zukünftig zu unterbinden, ist aber nicht zwangsläufig auf einen (Lizenz)Vertragsschluss mit dem Rechtsverletzer gerichtet noch wird ...

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