Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Aufhebung und Zurückverweisung führender wesentlicher Verfahrensmangel bei gesetzlich nicht vorgesehener Abhilfeentscheidung
Leitsatz (amtlich)
Es liegt ein wesentlicher Verfahrensmangel im Sinne des § 69 Abs. 1 S. 3 FamFG vor, wenn das erstinstanzliche Familiengericht entgegen der Regelung des § 68 Abs. 1 S. 2 FamFG eine Abhilfeentscheidung trifft, anstatt die Beschwerdesache dem Beschwerdegericht vorzulegen.
Normenkette
BGB § 1626a Abs. 2, § 1671 Abs. 1 Nr. 2, § 1687 Abs. 1 S. 1; FamFG §§ 58, 68 Abs. 1 S. 2, § 69 Abs. 1 S. 3
Verfahrensgang
AG Bremerhaven (Beschluss vom 18.03.2016; Aktenzeichen 152 F 900/13) |
AG Bremerhaven (Beschluss vom 08.01.2016; Aktenzeichen 152 F 900/13) |
Tenor
1. Auf die Beschwerden des Kindesvaters werden die Beschlüsse des AG - Familiengericht - Bremerhaven vom 8.1.2016 und vom 18.3.2016 sowie das ihnen zugrunde liegende Verfahren aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das AG Bremerhaven zurückverwiesen.
2. Die Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben. Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.
3. Dem Kindesvater wird ratenfreie Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt [...], für das Beschwerdeverfahren bewilligt. Die Beiordnung erfolgt mit der Maßgabe, dass die Mehrkosten, die dadurch entstehen, dass der beigeordnete Rechtsanwalt seine Kanzlei nicht im Bezirk des Beschwerdegerichts hat, nur bis zur Höhe der Vergütung eines Verkehrsanwaltes am Wohnort des Verfahrenskostenhilfe begehrenden Antragstellers erstattungsfähig sind.
4. Der Kindesmutter wird ratenfreie Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin [...], bewilligt.
5. Verbessern sich die wirtschaftlichen Verhältnisse des jeweiligen VKH-Antragstellers wesentlich oder ändert sich seine Anschrift, ist dies dem Gericht unverzüglich mitzuteilen. Das Gericht soll bei wesentlicher Änderung der persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse nachträglich die Zahlung der Kosten oder Ratenzahlungen anordnen (§ 76 Abs. 1 FamFG i.V.m. § 120a Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 S. 1 ZPO).
6. Der Verfahrenswert wird auf 3.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Im vorliegenden Verfahren geht es um das Sorgerecht für X., die gemeinsame Tochter der Kindeseltern.
Die Kindeseltern haben in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft zusammengelebt. Noch vor der Geburt ihres gemeinsamen Kindes am 12.8.2009 hat der Kindesvater am 7.7.2009 gegenüber dem Jugendamt des Landkreises [...] die Vaterschaft anerkannt (Urk. RegNr. [...]) und die Kindeseltern haben eine gemeinsame Sorgeerklärung unterzeichnet (Urk. RegNr. [...]). Im März 2012 haben sich die Kindeseltern getrennt und im Juni 2012 sich auf eine Regelung des Umgangs zwischen Vater und Tochter verständigt. Der Kindesvater hat am 29.6.2012 einen Antrag auf Übertragung des Sorgerechts allein auf ihn sowie hilfsweise auf Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts für X. gestellt. Diesem Antrag ist die Kindesmutter entgegengetreten und hat ihrerseits einen Antrag auf Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechtes für X. auf sich selbst gestellt. Im Oktober 2012 ist vom damals noch zuständigen AG S. mit Einverständnis der Kindeseltern das Ruhen des Verfahrens angeordnet worden. Nachdem die Kindesmutter mit dem Kind nach B. umgezogen war, hat der Kindesvater die Fortsetzung des Verfahrens begehrt. Nachdem das AG S. Kenntnis davon erhalten hatte, dass der Kindesvater mittlerweile vor dem AG B. ein Verfahren zur Regelung des Umgangs mit seiner Tochter führte, hat es die vorliegende Sorgerechtssache an das AG B. abgegeben. Am 5.11.2013 hat vor dem AG - Familiengericht - B. eine mündliche Anhörung sowohl in der vorliegenden Sorgerechtssache als auch in dem parallel betriebenen Umgangsverfahren stattgefunden. Der Kindesvater wollte danach das Sorgerechtsverfahren zunächst nicht weiter betreiben, sondern die Anbahnung der Umgangskontakte in dem Parallelverfahren abwarten. Die Anbahnung begleiteter Umgangskontakte war in dem Parallelverfahren durch die dort eingesetzte Sachverständige empfohlen worden.
Mit Schriftsatz vom 25.8.2015 hat die Kindesmutter im vorliegenden Verfahren beantragt, ihr die alleinige Sorge, hilfsweise das Aufenthaltsbestimmungsrecht für X. zu übertragen. Mit Beschluss vom 18.12.2015 hat das AG - Familiengericht - B. einen Umgangsausschluss für die Dauer von einem Jahr angeordnet. Mit Beschluss vom 8.1.2016 hat es im vorliegenden Fall die Anträge des Kindesvaters auf Übertragung des Sorgerechts und des Aufenthaltsbestimmungsrechtes für seine Tochter X. zurückgewiesen. Sowohl aus den Gründen dieses Beschlusses als auch aus dem handschriftlichen Vermerk der zuständigen Amtsrichterin vom 27.1.2016 ist zu entnehmen, dass das AG bei seiner Entscheidung vom 8.1.2016 von einer Alleinsorge der Kindesmutter für X. ausgegangen ist und dementsprechend den Sorgerechtsantrag des Kindesvaters für einen solchen nach § 1626a Abs. 2 BGB gehalten hat.
Gegen den Beschluss vom 8.1.2016, dem V...