Leitsatz (amtlich)

1. Die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung bisher gebilligte Auffassung, dem PKH-Antragsteller stehe für die Überlegung, ob er nach Versagung von Prozesskostenhilfe für die Durchführung der Berufung das Rechtsmittel auf eigene Kosten einlegen wolle, eine zusätzliche Überlegungsfrist von drei bis vier Tagen zu, die vor Beginn der Frist des § 234 Abs. 1 ZPO laufen soll, ist mit § 234 Abs. 2 ZPO nicht vereinbar.

2. Auch nach bisheriger höchstrichterlicher Rechtsprechung gilt eine solche zusätzliche Überlegungsfrist für den Berufungsführer jedenfalls nur, um zu entscheiden, ob das Rechtsmittel auf eigene Kosten durchgeführt werden soll. Ist diese Entscheidung innerhalb der Frist des § 234 Abs. 1 ZPO im positiven Sinne getroffen, ist das Rechtsmittel auch innerhalb derselben Frist zu begründen.

 

Normenkette

ZPO § 234

 

Verfahrensgang

LG Bremen (Entscheidung vom 30.05.2002; Aktenzeichen 2 O 1523/01)

 

Tenor

1. Den Beklagten wird auf ihren Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist gewährt.

2. Der Antrag der Beklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist wird als unzulässig verworfen.

 

Gründe

1. Die Beklagten sind durch Urteil des LG Bremen – 2. Zivilkammer – vom 30.5.2002 zur Zahlung und zur Herausgabe bestimmter Gegenstände an den Kläger verurteilt worden.

Das Urteil des LG ist den Beklagten am 3.6.2002 zugestellt worden.

Am 3.7.2002 haben die Beklagten bei dem Hanseatischen OLG in Bremen für die Durchführung der beabsichtigten Berufung Prozesskostenhilfe beantragt (Bl. 128 f. d.A.) und ihrem Antrag einen Entwurf der Berufungsbegründung beigefügt, der von dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten nicht unterschrieben worden war (Bl. 130–136 d.A.).

Das OLG in Bremen hat den Antrag der Beklagten auf Gewährung von Prozesskostenhilfe mit Beschluss vom 20.9.2002 (Bl. 169 – 173 d.A.) zurückgewiesen.

Dieser Beschluss ist den Beklagten nach eigener Darstellung am 30.9.2002 zugestellt worden.

Am 14.10.2002 haben die Beklagten beantragt, ihnen wegen „Säumung der Fristen” Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Zugleich haben sie gegen das Urteil des LG Bremen vom 30.5.2002 Berufung eingelegt und beantragt, ihnen zur Begründung der Berufung eine Fristverlängerung von einem Monat zu gewähren (Bl. 175 f. d.A.). Am 17.10.2002 haben die Beklagten ihre Berufung begründet (Bl. 181 ff. d.A.).

2. Der Antrag der Beklagten vom 14.10.2002, ihnen wegen „Säumung der Fristen” Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, bezieht sich – bei der gebotenen Auslegung – einerseits auf die Versäumung der Berufungseinlegungsfrist und andererseits auf die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist.

a) Der Antrag der Beklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist ist zulässig und begründet. Die Beklagten haben innerhalb der zweiwöchigen Antragsfrist (§ 234 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO) Wiedereinsetzung beantragt und innerhalb derselben Frist Berufung eingelegt (§ 236 Abs. 2 S. 2 ZPO); aus ihrem Vortrag und aus den offenkundigen sonstigen Umständen ergibt sich überdies, dass sie ohne ihr Verschulden verhindert waren, die Frist zur Einlegung der Berufung einzuhalten (§ 233 ZPO).

b) Der Antrag der Beklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist ist unzulässig, weil er nicht den gesetzlichen Anforderungen entspricht.

Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten war nach § 236 Abs. 2 S. 2 ZPO gehalten, auch diese versäumte Prozesshandlung innerhalb der zweiwöchigen Wiedereinsetzungsfrist nachzuholen. Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt, da die Beklagten nur innerhalb der am 14.10.2002 ablaufenden Zweiwochenfrist Berufung eingelegt, nicht jedoch zugleich die Berufungsbegründung bei Gericht eingereicht haben. Vielmehr haben die Beklagten innerhalb der Zweiwochenfrist lediglich einen Antrag auf Verlängerung auf Berufungsbegründungsfrist gestellt, der die Vorlage der Berufungsbegründung nicht ersetzt.

Im Einzelnen ist insoweit folgendes auszuführen:

2.1. Die Frist zur Begründung der Berufung war am Montag, dem 5.8.2002 abgelaufen. Sie begann mit der Zustellung des erstinstanzlichen Urteils an die Beklagten und endete zwei Monate später, § 520 Abs. 2 S. 1 ZPO. Dabei beeinflusst der von den Beklagten gestellte PKH-Antrag den Lauf der Berufungsbegründungsfrist nicht (BGHZ 7, 280 [283]; Musielak/Ball, ZPO, 3. Aufl. 2002, § 520 Rz. 5). Unabhängig von dem am 3.7.2002 beim Hanseatischen OLG in Bremen eingegangenen Antrag der Beklagten, ihnen für die Durchführung der Berufung Prozesskostenhilfe zu gewähren (178 f.) und unabhängig von der negativen Entscheidung über diesen Antrag mit Beschluss des Senats vom 20.9.2002 lief die Berufungsbegründungsfrist für die Beklagten mithin zwei Monate nach Zustellung des landgerichtlichen Urteils am 3.6.2002, also am Montag, dem 5.8.2002, ab.

2.2. Bis zu diesem Termin ist eine Berufungsbegründung durch die Beklagten bei de...

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