Entscheidungsstichwort (Thema)
Anrechnung des staatlichen Kindergeldes auf den Barunterhalt eines privilegierten volljährigen Kindes
Leitsatz (amtlich)
Lebt das volljährige - privilegierte - Kind im Haushalt eines Elternteiles, der mangels Leistungsfähigkeit nicht barunterhaltspflichtig ist, und erhält dieser das Kindergeld, so ist das gesamte Kindergeld auf den Barunterhalt anzurechnen.
Normenkette
BGB § 1612b Abs. 1 u. 3, Abs. 3
Verfahrensgang
AG Bremen (Urteil vom 01.12.2004; Aktenzeichen 71a F 540/04) |
Tenor
Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Berufung wird abgelehnt.
Gründe
Die Berufung des Klägers gegen das Schlussurteil des AG - FamG - Bremen - Blumenthal vom 1.12.2004 bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg i.S.d. § 114 ZPO. Das FamG hat zu Recht das gesamte Kindergeld auf den Unterhaltsanspruch des Klägers angerechnet.
Die Frage, ob und ggf. wie eine Kindergeldverrechnung stattfindet, wenn ein volljähriges - privilegiertes - Kind im Haushalt eines Elternteils lebt, der nicht zum Unterhalt verpflichtet ist, weil er nicht leistungsfähig ist - davon gehen die Parteien hier auf Seiten der Mutter des Klägers auch unter Berücksichtigung ihrer gesteigerten Erwerbsobliegenheit übereinstimmend aus - ist in § 1612b BGB nicht ausdrücklich geregelt. Daraus werden in Rechtsprechung und Literatur unterschiedliche Konsequenzen gezogen:
Es wird die Ansicht vertreten, das gesamte Kindergeld sei in entsprechender Anwendung des § 1612b Abs. 3 BGB auf den Barunterhalt des Kindes anzurechnen, das im Haushalt des Elternteils lebt, der das Kindergeld erhält. Eine Differenzierung danach, ob es um den Unterhalt eines volljährigen privilegierten Kindes oder eines Kindes, das sich in der Berufs- oder Hochschulausbildung befindet, geht, wird überwiegend nicht gemacht (OLG München v. 1.6.2004 - 12 UF 1104/04, NJW-RR 2005, 231; OLG Koblenz v. 13.6.2003 - 13 WF 414/03, OLGReport Koblenz 2004, 89 = FamRZ 2004, 562; OLG Celle v. 13.8.2003 - 15 UF 48/03, OLGReport Celle 2003, 446 = FamRZ 2004, 218; OLG Stuttgart v. 26.3.2003 - 17 UF 57/03, OLGReport Stuttgart 2003, 440 = FamRZ 2004, 219; Palandt/Diederichsen, BGB, 64. Aufl., § 1612b Rz. 6; Wever, Vermögensauseinandersetzung der Ehegatten außerhalb des Güterrechts, 3. Aufl., Rz. 704, a.E.; Duderstadt, FamRZ 2003, 1058 [1059]; Schwab/Borth, Handbuch des Scheidungsrechts, 4. Aufl., V Rz. 189; Oenning in Münchener Anwaltshandbuch Familienrecht (Hrsg. Schnitzler), § 7 Rz. 78; jedenfalls für höhere Einkommensgruppen: Born in MünchKomm/BGB, 4. Aufl., § 1612b Rz. 56; Göppinger/Wax, Unterhaltsrecht, 8. Aufl., Rz. 789 [802]; Kalthoener/Büttner/Niepmann, Die Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts, 9. Aufl., Rz. 831; Rahm/Künkel/Stollenwerk, Handbuch des FamGverfahrens, Kap. 4. 2363 Rz. 518. 1).
Die Gegenmeinung vertritt den Standpunkt, dass es bei der hälftigen Kindergeldanrechnung bleiben müsse. Auch der Elternteil, der zwar nicht leistungsfähig sei, dem Kind aber Kost und Logis gewähre, sei als barunterhaltspflichtig i.S.d. § 1612b Abs. 1 BGB anzusehen (OLG Koblenz v. 2.2.2004 - 7 WF 25/04, FamRZ 2004, 1132; OLG Brandenburg v. 17.12.2001 - 9 WF 186/01, OLGReport Brandenburg 2002, 221 = FamRZ 2002, 1216; OLG Celle v. 2.5.2000 - 17 UF 236/99, OLGReport Celle 2000, 281 = FamRZ 2001, 47; OLG Nürnberg v. 25.10.1999 - 10 UF 1425/99, OLGReport Nürnberg 2000, 63 = MDR 2000, 34 = FamRZ 2000, 687; Gerhardt, Handbuch des Fachanwalts Familienrecht, 3. Aufl., § 6 Rz. 157; Strohmaier, FuR 2003, 153 ff.; jedenfalls für den Fall des volljährigen privilegierten Kindes: Wendl/Scholz, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 6. Aufl., § 2 Rz. 515b; Eschenbruch/Wohlgemuth, Der Unterhaltsprozess, 2. Aufl., Rz. 3389; für den Fall des behinderten volljährigen Kindes: Palandt/Diederichsen, BGB, 64. Aufl., § 1612b Rz. 6; differenzierend: Born in MünchKomm/BGB, 4. Aufl., § 1612b Rz. 56).
Der Senat hat schon bisher die Ansicht vertreten, dass für den Kindergeldausgleich zwischen den Eltern - um diesen Ausgleich geht es in der Vorschrift des § 1612b BGB - kein Raum sei, wenn ein Elternteil den Barbedarf des volljährigen Kindes, für das nicht er, sondern der andere Elternteil das Kindergeld erhalte, allein decken müsse. Das Kindergeld müsse dann in entsprechender Anwendung des § 1612b Abs. 3 BGB in voller Höhe auf den Bedarf des Kindes angerechnet werden. Das gelte grundsätzlich auch dann, wenn es um den Unterhalt eines volljährigen privilegierten Kindes gehe (OLG Bremen, Beschl. v. 16.1.2002 - 4 WF 76/2001). Hieran ist festzuhalten.
Da beim minderjährigen Kind Bar- und Naturalunterhalt gleichwertig sind (§ 1606 Abs. 3 S. 2 BGB), steht gem. § 1612b Abs. 1 BGB jedem Elternteil die Hälfte des Kindergeldes zu. Auf den Barunterhaltsanspruch des Kindes wird somit nur das hälftige Kindergeld angerechnet, also der dem barunterhaltspflichtigen Elternteil gebührende Anteil. Die andere Hälfte verbleibt dem Betreuungsunterhalt leistenden Elternteil. Damit ist der Kindergeldausgleich z...