Leitsatz (amtlich)
Die kurzfristige, notfalls unter Anwendung von Zwang gegen den Willen des Betreuten durchzuführende stationäre Unterbringung in einer psychiatrischen Klinik allein zu dem Zweck, dem Betreuten zwangsweise eine Depotspritze mit einem Neuroleptikum zu verabreichen, ist nicht nach § 1906 Abs. 2 i.V.m. § 1906 Abs. 1 Nr. 1 und 2 oder § 1904 genehmigungsfähig (im Anschluss an BGH, Beschl. v. 11.10.2000 - XII ZB 69/00, BGHZ 145, 297 = MDR 2001, 216 = FamRZ 2001, 149 = NJW 2001, 888).
Normenkette
BGB § 1906 Abs. 1 Nr. 1, § 1906 Nr. 2, § 1906 Abs. 2, 4
Verfahrensgang
LG Bremen (Beschluss vom 01.06.2005; Aktenzeichen 5 T 299/05) |
Tenor
Auf die sofortige weitere Beschwerde der Verfahrenspflegerin der Betroffenen wird in Abänderung des Beschlusses des LG Bremen, 5. Zivilkammer, vom 1.6.2005 (5 T 299/05) festgestellt, dass die Genehmigungen der vorläufigen Unterbringung der Betroffenen im Klinikum Bremen-Ost durch die Beschlüsse des AG Bremen vom 3.5.2005 (44-XII K 170a/92 = 4 W 19/05) und 18.5.2005 (44-XII K 170a/92 = 4 W 20/05) rechtswidrig waren.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; Auslagen werden nicht erhoben (§§ 128b, 131 Abs. 5 KostO).
Gründe
I. Die 1963 geborene Betroffene leidet seit Jahren an einer chronischen paranoiden Schizophrenie. Seit dem Jahr 1991 ist für sie eine Betreuung angeordnet, zuletzt mit den Aufgabenkreisen Vermögenssorge, Aufenthaltsbestimmung und Zustimmung zu ärztlichen Heilmaßnahmen. Nach der ärztlichen Stellungnahme vom 17.5.2005 geht die Schizophrenie der Betroffenen einher mit der Neigung zu psychotisch verworrenem Denken, affektiven Impulsdurchbrüchen mit Aggressivität, Verwahrlosung und Erregungszuständen. Zudem ist aus der Vorgeschichte bekannt, dass die Betroffene ohne neuroleptische Medikation innerhalb von Tagen weiter dekompensiert und sich die beschriebene Situation krisenhaft zuspitzen kann. Um den Eintritt einer solchen Krise zu vermeiden, wurde es von den behandelnden Ärzten als erforderlich angesehen, bei der Betroffenen regelmäßig alle zwei Wochen eine Depotmedikation mit Risperdal Consta 37,5 mg durchzuführen.
Die Betroffene hat die Depotmedikation bereits mehrfach verweigert. Deshalb sind seit dem Jahre 2002 in 12 Fällen Genehmigungen für die geschlossene Unterbringung der Betroffenen zur stationären psychiatrischen Behandlung erteilt worden. Weiterhin wurde genehmigt, dass die bei der Durchführung der Unterbringung zur Unterstützung ggf. herangezogene Behörde Gewalt anwenden darf. In den genannten Fällen wurde die Betroffene nach Verabreichung des Depotmedikaments, regelmäßig am Tag der Unterbringung, spätestens am darauf folgenden Tage aus der Klinik entlassen. Der Betreuer hatte dabei mit der Klinik generell abgesprochen, dass die Betroffene entlassen werden darf, wenn eine medizinische Notwendigkeit für die stationäre Aufnahme bzw. ein stationäres Verbleiben der Betroffenen aus Sicht der Klinik nicht besteht.
Unter dem 3.5.2005 und 18.5.2005 beantragte der Betreuer erneut die vorläufige Genehmigung zur Unterbringung der Betroffenen, jeweils für zunächst eine Woche. Aus den den jeweiligen Anträgen beigefügten ärztlichen Stellungnahmen ergibt sich, dass die Unterbringung "zur Vermeidung einer weiteren psychotischen Desintegration und um die notwendige psychiatrische Behandlung einschließlich der Gabe der Depotmedikation zu ermöglichen" durchgeführt werden sollte, da die Patientin eine freiwillige stationäre Aufnahme abgelehnt habe. Einen Vorschlag zur Dauer der angeregten Unterbringung enthalten die ärztlichen Stellungnahmen nicht. Das AG genehmigte die vorläufigen Unterbringungen entsprechend der vorstehend geschilderten Praxis durch Beschlüsse vom 3. und 18.5.2005. Auf Grund dieser Beschlüsse wurde die Betroffene am 3.5.2005 untergebracht und am 4.5.2005 wieder entlassen sowie am 19.5.2005 untergebracht und am selben Tage wieder entlassen. Gegen beide Beschlüsse des AG hat die Betroffene, vertreten durch die ihr bestellte Verfahrenspflegerin, am 17. bzw. 18.5.2005 sofortige Beschwerde eingelegt.
Mit Beschl. v. 1.6.2005 hat das LG die sofortigen Beschwerden der Betroffenen als unbegründet zurückgewiesen. Zur Begründung hat das Gericht ausgeführt, dass die Voraussetzungen für eine vorläufige Unterbringung nach § 1906 Abs. 1 BGB jeweils vorgelegen hätten. Eine ambulante Zwangsmedikation der Betroffenen sei mangels gesetzlicher Grundlage nicht in Betracht gekommen. Das AG habe die stationäre Unterbringung auch nicht nur für die Zeit der Medikamentengabe genehmigt, sondern für einen Zeitraum, in dem eine Wirkung des Medikaments und damit eine Verbesserung des Zustandes der Betroffenen zu erwarten gewesen sei. Hierbei handele es sich um eine freiheitsentziehende Maßnahme. Zudem sei die Genehmigung erst erfolgt, nachdem sich der psychische Befund nach Verweigerung der Behandlung verschlechtert habe, so dass damit habe gerechnet werden müssen, dass sich die Betroffene erheblichen gesundheitlichen Schaden zufügen werde.
Gegen diesen Beschluss wendet sich di...