Leitsatz (amtlich)

Wird ohne Vorliegen einer Berufungsbegründung eine weder mit einer Begründung noch mit einem bestimmten Antrag versehene Anschlussberufung eingelegt, ist bei anschließender Rücknahme der Berufung auf Seiten des Berufungsgegners nur eine 1,1-Verfahrensgebühr nach Nr. 3201 RVG-VV und nicht eine 1,6-Verfahrensgebühr nach Nr. 3200 RVG-VV erstattungsfähig.

 

Normenkette

RVG-VV Nrn. 3200, 3201 Nr. 1

 

Verfahrensgang

AG Bremen-Blumenthal (Beschluss vom 26.03.2009; Aktenzeichen 71b F 40/06)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des AG Bremen-Blumenthal vom 26.3.2009 dahingehend abgeändert, dass die von der Antragsgegnerin an den Antragsteller nach dem Beschluss des OLG Bremen vom 19.11.2008 (Gesch.-Nr. 4 UF 93/08) zu erstattenden Kosten auf EUR 514,68 nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.12.2008 festgesetzt werden.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat der Antragsteller zu tragen.

Der Beschwerdewert wird auf 223,12 EUR festgesetzt.

 

Gründe

Mit Scheidungsverbundurteil vom 29.8.2008 hat das AG - Familiengericht - Bremen-Blumenthal den Antragsteller zur Zahlung nachehelichen Unterhalts an die Antragsgegnerin i.H.v. monatlich 384,25 EUR bis 31.12.2008 und i.H.v. monatlich 427,70 für EUR die Zeit vom 1.1.2009 bis zum 31.10.2011 verurteilt und die weitergehende Klage der Antragsgegnerin, die auf Zahlung eines Betrages von monatlich 561 EUR gerichtet war, abgewiesen. Gegen dieses Urteil, das ihr am 10.9.2008 zugestellt worden ist, hat die Antragsgegnerin am 9.10.2008 zur Folgesache nachehelicher Unterhalt Berufung eingelegt. Daraufhin hat der Antragsteller am 23.10.2008 eine weder mit einer Begründung noch mit einem bestimmten Antrag versehene Anschlussberufung eingelegt, "soweit" er "zur Zahlung von nachehelichem Unterhalt verurteilt wurde". Am 17.11.2008 hat die Antragsgegnerin ihre Berufung zurückgenommen, ohne sie zuvor begründet zu haben. Sodann hat das Hanseatische OLG in Bremen mit Beschluss vom 19.11.2008 (4 UF 93/08) der Antragsgegnerin die Kosten der Berufungsinstanz (einschließlich der Kosten der Anschlussberufung) auferlegt und den Streitwert der Berufungsinstanz (einschließlich Anschlussberufung) auf 6.732 EUR festgesetzt.

Das AG Bremen-Blumenthal hat mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 26.3.2009 nach Antrag des Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers die von der Antragsgegnerin an den Antragsteller nach dem Beschluss des OLG Bremen vom 19.11.2008 (4 UF 93/08) zu erstattenden Kosten auf 737,80 EUR festgesetzt, wobei es auf der Grundlage des Streitwerts von 6.732 EUR von einer 1,6-Verfahrensgebühr nach Nr. 3200 RVG-VV für die Berufungsinstanz ausgegangen ist. Gegen diesen Kostenfestsetzungsbeschluss, der ihr am 30.3.2009 zugestellt worden ist, hat die Antragsgegnerin am 14.4.2009 (Dienstag nach Ostern) sofortige Beschwerde eingelegt und unter Hinweis auf eine Entscheidung des OLG Bremen vom 6.8.2008 (Gesch.-Nr. 1 W 26/08) geltend gemacht, die volle erstattungsfähige Verfahrensgebühr nach Nr. 3200 RVG-VV entstehe erst mit dem Antrag, die Berufung zurückzuweisen, den der Antragsteller nicht gestellt habe. Das AG hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

Die gem. §§ 104 Abs. 3 S. 1, 567 Abs. 2, 569 ZPO zulässige sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin, mit der sie, wie sich aus der Bezugnahme auf die von ihr zitierte Entscheidung des OLG Bremen vom 6.8.2008 (Gesch.-Nr. 1 W 26/08) ergibt, erreichen will, dass bei der Kostenfestsetzung lediglich die 1,1-Verfahrensgebühr nach Nr. 3201 RVG-VV in Ansatz gebracht wird, ist begründet und führt zu der aus dem Tenor dieses Beschlusses ersichtlichen Abänderung der angefochtenen Entscheidung. Entgegen der Auffassung des AG ist im Berufungsverfahren für den Antragsteller nicht eine 1,6-Verfahrensgebühr nach Nr. 3200 RVG-VV zu erstatten, sondern nur eine 1,1-Verfahrensgebühr nach Nr. 3201 RVG-VV.

Es ist zunächst zweifelhaft, ob eine 1,6-Verfahrensgebühr nach Nr. 3200 RVG-VV auf Seiten des Prozessbevollmächtigten des Antragstellers überhaupt angefallen ist. Denn nach Nr. 3201 RVG-VV beträgt die Gebühr nach Nr. 3200 RVG-VV bei vorzeitiger Beendigung des Auftrags nur 1,1. Eine vorzeitige Beendigung liegt nach Nr. 3201 Ziff. 1 RVG-VV vor, wenn der Auftrag endigt, bevor der Rechtsanwalt das Rechtsmittel eingelegt oder einen Schriftsatz, der Sachanträge, Sachvortrag, die Zurücknahme der Klage oder die Zurücknahme des Rechtsmittel enthält, eingereicht oder bevor er für seine Partei einen gerichtlichen Termin wahrgenommen hat. Ob der Prozessbevollmächtigte des Antragstellers vor der im vorliegenden Fall durch Rücknahme der Berufung erfolgten, vorzeitigen Beendigung des Auftrags eine den gesetzlichen Gebührentatbestand der Nr. 3201 Ziff. 1 RVG-VV ausfüllende Maßnahme ergriffen hat, die einer Absenkung auf die 1,1-fache Verfahrensgebühr entgegensteht, ist fraglich. Er hat insbesondere vor Rücknahme der Berufung weder einen Sachanträge oder Sachvortrag enthaltenden Schriftsatz eingereicht...

Dieser Inhalt ist unter anderem im VerwalterPraxis Gold enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge