Entscheidungsstichwort (Thema)

Zu den Pflichten des Architekten beim Vorbehalt von Vertragsstrafen; Verjährung des Schadensersatzanspruchs gegen den Architekten

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ist dem Architekten bekannt, dass die Parteien des Bauvertrages eine Vertragsstrafenabrede getroffen haben oder hätte ihm dies bekannt sein müssen, gehört es zu seinen Beratungs- und Betreuungspflichten, durch nachdrückliche Hinweise an den Bauherrn sicherzustellen, dass bei einer förmlichen Abnahme der erforderliche Vertragsstrafenvorbehalt nicht versehentlich unterbleibt, es sei denn, der Auftraggeber besitzt selbst genügende Sachkenntnis oder ist sachkundig beraten.

2. Der Lauf der Verjährung für den Schadensersatzanspruch gegen den Architekten wegen unterlassenen Vorbehalts der Vertragsstrafe beginnt, wenn der Bauherr Kenntnis davon hat, dass der Architekt die Geltendmachung des Vertragsstrafenvorbehaltes unterlassen hat bzw. ohne grobe Fahrlässigkeit diese Kenntnis hätte erlangen müssen.

 

Normenkette

BGB § 199 Abs. 1 Nr. 2, § 341 Abs. 3; VOB/B § 11 Nr. 4

 

Verfahrensgang

LG Bremen (Urteil vom 07.04.2011; Aktenzeichen 7 O 2193/09)

 

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des LG Bremen vom 7.4.2011 (Gesch.-Nr. 7 O 2193/09) abgeändert und die Klage abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung von 110 % des auf Grund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten über das Bestehen eines Schadensersatzanspruchs der Klägerin gegen den Beklagten wegen eines unterlassenen Vertragsstrafenvorbehalts bei der Abnahme eines Bauvorhabens.

Die Klägerin schloss mit dem beklagten Architekten einen Architektenvertrag, durch den sich der Beklagte verpflichtete, die Planung und Überwachung des Bauvorhabens J.-Weg [...] zu übernehmen. Zu den vom Beklagten zu erbringenden Leistungen gehörten auch die Leistungsphasen 8 und 9 gem. § 15 HOAI, u.a. auch die Übergabe der errichteten Wohnungen.

Mit der Bauausführung beauftragte die Klägerin durch Vertrag vom 17.10.1997 die Firma S. GmbH (im Folgenden: Fa. S.). Diesem Vertrag lagen die Teile B und C der VOB sowie die zusätzlichen Vertragsbedingungen zum Bauleistungsvertrag zugrunde. Auf der Grundlage dieser Dokumente überwachte und betreute der Beklagte das Bauvorhaben.

Der laut Vertrag für den 31.10.1998 vereinbarte Fertigstellungstermin konnte auf Grund erheblicher Verzögerungen nicht eingehalten werden. Bei einer Baubegehung am 30.10.1998 wurden umfangreiche Mängel protokolliert. Für den Fall der Nichteinhaltung des Fertigstellungstermins sah der Bauleistungsvertrag zwischen der Klägerin und der Firma S. eine Vertragsstrafe i.H.v. 1,5 % der Nettoauftragssumme, maximal 10 %, vor (Ziff. IV 3 des Vertrages i.V.m. Ziff. 3.5 der zusätzlichen Vertragsbedingungen). Diese Vereinbarung war dem Beklagten auch bekannt. Mit Schreiben vom 30.10.1998 teilte er der Firma S. mit, dass ab dem 2.11.1998 die Vertragsstrafe einsetze. In einem weiteren Schreiben vom 5.11.1998 verwies der Beklagte nochmals gegenüber der Firma S. auf die Vertragsstrafe und forderte sie zu einer schnellstmöglichen Fertigstellung des Vorhabens auf.

Die Klägerin hat behauptet, die Abnahme und Übergabe des Bauwerks habe am 17.3.1999 stattgefunden. Hieran habe neben dem Geschäftsführer der Firma S., der Hausverwaltung und einiger Eigentümer auch der Beklagte teilgenommen. Der Beklagte habe es im Laufe der Abnahme bzw. bei Erteilung der Schlussrechnung jedoch versäumt, die Vertragsstrafe wirksam zugunsten der Klägerin vorzubehalten. Die Klägerin habe im Wege der Aufrechnung und Widerklage gegen die Firma S. GmbH Ansprüche aus der Vertragsstrafenregelung beim LG Bremen gerichtlich geltend gemacht (Az. 7 O 2724/02 = OLG Bremen Az. 3 U 66/10). Wegen des Fehlens der Erklärung des Vorbehalts der Vertragsstrafe durch den Beklagten bei der Abnahme am 17.3.1999 sei die Klage insoweit jedoch erfolglos gewesen. In jenem Verfahren sei dem Beklagten mit am 9.2.2006 zugestellten Schriftsatz vom 2.2.2006 der Streit verkündet worden.

Die Klägerin hat behauptet, ihr werde voraussichtlich ein Schaden i.H.v. EUR 137.826,51 entstehen, da die Firma S. insgesamt 93 Werktage mit der abnahmefähigen Fertigstellung des Bauwerks im Verzug gewesen sei. Rechnerisch sei eine Vertragsstrafe i.H.v. 139,50 % der Nettoauftragssumme verwirkt (1,5 %o pro Werktag Verzug). Es greife aber die Höchstbegrenzung der Vertragsstrafe auf 10 % der Nettoauftragssumme, so dass eine Vertragsstrafe i.H.v. DM 269.565,22 (= EUR 137.826,51) geschuldet werde.

Die Klägerin hat beantragt, festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, den Schaden zu ersetzen, der ihr dadurch entsteht, dass der Beklagte bei Abnahme des Bauvorhabens J.-Weg [...] am 17.3.1999 gegenüber der Firma Klaus S. Bauunternehmung GmbH den Vorbehalt der Vertragsstrafe zugunsten...

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