Entscheidungsstichwort (Thema)
Haftung eines Krankenhauses bei Sturz eines Patienten aus dem Bett, Anbringung von Bettgittern
Normenkette
BGB § 253 Abs. 2, § 280 Abs. 1, §§ 823, 831
Verfahrensgang
LG Bremen (Urteil vom 10.06.2009; Aktenzeichen 1 O 1109/05) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 1. Zivilkammer des LG Bremen vom 10.6.2009 - Az. 1 O 1109/05 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten der Berufung hat die Klägerin zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert wird auf 20.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Wegen des Sachverhalts wird auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).
Die Klägerin verfolgt mit ihrer Berufung gegen das klagabweisende landgerichtliche Urteil ihren Klageantrag aus erster Instanz, gerichtet auf Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit, weiter. Die Höhe des Schmerzensgeldes hat sie erstinstanzlich mit einem Betrag von mindestens 20.000 EUR beziffert. Sie beantragt, das angefochtene Urteil zu ändern und ihrer Klage stattzugeben. Zur Begründung ihrer Berufung führt sie aus, das LG sei aufgrund falscher Beweiswürdigung zu dem Ergebnis gekommen, am Bett ihres verstorbenen Ehemannes habe kein Bettgitter angebracht werden müssen. Ihr Ehemann sei blind und daher in fremder Umgebung hilflos gewesen. Er hätte daher einer besonderen Pflege bedurft, zumal es ihm nicht möglich gewesen sei, die am Krankenbett befestigte Klingel zu bedienen, um Hilfe zu rufen, und er auch nicht selbsttätig aus dem Bett habe steigen können. Bei mäßiggradig körperlich limitierten Personen wie ihrem verstorbenen Ehemann sei die Anbringung eines Bettgitters grundsätzlich indiziert. Wegen der weiteren Einzelheiten der Berufungsbegründung wird auf die Schriftsätze der Klägerin vom 31.7.2009 (Bl. 261 ff. d.A.) sowie vom 10.9.2009 (Bl. 288 ff. d.A.) verwiesen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen. Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Wegen der weiteren Einzelheiten ihres Vortrags wird auf die Berufungserwiderung vom 24.8.2009 (Bl. 282 ff. d.A.) verwiesen.
II. Die statthafte (§ 511 ZPO), form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung (§§ 517, 519, 520 ZPO) ist zulässig, aber unbegründet.
Das LG hat im Ergebnis zutreffend einen Schmerzensgeldanspruch des verstorbenen Ehemannes der Klägerin, der auf sie als Alleinerbin gem. § 1922 BGB übergegangen wäre, abgelehnt. Ein derartiger Anspruch, gestützt auf die §§ 823, 831, 253 Abs. 2 BGB bzw. §§ 280 Abs. 1, 253 Abs. 2 BGB i.V.m. dem allgemeinen Krankenhausaufnahmevertrag, hätte dem verstorbenen Ehemann der Klägerin nur dann zustehen können, wenn sein Sturz am 14.8.2004 auf ein Fehlverhalten der behandelnden Ärzte bzw. des Pflegepersonals zurückzuführen wäre. Die Klägerin hat insofern behauptet, ihr Ehemann sei am 14.8.2004 nur deshalb gestürzt, weil die Mitarbeiter der Beklagten es unterlassen haben, ein Gitter an seinem Bett anzubringen, obwohl dies indiziert gewesen sei. Dass die Mitarbeiter der Beklagten tatsächlich verpflichtet waren, am 14.8.2004 am Krankenhausbett des verstorbenen Ehemannes der Klägerin ein Bettgitter anzubringen, ist von der Klägerin aber nicht nachgewiesen worden (hierzu Ziff. 1). Da somit bereits nicht festgestellt werden kann, dass das Unterlassen der Anbringung eines Bettgitters eine der Beklagten als Krankenhausbetreiberin zuzurechnende Sorgfaltspflichtverletzung darstellt, kommt es auf die Frage des Kausalzusammenhangs zwischen dem Sturz des Ehemannes der Klägerin am 14.8.2004 und dem Fehlen eines Bettgitters nicht mehr an (hierzu Ziff. 2).
1. Die Klägerin, die als Alleinerbin nach ihrem verstorbenen Ehemann gem. § 1922 BGB den Schmerzensgeldanspruch gegen die Beklagte geltend macht, ist als Anspruchstellerin dafür darlegungs- und beweispflichtig, dass ihr Ehemann am 14.8.2004 aufgrund einer Sorgfaltspflichtverletzung des Personals der Beklagten verletzt worden ist.
Ein Fall der Beweislastumkehr zu Lasten der Beklagten aus dem Gesichtspunkt eines sog. "voll beherrschbaren Risikos" liegt hier nicht vor (vgl. dazu Martis, MDR 2009, 1082 (1088)). Zwar ist der verstorbene Ehemann der Klägerin im von der Beklagten betriebenen Krankenhaus und somit in ihrem Organisationsbereich gestürzt. Dieser Umstand allein reicht nach ständiger Rechtsprechung aber für eine Umkehr der Beweislast nicht aus. Von der Rechtsprechung wird eine Beweislastumkehr vielmehr nur in den Fällen angenommen, in denen alle Risikofaktoren und somit auch solche, die sich aus der körperlichen Konstitution des Patienten ergeben, regelmäßig vom Personal eingeplant und voll umfänglich ausgeschaltet werden können (vgl. OLG Schleswig, Urt. v. 6.6.2003, NJW-RR 2004, 237). So geht man z.B. von einem voll beherrschbaren Risiko mit der Folge einer Entlastungspflicht des Krankenhausbetreibers dann aus, wenn der Patient stürzt, während die mit seiner Begleitung beschäftigt...