Entscheidungsstichwort (Thema)
Wirksamkeit der Kündigung eines Prämiensparvertrages nach Erreichen der höchsten Prämienstufe
Leitsatz (amtlich)
1. Bei einem Prämiensparvertrag, bei dem die Prämien auf die Sparbeiträge stufenweise bis zu einem bestimmten Sparjahr steigen, ist eine ordentliche Kündigung nach Nr. 26 Abs. 1 AGB-Sparkassen nach Erreichen der höchsten Prämienstufe möglich (vgl. BGH, Urteil vom 14. Mai 2019 - XI ZR 345/18 -, BGHZ 222, 74-88).
2. Ein Ausschluss des Kündigungsrechts ergibt sich weder aus einer in der Werbung verwendeten Musterrechnung noch aus einem auf dem Kontoauszug vermerkten "Fälligkeitsdatum".
3. Ein sachgerechter Grund für die Kündigung nach Nr. 26 Abs. 1 AGB-Sparkassen kann insbesondere in einem veränderten Zinsumfeld zu sehen sein.
4. Die seit dem Erreichen der maximalen Sparprämie verstrichene Zeit (hier: ca. zehn Jahre) rechtfertigt für sich genommen weder die Annahme einer Verwirkung noch eines Rechtsmissbrauchs.
Normenkette
BGB §§ 242, 696 S. 1, § 700 Abs. 1; SparkAGB Nr. 26 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Hildesheim (Urteil vom 16.02.2021; Aktenzeichen 6 O 175/20) |
Tenor
Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Kläger gegen das am 16. Februar 2021 verkündete Teil-Urteil des Einzelrichters der 6. Zivilkammer des Landgerichts Hildesheim durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.
Gründe
I. Die Kläger begehren mit ihrer Klage - soweit im vorliegenden Berufungsverfahren von Bedeutung - die Feststellung, dass die von der Beklagten ausgesprochene Kündigung eines zwischen den Parteien abgeschlossenen Prämiensparvertrages unwirksam ist.
Der Kläger zu 1 schloss mit der Beklagten am 24. März 1995 einen Prämiensparvertrag ab, nach dessen Inhalt der Kläger monatliche Raten in Höhe von 200,00 DM (= 102,26 EUR), erstmals fällig am 15. Mai 1995, auf das Sparkonto einzahlen konnte und das Guthaben von der Beklagten mit "dem jeweils gültigen Zinssatz, z.Zt. 3 %," verzinst werden sollte. Ferner verpflichtete sich die Beklagte, ab dem 3. Sparjahr eine Prämie von 3 % zu zahlen, die sich jährlich erhöhen und ab dem 15. Sparjahr auf 50 % belaufen sollte. In einer als "Information zum S-Prämiensparen flexibel" bezeichneten Musterberechnung zum Sparvertrag mit Stand Dezember 1994 (Anlage K 1, Bl. 22 d.A.) hatte die Beklagte über das 15. Jahr hinaus einen Effektivzins von bis zu 4,93 % für eine 20-jährige Laufzeit errechnet.
Ziffer 3 des Vertrages, wegen dessen Inhalts im Übrigen auf die Anlage K 2 (Bl. 23 d.A.) Bezug genommen wird, regelt die "Beendigung des Sparvertrages" u.a. wie folgt:
3.1 Verfügung nach Kündigung: Es gilt eine dreimonatige Kündigungsfrist. Die Kündigung bewirkt, dass der Sparer innerhalb eines Monats nach Ablauf der Kündigungsfrist über den gekündigten Betrag verfügen kann. Macht der Sparer von diesem Recht ganz oder teilweise Gebrauch, wird der Vertrag damit insgesamt beendet. Wird innerhalb eines Monats nach Ablauf der Kündigungsfrist über den gekündigten Betrag nicht verfügt, so wird der Vertrag zu den ursprünglichen Bedingungen fortgesetzt.
Ferner vereinbarten die Parteien die Einbeziehung der derzeit geltenden Bedingungen für Sparverkehr (Anlage B 7, Anlagenordner Beklagte) und der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) der Beklagten.
Durch Vereinbarung vom 17. September 2019 (Anlage B 6, Anlagenordner Beklagte), auf deren Inhalt wegen der Einzelheiten verwiesen wird, trat die Klägerin zu 2 dem Vertrag bei.
Zum 1. Januar 2020 zahlte die Beklagte an die Kläger eine Prämie in Höhe von 613,56 EUR sowie Zinsen in Höhe von 4,09 EUR (Zinssatz: 0,01 %). In dem diese Zahlungen aufführenden Jahreskontoauszug für 2019 (Anlage K 6, Bl. 28 d.A.) heißt es am Ende:
Beginndatum: 15.05.1995
Fälligkeitsdatum: 15.05.2094
Rate: 102,26 EUR
Prämienbetrag: 613,56 EUR
Prämiensatz: 50,000 v.H.
Zinssatz: 0,010 v.H.
Die Beklagte kündigte den Vertrag mit den Klägern mit Schreiben vom 15. Januar 2020 (Anlage K 3, Bl. 24 d.A.) mit Wirkung zum 30. April 2020. Entsprechende Kündigungen erklärte die Beklagte für sämtliche in ihrem Haus bestehenden Prämiensparverträge. Zur Begründung verwies die Beklagte auf die ungünstigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und das Zinsniveau, das sich anhaltend auf einem historischen Tiefstand bewege.
Nach dem Widerspruch der Kläger vom 23. Januar 2020 (Anlage K 4, Bl. 25 d.A.) begründete die Beklagte die Kündigung mit Schreiben vom 12. März 2020 (Anlage K 5, Bl. 26 d.A.) weiter, u.a. unter Hinweis auf die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 14. Mai 2019 (Az. XI ZR 345/18).
Das Landgericht hat die unter anderem auf Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung des Sparvertrages gerichtete Klage mit diesem Antrag durch Teil-Urteil abgewiesen. Zur Begründung hat der Einzelrichter ausgeführt, der Erlass eines Teilurteils sei sachgerecht, weil der weitere Antrag der Kläger auf Zahlung zusätzlicher Zinsen zum Wertstellungsdatum 1. Januar 2020 - also für einen Zeitraum, als der Vertrag unstreitig noch nicht durch Kündigung beendet war - einen eigenständigen Streitgegensta...