Entscheidungsstichwort (Thema)

Fortführung der GmbH kraft Gesellschafterbeschlusses nach Aufhebung des Insolvenzplanverfahrens bei fehlender Fortführungsplanung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine GmbH kann nach Aufhebung des Insolvenzplanverfahrens nicht kraft Fortsetzungsbeschlusses ihres Alleingesellschafters fortgesetzt werden, wenn der Insolvenzplan keine Fortführungsplanung enthält.

2. Das Registergericht kann das aus dem Wortlaut von § 60 Abs. 1 Nr. 4 GmbHG herrührende Erfordernis, wonach die Fortführung einen Insolvenzplan, "der den Fortbestand der Gesellschaft vorsieht", voraussetzt, selbstständig prüfen. Der Beschluss des Insolvenzgerichts, mit dem das Insolvenzplanverfahren aufgehoben wird, schließt diese registergerichtliche Prüfung nicht aus.

3. Liegt zwischen der Aufhebung des Insolvenzplanverfahrens seitens des Insolvenzgerichts und dem Fortsetzungsbeschluss des Gesellschafters eine nicht unerhebliche Zeitspanne - im Streitfall etwa sechs Monate -, so kommt auch die Anwendung der Voraussetzungen einer wirtschaftlichen Neugründung im Anmeldezeitpunkt des Fortsetzungsbeschlusses in Betracht.

 

Normenkette

GmbHG § 60 Abs. 1 Nr. 4

 

Verfahrensgang

AG Lüneburg (Entscheidung vom 07.02.2019; Aktenzeichen HRB 207257)

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 08.04.2020; Aktenzeichen II ZB 3/19)

 

Tenor

Die Beschwerde der betroffenen Gesellschaft gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Registergericht - Lüneburg vom 7. Februar 2019 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens: Wertstufe bis 30.000 EUR § 105 Abs. 4 Nr. 1 GNotKG.

 

Gründe

I. Unter dem 3. Dezember 2018 haben die Geschäftsführer der betroffenen Gesellschaft über den Beteiligten zu 2), Notar S. aus S., zur Eintragung in das Handelsregister angemeldet, dass die betroffene Gesellschaft aufgrund Fortsetzungsbeschlusses ihrer Alleingesellschafterin fortgesetzt werde (Anlagenhefter Bl. 3).

Dem war ein als Insolvenzplanverfahren geführtes Insolvenzverfahren vorausgegangen, das auf einen Eigenantrag der betroffenen Gesellschaft wegen drohender Zahlungsunfähigkeit vom August 2017 eingeleitet worden war (vgl. wg. der Einzelheiten den Sonderband Kopien aus dem Insolvenzverfahren AG Lüneburg ...). Unter dem 28. Februar 2018 haben die hiesigen Verfahrensbevollmächtigten für die betroffene Gesellschaft einen Insolvenzplan zum Insolvenzgericht eingereicht. Der Plan sieht unter

"1. Zusammenfassung des bisherigen Verfahrens"

auf Seite 5 (Bl. 133 des Sonderbandes Kopien aus dem Insolvenzverfahren) Folgendes vor:

"Durch diesen Insolvenzplan sollen die Insolvenzgläubiger der Schuldnerin bei (teilweiser) Befriedigung ihrer Insolvenzforderungen bessergestellt werden als im Falle der Durchführung eines Insolvenzhauptverfahrens. Im Rahmen der Insolvenzplanregelungen sollen diese Insolvenzgläubiger insbesondere durch die Zahlung eines Massebeitrags von dritter Seite teilweise befriedigt werden und im Übrigen auf ihre Insolvenzforderungen gegenüber dem Schuldner verzichten. Ferner soll die Schuldnerin von ihren Schulden befreit werden und ihr hierdurch die grundsätzliche Möglichkeit gegeben werden, entsprechend ihres Geschäftszwecks weiterhin werbend tätig zu sein [Hervorhebung durch den Senat]. Zudem bezweckt der Insolvenzplan die Überwindung des eingetretenen Vermögensverfalls.

Im Fall der Annahme des Insolvenzplans wird seitens der Gesellschafter ein Betrag in Höhe von Euro 15.000,00 zur teilweisen Befriedigung der Insolvenzforderungen zur Verfügung gestellt."

Aus dem Insolvenzplan folgt weiter unter 2.2.2., dass die Einlage in Höhe von 15.000 EUR seitens der Gesellschafterin als Darlehen zur Finanzierung des Insolvenzplans vorgesehen ist (S. 12 des Insolvenzplans), alternativ die Stammeinlage in dieser Höhe erhöht werden sollte; ein - satzungsändernder - Beschluss des letztgenannten Inhalts ist jedoch nicht gefasst worden.

Das Registergericht geht davon aus - zu den Akten gelangt sind die Beschlüsse nicht -, dass das Insolvenzverfahren durch Beschluss des Insolvenzgerichts vom 22. Mai 2018 aufgehoben und durch weiteren Beschluss des Insolvenzgerichts vom 6. August 2018 auch die Anordnung der Überwachung der Erfüllung des Insolvenzplans aufgehoben ist.

Der zur Urkundenrolle Nummer 899/18 des Notars S. gefasste Beschluss der Alleingesellschafterin betreffend die Fortsetzung der Gesellschaft datiert vom 29. November 2018 (Bl. 6f. des Heftstreifens Anlagen zur Registerakte).

Das Registergericht hat unter dem 31. Januar 2019 (Bl. 74 d.A.) den Notar zunächst darauf hingewiesen, dass der Insolvenzplan den Fortbestand der Gesellschaft nicht vorsehe und damit eine Fortsetzung der Gesellschaft gemäß § 60 Abs. 1 Nr. 4, 2. Hs, 2. Alt. GmbHG nicht möglich sei. Dem ist der Prozessbevollmächtigte der betroffenen Gesellschaft sodann entgegengetreten und hat gemeint, der Insolvenzplan bedürfe der Auslegung gemäß §§ 133, 157 BGB. Bei verständiger Würdigung der im Insolvenzplan vorgesehenen Regelungen werde deutlich, dass sämtliche Maßnahmen, die der Inso...

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